Daniel war gerade fünf Jahre alt, als Bettina Landgrafe den Jungen untersuchte. Die Kinderkrankenschwester aus Hagen war 2009 für ein Hilfsprojekt nach Ghana gekommen. Daniel war ganz offensichtlich misshandelt worden. Er konnte kaum noch atmen, weil er von seinem „Master“ mit einem Paddel geschlagen worden war – „weil ich spielen wollte“, sagte Daniel damals. Der Fünfjährige war einer von Dutzenden Kindersklaven, die am Volta-See für die Fischer schufteten. Verkauft von ihren Eltern für umgerechnet 50 Euro. Die Kinder paddelten die Boote, holten den Fang ein, tauchten nach den Netzen – oftmals bis zu zwölf Stunden am Tag. „Ohne die Kinder komme ich mit dem Boot nicht raus und kann keine Fische fangen“, erklärte ein Fischer. „Mir fehlt das Geld für einen Motor.“
Bettina Landgrafe konnte das nicht hinnehmen. Keine Kinderausbeutung mehr auf dem See – das war ihr großes Ziel, dafür sammelte sie Spenden in Deutschland und hat mit ihrem eigenen Verein Madamfo Ghana (Freunde Ghanas) mittlerweile viel erreicht. Die Boote der Fischer haben jetzt Motoren; kein Kind muss mehr paddeln. Denn die Fischer sind jetzt Angestellte in einem großen Fischzuchtprojekt, von dem das gesamte Dorf leben kann. Daniel und die anderen ehemaligen Kindersklaven leben heute in einem Waisenhaus in Ho, das die Deutsche in Ghana errichtete, ebenso wie Kindergarten, Schule und Krankenhaus.
Info Madamfo Ghana
Nana, die weiße Königin
Daniel ist eines von über einhundert Kindern, denen Bettina Landgrafe inzwischen eine Schulausbildung und eine Perspektive ermöglicht hat. Seit neun Jahren geht der Junge zur Dora-High-School. „Die hatten gar keine Chance, überhaupt in die Schule zu gehen“, erinnert sich Landgrafe. „Und jetzt sind sie die besten in der Klasse, machen ihren Schulabschluss.“
Bettina Landgrafe ist stolz auf das, was sie hier aufgebaut hat. Mittlerweile lebt sie fast ausschließlich in dem westafrikanischen Land, wurde von den Bewohnern der Provinz sogar zur Königin ernannt. Alle nennen sie dort „Nana“ – „weiße Königin“. „Es war ein sehr langer Weg, aber ein sehr erfolgreicher Weg. Das sind jetzt fast 10 Jahren, dass wir das Projekt machen. Dadurch, dass die Kinder vor den Augen heranwachsen, kommt einem das aber viel kürzer vor.“
Das Kinderheim von „Madamfo Ghana“ wird ausschließlich aus Spendengeldern finanziert. Seit unserer ersten Berichterstattung haben stern TV-Zuschauer 300.000 Euro gespendet. „Durch die Spendengelder konnten wir das Kinderheim realisieren – und zwar noch größer und schöner, als wir uns das erträumt hatten. Wir haben jetzt unter anderem eine eigene Etage für die Mädchen und eine für die Jungen.“
Im Heim lernen die Kinder vor allem Selbständigkeit: Prioritäten setzen, sich die Zeit sinnvoll einteilen, Ziele verfolgen. Zurzeit leben dort 50 Kinder. Für sie kämpft Bettina Landgrafe jeden Tag weiter. Sich als Frau – zumal weiß und blond – in einem Land wie Ghana durchzusetzen, sei nicht immer leicht gewesen, erzählt die Hagenerin: „Sich Respekt zu verschaffen als Frau in einem afrikanischen Land schon schwierig. Ich habe es geschafft, indem ich immer genau das mache, was ich sage. Wenn wir ein Projekt durchführen, dann bin ich mir auch 100-prozentig sicher dass wir die Spenden dafür haben.“ Dafür musste sie selbst einiges in Kauf nehmen, hatte so ziemlich alle Krankheiten, die einen Europäer in Afrika ereilen können: von zahlreichen Magen-Darm-Infekten über Typhus und Cholera bis hin zu Malaria. Ihren Tatendrang hat das nicht gebremst. Bettina Landgrafe will weitermachen und Kindern wie Daniel in Ghana eine Perspektive geben. Kein Kind soll dort mehr als Sklave arbeiten müssen.