Fehlende Studien: Könnte Methadon künftig in der Krebstherapie eingesetzt werden?

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Hirntumore, Lebermetastasen oder seltene Erkrankungen wie Haarzellleukämie – das hässliche Gesicht von Krebs ist vielfältig. In Deutschland erkranken jedes Jahr fast eine halbe Million Menschen neu an  einer Form von Krebs. Und die Berichte über versuchsweise Einsätze von Methadon in der Krebstherapie klingen verheißungsvoll – für viele Betroffene wie eine letzte Hoffnung. Das Interesse von Patienten und Medizinern ist riesig.

Allerdings ist auch Skepsis angebracht, denn eine generell positive Wirkung ist bisher nicht bewiesen. Noch fehlen klinische Studien, die allein einen Einsatz des Schmerzmittels in der Krebstherapie rechtfertigen könnten. Auch Nebenwirkungen sind zu wenig untersucht. Die Frage ist demnach: Warum gibt es bislang keine derartigen Studien? Immerhin ist die Wirkung der Substanz auf Krebszellen- zumindest im Labor – doch seit Jahren bekannt.

Dr. Claudia Friesen von der Universität Ulm hatte vor 10 Jahren in ihrem Labor die Entdeckung gemacht, dass Leukämiezellen unter der Gabe von Methadon sterben – und dass Methadon als Wirkverstärker  der Chemotherapie dienen kann. 

So wirkt Methadon

„Keiner der Patienten verzichtet dadurch auf irgendeine Therapie“

Live in der Sendung diskutierten die Chemikerin und Entdeckerin von Methadon als Krebsantagonist Dr. Claudia Friesen, der Allgemein- und Palliativmediziner Dr. Hans-Jörg Hilscher, der bereits Erfahrungen in der Methadonanwendung hat mit dem Kritiker Prof. Dr. Wolfgang Wick vom Universitätsklinikum Heidelberg. Der Neurologe und Onkologe sagt: „Methadon ist potenziell reich an unerwünschten Nebenwirkungen. Hohe Erwartungen sind unangebracht.“ Er warnte jedoch davor, den Einsatz von Methadon in der Krebstherapie – wie derzeit – zu bewerben. Die Berichte von Krebspatienten, denen mit Methadon geholfen wurde, seien „kritisch zu betrachten“, so Wick, Sprecher der neuroonkologischen Arbeitsgemeinschaft. „Um Methadon flächendeckend einzusetzen, fehlt die Grundlage.“

Claudia Friesen betonte, dass Methadon lediglich als Wirkverstärker der Chemotherapie wirke. „Keiner der Patienten verzichtet dadurch auf irgendeine Therapie.“ Patienten, die nach einer Weile auf die Therapie nicht mehr ansprachen, hätten unter der Zugabe von Methadon wieder auf die Chemo angesprochen. Ihre Forschungsergebnisse hätten gezeigt, „dass Methadon den Widerstand der Tumorzelle gegen das Chemotherapeutikum brechen kann.“ Laut Prof. Wick sei dieser Ansatz in Fällen, in denen es gute Alternativen gäbe, jedoch falsch.

Hans-Jörg Hilscher unterstützte ihre Argumentation und kritisierte ein Rundschreiben der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie, in dem seiner Meinung nach unzutreffende Studien zitiert würden – eine andere Studie aus der gleichen Zeit über die positiven Wirkweisen des Schmerzmittels auf die Lebenserwartung aber bewusst nicht genannt wurde. Die wesentlich geringere Dosierung in der Beigabe bei Krebspatienten sei jedoch entscheidend. „Dadurch weigern sich Onkologen jetzt, die Patienten weiter zu behandeln. Das heißt, sie verweigern lebenserhaltende und lebensrettende Chemotherapien, aufgrund dieses Rundschreibens, in dem vor tödlichen Nebenwirkungen von Methadon gewarnt wird.“

In drei Jahren möglicherweise Daten für Therapie verfügbar

Wolfgang Wick räumte im stern TV-Studiogespräch ein: „Die vielen Patientenberichte rechtfertigen, dass wir uns Gedanken machen, wie wir das Ganze klinisch weiterentwickeln.“ Seiner Meinung nach sei „der kurze Weg über die Verbreitung in der Gesellschaft aber nicht vernünftig.“

Die gute Nachricht immerhin: Die Deutsche Krebsgesellschaft meldete jüngst, dass Anfang Juni eine Studie zu Methadon bei Hirntumorpatienten beantragt wurde. Die Genehmigung erhoffe er sich bis zu diesem Herbst, so der Heidelberger Mediziner Wolfgang Wick. Sollte die klinische Studie gestartet werden können, „haben wir hoffentlich in drei Jahren seriöse Daten für die Therapie.“

STV_KW26_MethadonTalk

LINK FAQ Uni Ulm

Methadon gegen Krebs 8.45

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