Angst vorm Sterben, Beerdigen, Trauern: Wie dieser junge Bestatter das Tabuthema Tod ins Leben holt

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Musikmanager, DJ, Ende 20, mitten in Berlin – lebendiger als Eric Wrede geht es wohl kaum. Doch Wrede hat dieses Leben aufgegeben, um einen für junge Menschen ungewöhnlichen Beruf zu ergreifen: Bestatter. „Dass es was Neues geben musste, war klar. Es war lange nicht klar, was es ist. Als es dann aber feststand, war das so fraglos, wie nichts zuvor in meinem Leben“, sagt der 38-Jährige. Ein Radiobeitrag hatte ihn so beeindruckt, dass er umsattelte und eine Ausbildung zum Bestatter machte.

Aber warum beschäftigt man sich plötzlich freiwillig mit diesem traurigen Thema, mit Toten? Der Tod als Lebensinhalt? „Ja.“ sagt Wrede. „Denn meine Arbeit kreist überhaupt nicht so sehr um den Tod. Trauer kann nur dort entstehen, wo vorher Liebe war. Und eigentlich dreht sich meine Arbeit vor allen Dingen um Liebe, so kitschig das klingt.“ Mittlerweile hat Eric Wrede sein eigenes Bestattungsunternehmen namens „Lebensnah“ und hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Angehörigen die Angst vor Tod und Trauer zu nehmen. Katrin Möller hat sich an Eric Wrede gewandt, weil ihre 89-jährige Oma vor Jahren an Demenz erkrankte und der kommende Weg klar ist. Die 49-Jährige kümmert sich intensiv um die pflegebedürftige, alte Dame; die beiden verbringen viel Zeit zusammen – aber auch das Danach will sie jetzt schon vorbereiten. Vollmachten, Patientenverfügung, all das kann Katrin Moeller jetzt organisieren. „Ich weiß, wenn es nachher soweit ist, wird es mich emotional ziemlich erwischen. Und deshalb muss ich das alles vorher erledigen“, sagt sie.

Realität schaffen, anstatt einer schrecklichen Fantasie

Üblicherweise verdrängen die Lebenden das Thema Sterben und Tod möglichst aus der Wahrnehmung, bis es unumgänglich wird. Eric Wrede möchte es wieder sichtbar machen und ihm den Schrecken nehmen. Er will es anders angehen, als viele Berufskollegen, will den Tod wieder in unseren Alltag holen und ihn im wahrsten Sinne begreifbar machen: Ein Leichenwagen solle auch aussehen wir ein Leichenwagen, und nicht als Kleintransporter getarnt. Und: Bei Eric Wrede können Angehörige, sofern sie das möchten, den Verstorbenen auf dem letzten Weg begleiten – selbst bei dem Teil, der normalerweise hinter verschlossenen Türen stattfindet. Wenn der Verstorbene für die Bestattung vorbereitet wird. Er habe die Erfahrung gemacht, dass es Menschen helfen kann, währenddessen dabei zu sein, so Wrede „Das schafft eine Realität: Ich sehe den Körper, ich sehe, dass das Leben, wie wir es kennen, den Körper verlassen hat.“ Es störe ihn, wenn andere Bestatter, Polizisten oder Ärzte pauschal raten ‚Behalten Sie ihn so in Erinnerung, wie er war.‘ Denn: „Das heißt, meine Fantasie geht los. Man stellt sich vor, dass der verstorbene Mensch entsetzlich aussehen muss. Und eins kann ich sagen. Es gibt kaum eine Realität, die so schlimm sein kann, wie eine Fantasie.“ Kathrin Möller etwa kann sich gut vorstellen, auch dann dabei zu sein, wenn Oma Rosemarie nach ihrem Tod gewaschen und eingekleidet wird, sagt sie: „Das ist eine schöne Vorstellung, dass man bis zum Schluss an ihrer Seite für sie da ist.“

Den Tod frühzeitig als zum Leben dazugehörig akzeptieren

Bestatter Eric Wrede engagiert sich in seiner Arbeit – inzwischen selbst Vater einer kleinen Tochter – vor allem für Kinder: sterbende und zurückbleibende. In der Berliner Charité ist ein Baby gestorben, das anonym geboren wurde. Die Eltern sind unbekannt. Die kleine Lina Fee wurde nur sechs Tage alt. Normalerweise kümmert sich das Ordnungsamt um solche Fälle. Doch bei Lina Fee übernimmt Wredes Institut die Patenschaft für das kleine Mädchen und organisiert eine Bestattung und eine Beisetzung im Beisein einiger Krankenhausmitarbeiter. Eric Wrede hat eine eigene kleine Kapelle gepachtet, über die er jederzeit verfügen und in der er Trauerfeiern ganz individuell gestalten kann. Für ihn ist das ein idealer Raum für Trauer, weil nicht wie am „Fließband“ bestattet wird. „Keinen Zeitdruck zu haben ist doch sehr wichtig. Auf Friedhöfen hat man häufig eine 30 Minuten Taktung in den Kapellen, dann sind schon die nächsten dran.“

Eric Wrede weiß auch, dass die meisten Menschen im Trauerfall überfordert sind. In diesem Zustand würden sie nicht selten abgezockt. „Die Branche lebt davon, dass Leute nicht wissen, was sie in dem Moment eigentlich wollen und deswegen geben sie zum Teil Geld für Quatsch aus. Wo Emotionen im Spiel sind, findet immer auch großes Ausnutzen statt.“ Wrede arbeitet zu 90 Prozent mit einer schlichten Holzurne, die Angehörige – wenn sie mögen – noch selbst gestalten können. Ein Holzsarg kostet genau die 120 Euro, die Wrede im Einkauf dafür bezahlt hat. Nur spezielle Wünsche kosten den Betrag darüber hinaus. Der 38-Jährige möchte gerne alle Wünsche umsetzen. Er sagt, dass der Tod zum Leben einfach dazu gehört und man sich sowohl für sich selbst als auch im Interesse seiner Angehörigen ruhig frühzeitig mit dem Thema auseinandersetzen sollte. In der gängigen Lebens- und Trauerkultur würde das selten stattfinden. Eric Wrede möchte das ein Stück weit ändern.

Buch The End

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