Viele Jahre ging es Rena Feilbach richtig gut. Ihre Gastwirtschaft, die „Alte Post“ in Taunusstein, warf genug Geld ab und sie konnte sich in den 1980er Jahren eine private Krankenversicherung leisten. „Das waren die besten Zeiten meines Lebens“, so die 76-Jährige. „Und es kamen nur nette, sehr großzügige Leute, denen es gut ging.“ Einer der Gäste, ein Versicherungsvertreter, überredete Rena Feilbach damals an der Theke zum Wechsel in die PKV. Dann bekam sie ein Herzleiden und konnte nicht mehr hinter dem Tresen stehen, sie musste ihre Wirtschaft aufgeben. Die Einnahmen gingen zurück, die hohen Versicherungsbeiträge blieben. „Da ging das Dilemma los. Ich habe zwar nach kurzer Zeit einen Job gefunden und bin dann in die AOK gegangen. Aber die haben festgestellt, dass ich über 55 Jahre war, und haben mich sofort wieder ausgegliedert.“ Rena Feilbach war mit 58 Jahren schwer krank und gleichzeitig zu alt, um noch in die gesetzliche Krankenkasse aufgenommen zu werden.
Besser gesetzlich oder privat … Krankenversicherungen im Vergl… (1906873)Ihr blieb also nichts anderes übrig, als weiter in ihrer Privatversicherung zu bleiben. Inzwischen ist die 76-jährige Rentnerin in den Basistarif gewechselt. Doch selbst der kostet sie monatlich 657 Euro – und dabei wird sie wie eine gesetzlich Versicherte behandelt. Die Versicherungsbeiträge schlagen bei Rena Feilbach seit Jahren mit einem dicken Minus zu Buche: Ihre Rente beträgt nur 352 Euro, davon muss sie Miete und weitere Versicherungsbeiträge bezahlen, sowie Lebensmittel und Kleidung. Monat für Monat knabbert Rena Feilbach ihr jahrzehntelang hart Erspartes auf. Lange wird es nicht mehr reichen.
Und plötzlich wird eine Behandlung abgelehnt
Die steigenden Beitragskosten einer privaten Krankenversicherung auf oftmals über 2000 – 3000 Euro pro Monat übersehen viele Menschen in jungen Jahren, weiß auch Elke Weidenbach von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Viele sehen nur die Vorteile und das Jetzt und Heute. Aber dass es in zwanzig oder dreißig Jahren sehr viel teurer werden würde, hat niemand bedacht. Und gerade wenn dann die Altersrente kommt, die nicht mehr so üppig ausfällt, wünschen sie sich die Rückkehr in die gesetzliche Krankenversicherung. Und dann muss man denen erklären, dass das so nicht geht.“ Die Verbraucherschützerin berät regelmäßig Betroffene, die in die Kostenfalle geraten sind. „Sie schaffen es dann einfach nicht mehr, ihre Beitragsrückstände in der Privaten zu begleichen und landen so im Notlagentarif.“ Dieser Tarif, den die Privatversicherer seit Einführung der Versicherungspflicht anbieten müssen, kostet nur einen geringen Beitrag von maximal 100 Euro. Allerdings: Im Notlagentarif gibt es keine Vorsorgeuntersuchungen, keine Impfungen. Die Krankenkasse zahlt dann nur noch, wenn jemand akut krank ist. Eben in einer extremen Notlage. Und das, obwohl man zuvor jahrelang tausende Euro in die private Krankenversicherung investiert hat.
Was Sie über Krankenversicheru… Fragen und Antworten (1907780)103.000 Versicherte im Notlagentarif
Von dem Notalgentarif der Privaten Krankenversicherungen sind derzeit bereits 103.000 Menschen in Deutschland betroffen. Darunter vor allem viele ehemals Selbständige. Sie alle haben keine andere Wahl, denn alle anderen Tarife können sie sich im Alter oder bei Zahlungsschwierigkeiten nicht mehr leisten.
Johannes von Sengbusch berät in dem Verein „Sido“ in Münster mit seinem Team Selbständige in Krisensituationen. Er sagt, viele stünden regelrecht unter Schock, wenn eine Behandlung vom Arzt plötzlich abgelehnt würde. „Der Leistungskatalog in der Notlagenversorgung ist nicht definiert. Weder die Patienten noch die Ärzte wissen wirklich, wann und wie geholfen werden kann.“ Das Problem: Viele würden deshalb und aus Scham gar nicht mehr zum Arzt gehen.
Die herzkranke Rena Feilbach hat nur noch ihre Ersparnisse aus der Vergangenheit, die weiter schrumpfen. Derzeit ist sie noch im Basistarif, dann wird wohl oder übel der Notlagentarif folgen. „Ich bin in der Versicherung, bis mein Geld weg ist. Und ich will ja noch ein bisschen leben. Aber was ist denn, wenn das Geld weg ist? Was mache ich dann?“
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