Der Saisonstart von Bayer Leverkusen war ein voller Erfolg. Nach den ersten vier Pflichtspielen stehen drei Siege und ein Unentschieden zu Buche.
Nun wartet in der Bundesliga das Spiel beim BVB auf die Werkself (Bundesliga: Borussia Dortmund – Bayer Leverkusen, Sa. ab 15.30 Uhr im Liveticker), in der Königsklasse kommt Lokomotive Moskau in die BayArena (Champions League: Bayer Leverkusen – Lokomotive Moskau, Mi. ab 21 Uhr im Liveticker).
Torwart Lukas Hradecky steht vor seinem Champions-League-Debüt – und hat große Ziele: „Sicher wollen wir in der Champions League Spiele gewinnen und nicht nur teilnehmen“, sagt der Finne im exklusiven Interview mit SPORT1.
Außerdem spricht der 29-Jährige über die ersten Wochen der neuen Spielzeit, Trainer Peter Bosz und die Gründe, warum er Keeper geworden ist.
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SPORT1: Herr Hradecky, woher kommt der Erfolg? War die Vorbereitung so gut, verstehen Sie sich so gut? Was ist der Schlüssel?
Lukas Hradecky: Es passt einfach mit der Mannschaft und dem Trainer. Die Spielweise, die wir praktizieren, funktioniert nur mit der Kombination aller Beteiligten. Wenn alle daran glauben und sehen, dass es funktioniert, mit der Qualität, die in uns steckt, bekommen wir schon viel auf den Platz gebracht. Das drückt sich in Form von Siegen und Toren aus. Ich will natürlich gerne zu Null spielen, aber solange wir 3:1 oder 3:2 gewinnen, ist mir das egal.
SPORT1: Ist das der Fußball, den Sie sich vorgenommen haben, oder braucht die Mannschaft noch ein bisschen?
Hradecky: Man macht Tag für Tag Schritte nach vorne. Je mehr Feintuning wir machen, desto eher wird es besser und besser. Wir arbeiten jetzt neun Monate mit unserem Trainer zusammen und langsam trägt die Arbeit Früchte.
Hradecky schwärmt von Bosz
SPORT1: Was macht Peter Bosz anders und warum funktioniert das so gut?
Hradecky: Er ist bodenständig und sehr kommunikativ. Er redet viel mit den Spielern, man sieht, dass die Spieler enorm viel Respekt für den Trainer empfinden. Alle Spieler wollen sich für den Trainer und den Verein auf dem Platz zerreißen.
SPORT1: Die Tür ist also immer offen, er hat ein offenes Ohr?
Hradecky: Auf jeden Fall. Ich hatte auch schon Trainer in meiner Karriere, bei denen ich Angst vor Gesprächen hatte. Peter hat da eine andere, offene Art. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass er Holländer ist. Ich habe einige holländische Freunde, und der Trainer bestätigt nur meinen Eindruck, dass die Holländer sehr offen und freundlich sind.
SPORT1: Wenn wir über Qualität in der Mannschaft reden, reden wir automatisch über Kai Havertz. Wie sehen Sie ihn innerhalb des Teams?
Hradecky: Wie er sich unter dem „Spotlight“ verhält, unter dem er durch seine starken Leistungen schon in seinen Jungen Jahren steht, ist einzigartig. Das ist vielleicht schon ein Jahrhunderttalent. Aber er ist bodenständig geblieben und arbeitet für die Mannschaft. Solange er so weitermacht und gierig bleibt, wird er eine ganz große Zukunft vor sich haben. Ich genieße jedes Training, jedes Spiel mit ihm.
SPORT1: Wie viele Tore hat er im Training gegen Sie schon erzielt?
Hradecky: Ich lasse auch mal einige Tore durch, damit er noch selbstbewusster wird. Nein, im Ernst: viele Tore, zu viele Tore.
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SPORT1: Wenn man zu einem neuen Verein kommt, muss man oft irgendeinen Blödsinn machen. Wie war das bei Ihnen?
Hradecky: Die Jungs haben das beste Cover von „Stand by Me“ in ihrem Leben gehört.
SPORT1: Gab es Applaus?
Hradecky: Na klar. Alle waren besoffen. Es hat also gut geklungen. Wahrscheinlich war es egal, wie gut man da gesungen hätte.
SPORT1: Sie sollen ein großer Sauna-Fan sein. Stimmt das?
Hradecky: Stimmt, es ist ein Teil der finnischen Kultur. Die Jungs in der Kabine glauben mir immer noch nicht, dass fast die Hälfte aller Einwohner (5,2 Millionen, Anm. d. Red) eine Sauna im Haus hat. Jedes Studio, jede Wohnung mit zwei Zimmern hat eine Sauna, das gehört einfach dazu. Im Sommer springe ich natürlich auch lieber in einen kalten Pool. Aber während des Winters, nach einem guten Spiel mit einem Bierchen aus dem Kühlschrank – das ist schon was. Die Saunakultur ist schon ein Teil meiner Erziehung geworden.
SPORT1: Sie waren auch im Urlaub in Finnland. Ist das ein Ort, wo Sie sich dann auch eine Auszeit gönnen?
Hradecky: Klar, es gibt nichts Besseres. Ein schöner See, eine aufgewärmte Sauna und gute Leute. Das gehört einfach zu einem guten Abend dazu. Wenn ich zu den Länderspielen fliege, haben wir auch dort eine gute Sauna im Hotel, die ich dann nutze.
SPORT1: Warum sind Sie Torhüter geworden?
Hradecky: Viele denken, dass es Spaß ist, aber ich hasse es, zu laufen. Also ich habe mich von meiner Faulheit inspirieren lassen.
„Was will ich mit Champagner?“
SPORT1: Dann hätten Sie ja auch Volleyballer werden können.
Hradecky: Klar, da herrscht eine gewisse Ähnlichkeit, man muss noch öfter springen. Ich spiele schon ziemlich gut Volleyball. Die Armbewegungen sind ähnlich.
SPORT1: Sind Torhüter anders als Ihre Mitspieler?
Hradecky: Vielleicht haben wir den einen oder anderen Dachschaden mehr. Wir nehmen vieles persönlich. Ich kann schon bestätigen: Im Tor muss man ein bisschen durchgedreht sein, dass man sich abschießen lässt. Es ist schon ein einzigartiger Beruf, aber gleichzeitig ein sehr schöner.
SPORT1: Wie motivieren Sie sich?
Hradecky: Du bist immer in einer anderen Situation in der Saison. Man will immer persönlich nachlegen. Ich suche immer nach Sachen, für die ich mich motivieren kann, ansonsten wäre ich wahrscheinlich nicht so weit gekommen. Ich bin nie zufrieden mit mir selbst, und das wird auch so bleiben. Wen ich diese Einstellung verliere, höre ich auf.
SPORT1: Es ist ja trotz allem noch Arbeit. Wie wichtig ist dabei der Spaß?
Hradecky: Wenn ich keinen Spaß habe, bin ich auch ein schlechterer Torwart. Wenn ich nicht diese Gelassenheit ausstrahle oder mir gegenüber selbst zu hart bin, funktioniert es nicht. Menschen sind unterschiedlich und für mich gehört der Spaß einfach dazu.
SPORT1: Ist das Fußballgeschäft, wie wir es heute kennen, etwas zu ernst geworden?
Hradecky: Es verlangt einem schon viel ab. Die sozialen Medien, der Druck von außen, da muss man einen kühlen Kopf bewahren. Hier kommt der Spaß für mich ins Spiel, es ist immer noch der gleiche Sport, den du mit 15, 16 Jahren gemacht hast. Wenn du die Schuhe bindest und die Handschuhe anziehst, musst du auf dem Platz im Kopf zehn, 15 Jahre zurückspulen.
SPORT1: Die Erwartungshaltung ist groß, die Medien sind da, die Erwartungen der Fans. Wie gehen Sie damit um?
Hradecky: Man kann ja nicht erwarten, dass es keine Erwartungen in einem solchen Klub gibt. Sicher wollen wir in der Champions League Spiele gewinnen und nicht nur teilnehmen. Wir wollen uns auch verbessern in der Liga. Das ist der Ehrgeiz, der in einem jeden Fußballer, der so weit gekommen ist, steckt. Ich nehme das als normal an und komme mit dem Druck gut zurecht.
SPORT1: Der größte Erfolg Ihrer Karriere war?
Hradecky: Der Pokalsieg mit der Eintracht 2018.
SPORT1: Dosenbier oder Champagner?
Hradecky: Das müssen Sie gar nicht fragen. Dosenbier natürlich.
SPORT1: Warum?
Hradecky: Was will ich mit Champagner? Der schmeckt nicht, kostet viel mehr. Und Bier ist hinter Wasser das beste Getränk der Welt.
Ambitionierte Ziele
SPORT1: Was sind Ihre persönlichen Ziele im Fußball?
Hradecky: Auf meiner Bucket-Liste ist bald das nächste Kreuz gemacht: die Champions-League-Hymne hören, dazu ein Titel mit Leverkusen. Ein Pokal oder eine Meisterschaft, obwohl die natürlich schwerer wird. Aber vielleicht sind wir eines Tages da. Mit Finnland in die Endrunde eines großen Turniers kommen.
SPORT1: Welche Titelchancen hat Leverkusen, der Kader ist stark. Sind das die richtigen Voraussetzungen?
Hradecky: Wenn wir so weiterspielen und punkten, ist alles möglich. Sicherlich erwartet keiner von uns, dass wir einen Titel gewinnen, aber so können wir vielleicht für eine Überraschung sorgen.
SPORT1: Mit Dortmund kommt jetzt ein Top-Gegner. Wissen Sie danach, wo die Mannschaft steht?
Hradecky: Man muss da aufpassen, auf dem Papier war es vielleicht ein leichter Saisonstart, alle haben erwartet, dass wir diese Spiele gewinnen. Jetzt können wir fast ohne Druck nach Dortmund fahren und hoffentlich auch etwas mitnehmen.
SPORT1: Welche Schlagzeile würden Sie gerne nächstes Jahr im Mai über sich lesen?
Hradecky: Hradecky gewinnt wieder den Pokal mit Leverkusen.
SPORT1: Die Medien schreiben immer wieder, dass es dem heutigen Fußball an Typen fehle. Sind Sie so einer?
Hradecky: Das weiß ich nicht. Das müssen die Zuschauer entscheiden. Ich bin der Lukas, der ich immer gewesen bin. Und wenn das einigen gefällt, dann freue ich mich. Wenn mich aber keiner mag, dann stört mich das auch nicht. Aber wie gesagt, das müssen die von außen bewerten.