Einblicke in die Ermittlungsarbeit: Fahndung nach Dirk K.: So überführt das BKA mutmaßliche Kinderschänder

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Hinter jedem Bild und hinter jeder Videodatei, die sich die Ermittler des BKA tagtäglich ansehen müssen, steht ein realer Missbrauch eines Kindes. Die Kriminalbeamten achten dabei auf jedes Detail; sie dürfen keinen Hinweis auf Täter, Opfer oder Umfeld übersehen. Der Kampf gegen die Kinderpornografie ist hart. Noch dazu erhalten die Ermittler beim Bundeskriminalamt in Wiesbaden, der deutschen Zentralstelle zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch, jeden Tag massenweise neues kinderpornografisches Material, das im Netz aufgetaucht ist. Allein im letzten Jahr waren es 35.000 Fälle.

Ein Fall, der das Ermittlungsteam in Wiesbaden schon länger beschäftigte, sorgte vor drei Wochen für öffentliches Aufsehen: Die Polizei ging mit einem Foto des mutmaßlichen Täters Dirk K. an die Öffentlichkeit, suchte den Mann über alle Medien. Dirk K. soll zwei Kinder in zwölf Fällen schwer sexuell missbraucht und die Aufnahmen im so genannten Darknet verbreitet haben. „Wir haben uns diesen Missbrauch jeden Tag anschauen müssen, wir haben jedes Detail in diesen Bildern und Videos auswerten müssen – und das mit dem Wissen, dass dieser Missbrauch aktuell noch stattfindet. Das brennt ganz schön in einem“, sagt der Leiter der Zentralstelle Wiesbaden Hans-Joachim Leon.  

Öffentlichkeitsfahndung als letztes Mittel

stern TV hat die Ermittler am Tag der Fahndung exklusiv mit der Kamera begleitet: Der entscheidende Hinweis im Fall Dirk K. kommt gleich am Morgen aus Nordrhein-Westfalen – von der Kreispolizeibehörde in Viersen. Ein Taxifahrer will auf dem Fahndungsfoto seinen Kollegen wiedererkannt haben. Das Einwohnermeldeamt bestätigt den Beamten, mit wem sie es zu tun haben. Die Ermittler hoffen, so auch die Wohnung finden zu könnten, in der der Missbrauch stattgefunden haben soll. Auch wer die Opfer sind, weiß die Polizei zu dem Zeitpunkt noch nicht.

Noch nie hatten deutsche Ermittler so viele Hinweise auf sexuellen Missbrauch und Kinderpornografie. Das BKA in Wiesbaden profitiert von einem Verfahren aus den USA, wo Internetanbieter wie Google und Facebook dazu verpflichtet wurden, ihre Inhalte weltweit nach bereits bekannten kinderpornografischen Bildern zu scannen. Bei einem Treffer schicken sie Bilder und dazugehörige IP-Adresse an eine amerikanische Organisation, die die Hinweise je nach Herkunft der IP-Adresse sortiert und an die zuständigen Ermittler der jeweiligen Länder verteilt.

Das sind Videos, die gehen einem nicht mehr aus dem Kopf“

Jeder neue Hinweis muss als zunächst kategorisiert werden: Handelt es sich tatsächlich um Kinderpornografie? Alle Fälle, die eine Straftat zeigen, prüft in Wiesbaden die Spezialistin Jessica Meyer. Beim Sichten werden Kopfhörer getragen, denn auf den Videos sind Schreie von Kindern und andere Geräusche zu hören. Ein Video, das Jessica Meyer während der Dreharbeiten beim BKA auswertet, zeigt einen schweren Missbrauch eines kleinen Mädchens. Die Kriminalbeamtin muss dabei genau zuschauen, hinhören – und auf jedes kleinste Detail achten. „Das sind Videos, die gehen einem nicht mehr aus dem Kopf, die hat man immer so vor Augen. Aber man darf es nicht zu nah an sich heranlassen, um effektiv arbeiten zu können“, so Meyer. „Das kann man, oder das kann man nicht. Die Leute, die hier arbeiten, können das alle.“ Das Video zeigt wahrscheinlich einen Missbrauch, der immer noch stattfindet, da es neues Material ist, das die Ermittler noch nicht kennen. Um die Kindesmissbräuche zu beenden und die Verbreitung der Bilder zu stoppen, lassen die Ermittler des BKA nichts unversucht. Sie schauen sich die Wohnungen auf den Aufnahmen genau an, fahnden nach einzelnen auffälligen Gegenständen. Und sie ermitteln verdeckt in den Chats der Pädophilen. Über eine der einschlägigen Plattformen konnten sie im letzten Jahr 67 Verdächtige identifizieren. Gerade dort würde es extrem zu gehen, mit Beschreibungen wie Zu Eng gibt es nicht oder Wer hat schon mal ein Mädchen mit einem Spekulum bearbeitet?, Wo kriege ich kleine Mädchen her?, berichtet Jessica Meyer. „Und das mittags um zwölf Uhr in Deutschland – abartig! Man sitzt einfach fassungslos davor.“

Info BKA und KinderpornografieÜberraschungseffekt führt zum Erfolg

Das letzte Mittel, um an die Täter heranzukommen ist die Öffentlichkeitsfahndung. Wie bei Dirk K. Sein ehemaliger Taxikollege, der der Viersener Polizei den Hinweis gab, arbeitete vier Jahre lang mit dem mutmaßlichen Täter. Er hatte auch die Adresse des 45-Jährigen. Gegen Mittag fährt Lutz Strothmann, der an diesem Tag die Ermittlungen leitet, als erster zu der vermeintlichen Wohnung von Dirk K. „Im Gegensatz zu allen anderen Wohnungen klemmte an dieser Wohnung ein Sicherheitsschloss. Der Schlüsseldienst hat sehr viel arbeiten müssen“, berichtet Kommissar. Die Ermittler erkennen sofort, dass sie in der Wohnung richtig sind: „Bestimmte Gegenstände, Einrichtungen – das ist auch auf den Bildern zu sehen. Wir sind in der richtigen Wohnung, wir haben den richtigen Menschen gefunden.“ Doch Dirk K. treffen die Ermittler dort nicht an. Sollte er von der Fahndung erfahren haben und geflohen sein? Für die Polizisten beginnt ein Rennen gegen die Zeit. Die nächsten Hinweise führen sie kurz darauf in das 15 Kilometer entfernte Krefeld, wo die Beamten den Mann zu finden hoffen: „Untertauchen ohne viel Geld und ohne Vorbereitung ist schwierig“, so Strothmann. Um Dirk K. zu fassen, sind bis zu 60 Polizisten im Einsatz, die bis spät in die Nacht unter anderem mehrere Hotels überprüfen. In einem hat Dirk K. tatsächlich eingecheckt, mit richtigem Namen und Personalausweis. Die Ermittler sind am Ziel. Nun müssen sie nur noch verhindern, dass der Mann ihre Anwesenheit bemerkt, müssen alle Fluchtmöglichkeiten abriegeln. Um 2:45 Uhr in der Nacht erfolgt der geplante Zugriff. „Wir haben schon damit gerechnet, dass wir einen Überraschungseffekt haben“, so der Ermittler vor Ort. Dirk K. wird in seinem Hotelzimmer überrumpelt. Er leistet bei der Festnahme keinen Widerstand. 17 Stunden nach Fahndungsbeginn ist der mutmaßliche Kinderschänder gefasst. Die Ermittlungen gegen weitere Täter geht für die Beamten jedoch weiter. Jeden Tag aufs Neue.

Anlaufstellen sexueller Kindesmissbrauch

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