Für Familie Scholz sollte das Sommermärchen nicht in Erfüllung gehen. Es war am Tag des Eröffnungsspiels der Fußballweltmeisterschaft 2006, als die Familie bei einem Grillunfall schwerste Verbrennungen erlitt. Besonders schlimm traf es den damals fast zweijährigen Leonard: Brandwunden im Gesicht, an den Armen, am Oberkörper, an Bauch und Beinen. Der kleine Junge lag mehr als eine Woche im Koma.
Was war passiert? Das, was jedes Jahr leider hundertfach in unseren Gärten passiert – und nie wird so viel gegrillt, wie zur Fußball-Weltmeisterschaft. Leonards Vater hatte beim Grillanzünden einen klassischen Fehler gemacht und Brennspiritus direkt auf die heißen Kohlen geschüttet. Die Stichflamme verbrannte ihn, seine Frau und den kleinen Leonard, für den es aufgrund der geringen Hautoberfläche lebensgefährlich wurde. Jedes Jahr müssen etwa 56.000 Kinder aufgrund von Verbrennungen und Verbrühungen im Krankenhaus behandelt werden.
Hilfe Paulinchen e.V.
Hilfe bei Verbrennungen
Erwachsene verbrennen sich im Haushalt häufiger mal die Finger. Großflächige und tiefe Wunden sind aber eher selten: Auf 100.000 Deutsche kommen zwei bis fünf Menschen pro Jahr, die schwere Brandverletzungen erleiden. Besonders gefährdet sind Kleinkinder im Krabbelalter. Sie greifen auf ihren Entdeckungstouren nach allem, was sie fassen können. Dabei verbrühen sich die Kleinen schnell: Bei 70 Prozent aller Brandunfälle von Kindern ist kochende Flüssigkeit die Ursache.
Wie schwer eine Verbrennung ist, hängt davon ab, wie lange die Haut Kontakt mit der Hitze hatte. Ärzte teilen Brandwunden in die Grade eins bis vier ein. Ab 45 Grad Celsius riskieren Sie Verbrennungen ersten Grades. Die Haut entzündet sich, sie wird rot und brennt. Das passiert zum Beispiel, wenn Sie sich mit heißem Wasser verbrühen. Wird es heißer, bilden sich zusätzlich Brandblasen.
Ab 60 Grad stockt das Eiweiß in den Hautzellen: Sie müssen sterben. Eine Stichflamme ist 900 bis 1000 Grad heiß. Sie zerstört die Haut fast vollständig. Das Gewebe kann sogar verkohlen.
Aus Brandwunden fließt kein Blut. Sie sehen daher meist harmlos aus. Lassen Sie sich nicht vom ersten Eindruck täuschen. Es sind offene Wunden. Sie müssen gut versorgt werden, damit keine Bakterien eindringen. Ist die verbrühte oder verbrannte Stelle so groß wie Ihr Handteller, sollten Sie lieber den Notarzt rufen. Und: Kühlen Sie die Stelle mit Wasser. Das nimmt den Schmerz.
Zögern Sie nicht, den Notarzt zu rufen
Menschen, die unter Schock stehen, empfinden keine Schmerzen und flüchten oft in Panik. Das gilt auch für Brandopfer. Ihr Körper steht unter großem Stess und schüttet viele Endorphine aus. Diese Glückshormone sorgen dafür, dass die Opfer ihre Schmerzen nicht wahrnehmen und nicht sofort zusammenbrechen. Sind Sie Zeuge eines solchen Unglücks, dann helfen Sie. Rufen Sie sofort die Notärztin und beruhigen Sie die Person.
Brandwunden 1. und 2. Grades
Eine Unachtsamkeit reicht: Sie streifen ein heißes Bügeleisen. Sie verbrühen sich mit heißem Wasser. Sie bekommen heiße Fettspritzer auf die Haut. Immer meldet sich sofort der Schmerz: Sie haben sich verbrannt. Ihre Haut wird rot, brennt und schwillt manchmal an. Das ist eine Verbrennung 1. Grades.
Bei Verbrennungen 1. Grades ist die oberste Hautschicht beschädigt. Auch ein Sonnenbrand gehört in diese Kategorie. Am besten kühlen Sie die Stelle sofort mit kaltem Leitungswasser. Das lindert den Schmerz. Dann brauchen Sie nur noch Geduld: Nach einiger Zeit erneuert sich die Haut aus eigener Kraft. Eine entzündungshemmende Salbe kann dabei helfen. Die Verbrennung heilt, ohne dass sie Narben hinterlässt.
Unter der obersten Hautschicht bilden sich Blasen
Ist die Hitze stärker als 55 Grad, sammelt sich unter der Oberhaut Flüssigkeit. Es bildet sich eine Brandblase. Das ist ein Zeichen für eine Verbrennung 2. Grades. Fachleute unterteilen diese Kategorie noch in zwei Schweregrade. Bei Grad 2a ist nur die Oberhaut zerstört. In diesem Fall ist die Haut unter der Blase rot und feucht.
Die Wunde kann aber auch bis in die Lederhaut reichen. Dann ist der Grad 2b erreicht. Die Wundfläche sieht dann eher weißlich aus und fühlt sich derber an.
Auch Brandblasen heilen von selbst. Die beste Soforthilfe ist kaltes Leitungswasser. Dann sollten Sie kleinere Blasen einfach in Ruhe lassen. Bloß nicht aufstechen: Offene Wunden sind ein Nährboden für Keime. Größere Brandblasen kann ein Arzt öffnen – keimfrei. Anschließend legt er einen desinfizierenden Verband auf die Wunde. Er muss immer wieder gewechselt werden. Je größer die Brandwunde, desto länger dauert es, bis sie vollständig verheilt ist. Dabei bleiben keine Narben zurück.
Brandwunden 3. und 4. Grades
Verletzt eine Stichflamme die Haut, dann dringt die Hitze tief ins Gewebe ein und zerstört auch die Lederhaut. In diesem Fall handelt es sich um eine Verbrennung 3. Grades. Die Haut ist trocken, verdickt und verfärbt sich weißlich bis bräunlich.
Die Wunden sehen recht harmlos aus. Deshalb ist es auch für einen Notarzt schwierig, sofort den genauen Grad der Verbrennung festzustellen. Ein Indiz ist die zerstörte Lederhaut: Berührt der Arzt die Brandwunde, dann empfinden die Betroffenen keine Schmerzen: Die Hitze hat auch die Nerven zerstört. Denn in der Lederhaut liegen nicht nur Adern, Muskelfasern und Bindegewebe, sondern auch diejenigen Zellen, die Schmerz ans Hirn weiterleiten.
Lebensgefahr
Fängt ein Kleidungsstück Feuer oder brennt es in der Wohnung, können die Flammen große Hautflächen verbrennen. Solche schweren Brandunfälle sind lebensgefährlich. Um zu beurteilen, ob ein Mensch in Lebensgefahr schwebt, schätzen Notärzte ab, wie groß die zerstörte Hautfläche im Verhältnis zur gesamten Körperoberfläche ist.
Ist zum Beispiel die Haut am Arm oder am Kopf verbrannt, dann sind jeweils neun Prozent der Körperoberfläche verloren. Die Hautfläche des Beines, der Brust oder des Rückens beträgt jeweils 18 Prozent. Bei Kindern verschiebt sich dieses Verhältnis. Ärzte brauchen viel Erfahrung, um schwere Brandwunden richtig einschätzen und behandeln zu können. Deshalb kommen Brandopfer meist in eine Spezialklinik, die eine Abteilung für Brandmedizin hat.
Hat ein Brand mehr als zehn Prozent der Hautoberfläche zerstört, können die Betroffenen in den ersten Tagen nach dem Unglück einen Verbrennungsschock erleiden. Nicht nur aus der Wunde, sondern auch aus der übrigen Haut tritt ständig Gewebsflüssigkeit aus. Das Wasser sammelt sich und es entstehen sogenannte Ödeme. Außerdem zirkulieren die giftigen Abbaustoffe der toten Hautzellen im Blut.
All das belastet Herz, Nieren und auch Leber. Verliert der Körper immer mehr Flüssigkeit, verdickt sich das Blut und es fließt langsamer. Die Folge: Der Kreislauf bricht zusammen und die Organe bekommen dann zu wenig Sauerstoff. Lunge, Leber oder Muskulatur können völlig versagen. Arbeiten auch die Nieren nicht mehr, können die Betroffenen an einer Harnvergiftung sterben.
Erste Hilfe: Infusionen, Verbände und Schmerzmittel
Um das Leben der Brandopfer zu retten, legt der Notarzt eine Infusion an. So ersetzt er die verlorene Flüssigkeit. Außerdem gibt er sofort eine Spritze gegen die Schmerzen. Er kühlt die Wunde und deckt sie mit sterilen Verbänden ab. Ist zum Beispiel ein Bein verbrannt, hüllen Pfleger es in Viskosetücher ein, die mit Aluminium beschichtet sind. So können Wunde und Hose nicht verkleben.
Ist die Haut sehr tief verbrannt, gibt es im Wundgebiet viele geschädigte und tote Zellen – ein ausgezeichneter Nährboden für Bakterien aller Art. Bis heute ist es in der Intensivmedizin ein ungelöstes Rätsel, wie sich großflächige Brandwunden steril halten lassen. Denn Keime halten sich immer auf der Haut auf. Durch die massiven Zellschäden ist das Immunsystem jedoch so stark geschwächt, dass es die Eindringlinge nicht mehr erkennt und bekämpfen kann. Es besteht die Gefahr einer Blutvergiftung, die unter Umständen tödlich sein kann.
Im Krankenhaus geben die Ätzte weitere Schmerzmittel und eventuell eine Tetanusimpfung, um einen Wundstarrkrampf zu verhindern. Als nächstes wird die Brandwunde desinfiziert. Bei großflächigen Verbrennungen sind dann Spezialisten in einem Verbrennungszentrum gefragt.
Hauttransplantationen
Nach tiefen Brandwunden kann sich die Haut nicht aus eigener Kraft erneuern. Die verlorene Haut muss so schnell wie möglich ersetzt werden. Schwebt ein Brandopfer in Lebensgefahr, legt der Arzt vorübergehend künstlich hergestellte Haut auf die Wunde. Erst wenn sich der Zustand gebessert hat, setzt der Chirurg Haut der Betroffenen ein. Er schneidet das tote Gewebe ab und ersetzt es durch neues. Dafür kann er eine dünne Schicht an einer anderen Körperstelle entnehmen. Sind nur kleinere Hautflächen betroffen, dann setzt er sofort eigene Haut ein, die sogenannte Spalthaut. Der Arzt schabt dafür eine dünne Hautschicht vom Oberschenkel oder Rücken ab und transplantiert sie auf die Wunde. Die Nahtstellen vernarben nach und nach. Und auch dort, wo der Chirurg die Haut abgetragen hat, verheilt die Wunde wieder.
Bei großflächigen Verbrennungen reicht das nicht. Dann setzen Operateure künstlich hergestellte Transplantate ein, also Gewebe, das zuvor über Wochen im Labor aus den Hautzellen des Opfers gezüchtet wurde. Bis die verbrannte Haut ersetzt ist, kann es mehrere Operationen brauchen.
Ist die Haut verkohlt und schwarz gefärbt, ist sie bis in die tiefsten Schichten zerstört. Das Unfallopfer hat eine Verbrennung 4. Grades. Auch die Muskeln und Knochen eines Körperteils können beschädigt sein. In solchen Extremfällen werden die betroffenen Gliedmaßen amputiert.
Langwierige Rehabilitation
Menschen mit schweren Verbrennungen müssen nach der Klinik meist noch in die Rehabilitation. Je nachdem, wie stark die Hand oder das Bein vernarbt ist, können sie sich nur sehr schwer oder unter Schmerzen bewegen. Trotzdem müssen sie ihre Muskeln wieder aufbauen und ihre Gelenke geschmeidiger machen. All dies erfordert viel Geduld. Bis die Wunde verheilt ist, leiden sie oft unter quälendem Juckreiz. Eine Akupunktur kann helfen, die Schmerzen zu lindern.
Die Pflege von Haut und Narben ist wichtig für die Nachsorge. Deshalb lernen die Betroffenen in der Rehabilitation, wie sie den Verband wechseln und die Narben einfetten und massieren. Außerdem zeigt ihnen die Ergotherapeutin, wie sie die so genannte Kompressionskleidung anlegen. Das sind spezielle Strümpfe, Handschuhe oder Ganzkörperanzüge, die Druck auf die Narben ausüben. Dadurch bilden sich weniger Wülste, die Narben wachsen flacher.
Tipps
Einmal nicht richtig aufgepasst und schon ist es passiert: Sie fassen auf die heiße Herdplatte, schütten sich kochendes Wasser über die Hand oder treten barfuß in die glühende Grillkohle. Schon bevor der Krankenwagen eintrifft, können Sie sich mit ein paar Handgriffen selbst helfen und die Schmerzen in Schach halten:
- Vergessen Sie Brandsalbe und die alten Hausmittel – halten Sie die Wunde unter kaltes, sauberes Leitungswasser. Damit kühlen Sie die Haut, lindern die Schmerzen und säubern die verletzte Stelle. Das sollten Sie auch tun, wenn Sie sich mit heißem Öl oder mit Chemikalien verbrennen. Aber Achtung: Bei Phosphor, Flusssäure oder Phenol dürfen Sie kein Wasser benutzen.
- Entfernen Sie die Kleidung und brausen Sie die Wunde bis zu 20 Minuten lang mit kaltem Wasser sanft ab. Zur Not helfen auch kalte Umschläge. Haben Sie sich beim Grillen mit brennendem Spiritus verbrannt, sollten Sie die Flammen auf Ihrer Haut sofort mit einem Handtuch oder einer Decke ersticken. Sonst brennt die Flüssigkeit in Ihrem Gewebe nach. Kühlen Sie die Wunde anschließend mit Wasser.
- Sichern Sie Kabel und Tischdecken.
- Weil die Haut noch so dünn ist, verbrühen sich Kleinkinder schwerer als Erwachsene. Deshalb sollten Sie alles tun, um Brandunfälle zu vermeiden. Achten Sie darauf, dass elektrische Kabel von Wasserkochern oder Kaffeemaschinen nicht von der Arbeitsplatte herabhängen.
- Auch Tischdecken, auf denen heiße Getränke stehen, können zur Falle werden. Denn Kinder, die gerade erst laufen lernen, versuchen sich an allem festzuhalten und aufzurichten, was sie nur greifen können. Und sind die Kleinen im Entdeckungsalter, ziehen sie an allem, um zu sehen, was am anderen Ende hängt.
- Haben Sie einen schweren Brandunfall erlitten und Ihre Haut ist stark vernarbt, können Monate vergehen, bis Sie wieder auf die Beine kommen. Eine Psychotherapeutin kann Ihnen helfen, wieder selbstbewusster zu werden. Und: Besuchen Sie Netzwerke und Selbsthilfegruppen – der Austausch mit anderen Brandopfern kann Ihnen Mut machen und Ihre Lebensgeister wieder wecken.