Herzfehler, schwere Infektionen, Krebs, Organversagen oder die Nachsorge von Transplantationen: Fast alle Kinder, die in die hochmoderne und spezialisierte Medizinische Hochschule Hannover verlegt werden sollen, sind lebensbedrohlich erkrankt: „Manchmal müssen wir sagen, wir können den Patienten nicht aufnehmen, weil uns momentan die Kapazitäten fehlen. Und dann ist es vorgekommen, dass die Kinder in der Nacht dann in einer anderen Klinik verstorben sind“, berichtet Dr. Michael Sasse, leitender Oberarzt der pädiatrischen Intensivstation an der MH Hannover. Es ist die deutschlandweit größte Abteilung dieser Art, dort werden jährlich 1200 Kinder und Jugendliche behandelt. Allein in diesem Jahr musste gerade diese Kinderintensivstation aber schon 300 Kinder ablehnen, 100 davon waren lebensbedrohlich erkrankt. 2017 waren es 417 Kinder, die dort kein Bett bekamen. Und das nicht etwa, weil es an Ärzten oder medizinischem Gerät fehlen würde. Sondern weil es für die kleinen Patienten an Pflegepersonal fehlt. Statt der verfügbaren 18 Plätze werden seit längerem nur noch 12 bis 15 Betten belegt, andernfalls würde das auf Kosten der anderen pflegebedürftigen Kinder gehen. „Das ist natürlich eine Katastrophe“, bestätigt Pflegerin Louisa Abraham. „Auf unserer Station könnten diese Kinder eventuell gerettet werden, wenn wir das nötige Personal dazu hätten.“
Sonderpostfach [email protected] den 54 Pflegestellen der Abteilung sind zurzeit drei Vollzeitstellen unbesetzt, Dr. Michael Sasse findet kein neues Personal. Hinzu kommen Krankmeldungen von überarbeiteten Mitarbeiten und Elternzeiten. Laut Sasse spitzt sich die Lage in allen Kliniken immer weiter zu – bis zum Kollaps. In Hannover stehen 20 Ärzte und die modernste medizinische Ausstattung zur Verfügung: alles für echte Notfälle. Doch seit Monaten muss die Kinderintensivstation Anfragen immer wieder ablehnen, die schwer kranken Kinder abweisen. Noch dazu können zwei der sechs Behandlungsräume seit Monaten nicht genutzt werden, weil entsprechende Assistenzen fehlen. Dr. Sasse ist bemüht, die Patienten in seinem Pädiatrischen Intensivnetzwerk anderweitig unterzubringen, doch „anderen Kliniken geht es genauso“, so der Oberarzt. Kinderintensivstationen sind besonders vom Personalmangel betroffen, weil die Mitarbeiter dort eine mehrjährige Zusatzausbildung benötigen und speziell geschult sein müssen, um die intensivmedizinische Versorgung von Kindern sicherzustellen. „Ohne dass sich das im Lohn gravierend auszahlen würde“, bedauert Sasse.
Als letzter Schritt bleibt nur die Öffentlichkeit. Der Oberarzt und sein Pflegepersonal haben stern TV zwei Tage den harten und belastenden Alltag in der Kinderintensivstation begleiten lassen.