Transsexualität: Die bewegende Geschichte eines Mädchens, das ein Mann werden wollte

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Dass Christin Knoop jetzt Chris heißt, ist längst amtlich. Und auch der Körper entspricht inzwischen dem eines jungen Mannes. Rein biologisch ist der 23-Jährige aber eine Frau, seine Chromosomen weisen zwei XX auf. Chris ist transsexuell, seine Gefühle sind und waren immer männlich, sagt er. „Für mich selber ist dieses Wort Transsexualität oder Transgender total fremd. Ich bin ein Mann, ich fühl mich wie ein Mann.“ Zwar könne man ihn dort einordnen, „aber ich selbst fühle mich nicht so. Ich einfach ein Mann, der ein paar Operationen hatte.“

Geboren im falschen Körper Transsexualität (1703719)Für die größte und für ihn wichtigste Operation hat er lange auf den richtigen Moment gewartet – bis er die richtige Frau dafür gefunden hatte. Mary ist Chris‘ dritte feste Beziehung. Die beiden hatten sich vor zwei Jahren auf einem Musikfestival kennengelernt. Nach einer monatelangen Fernbeziehung sind sie vor kurzem in eine gemeinsame Wohnung gezogen. „Ich habe dann für mich gesagt: Ich muss es jetzt tun, damit ich endlich anfangen kann, wirklich komplett glücklich zu werden.“ Diese Entscheidung habe er unabhängig von Mary für sich gefällt. Die geschlechtsangleichende Operation mit dem Penisaufbau ist ein großer Eingriff. Chris war dem gegenüber jahrelang skeptisch, er fürchte einfach, dass es danach nicht so sei, wie er es sich vorgestellt habe, hatte Chris in der Vergangenheit immer wieder gesagt. Die Operation würde ihn seinem Ziel nahe bringen, endlich ein kompletter Mann zu sein.

Chris geht heute offen mit seiner Transsexualität um, doch bis dahin war es ein langer Weg. Sein Leben verlief anders, als das Gleichaltriger: Bereits als Kleinkind habe sich Christin geweigert, Mädchenkleidung zu tragen, erzählt die Mutter: „Und mit fünf oder sechs sagte Christin plötzlich, dass sie sich umoperieren lässt, wenn sie groß ist.“ Für ihn sei es schon damals eine große seelische Last gewesen, im falschen Körper zu stecken, sagt Chris. Diese Last habe er loswerden wollen: „Denn jeder Mensch strebt ja auch nach Glück. Ich will auch glücklich sein.“

Gutachten bestätigten Transsexualität früh

Chris fühlte sich im falschen Körper gefangen, weil es nicht der Körper war, den er sich wünschte. Vor allem die Veränderungen während der Pubertät waren für den Teenager unerträglich: „Man fühlt sich ja als ganz normaler Junge“, sagt Chris rückblickend. „Und wenn man in den Spiegel guckt, und sieht, dass man eine Brust hat, dann merkt man erst, man ist kein richtiger Junge.“ Verzweifelt wollte Chris in dieser Zeit seine Weiblichkeit verstecken, brach Kontakte zu Gleichaltrigen ab und zog sich immer mehr in seine eigene Welt zurück.

Anders als bei den meisten Betroffenen, erkannten die Eltern die Not ihres Kindes sehr früh. Sie ließen zwei unabhängige psychologische Gutachten erstellen, die beide die Transsexualität ihres Kindes bestätigten. Mit Beginn der Pubertät durfte Chris eine Hormontherapie beginnen, um die Entwicklung zur Frau zu unterdrücken und die männliche zu fördern. Damals war Chris 14 Jahre alt. Das Testosteron muss er lebenslang nehmen – inklusive der Nebenwirkungen.
FS Von Christin zu Chris
Seit Chris seine Transsexualität offen ausleben kann, geht es ihm besser. Und auch optisch ist er seinem Ziel schon sehr nahe gekommen: Durch die Hormonbehandlung haben Muskelmasse und Körperbehaarung zugenommen. Im Fitnesscenter trainierte er eisern für seine Erscheinung. Seine Tätowierung mit der Bedeutung „Chris“ soll all das unterstreichen: „Weil ich immer Chris war. Und das wollte ich auch meinen Mitmenschen zeigen.“

Nur ein Eingriff von vielen – und trotzdem der wichtigste

Fast 10 Jahre nach der ersten Hormonspritze stand für Chris 2018 die bedeutende geschlechtsangleichende Operation im Klinikum in München an. Die Gebärmutter und Eierstöcke hatte er sich dort schon entfernen lassen. „Es ist nur ein Eingriff von vielen, bis die Patienten körperlich erreicht haben, was sie sich auch wünschen“, erklärt Chris‘ Arzt Dr. Oliver Markovsky. „Das sind Krankenhausaufenthalte, das sind Schmerzen, das sind mögliche Komplikationen, das macht man nicht im Vorbeigehen. Da muss man sich schon sicher sein, dass man das alles auf sich nimmt.“ Chris war sich immer sicher – und er hat auch diese Operation überstanden. In einer fünfstündigen Operation haben acht Spezialisten einen so genannten Penoid aufgebaut, der unter anderem mit einem 15 Zentimeter großen Hautlappen aus seinem Unterarm geformt wurde. Die Narbe am Arm ist deutlich sichtbar. Dennoch bereue er den Eingriff nicht, sagt Chris – im Gegenteil. „Ich freue mich eher schon auf die nächste OP, denn dann bekomme ich noch eine Eichel und das Ganze sieht noch etwas natürlicher aus.“

Seine Freundin Mary sagt, auch sie merke, dass Chris seit der geschlechtsangleichenden Operation wieder Stückchen glücklicher sei: „Jetzt ist er seinem Ziel wieder ein Stück näher gekommen. das merkt man deutlich.“ Der nächste Eingriff wird noch in diesem Sommer sein.  Chris sagt, er habe bei Mary endlich das Gefühl, dass es richtig ist – dass auch sie die Operationen „schaffe“. „Und die Beziehung ist so fest, dass man sagen kann: Man geht auch den weiteren Lebensweg zusammen.“ Mit ihr an seiner Seite kann Chris jetzt ein kompletter Mann sein.

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