Rechtslücke in der Reproduktionsmedizin: Warum wird lesbischen Paaren ihr Kinderwunsch verwehrt?

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Samira und Melanie hatten sich vor acht Jahren bei der gemeinsamen Arbeit in einer Kindertagesstätte kennengelernt, es entstand eine innige Verbindung. Inzwischen ist das lesbische Paar aus Rheinland-Pfalz seit einem Jahr verheiratet. Beide legen großen Wert auf Sicherheit und geordnete Verhältnisse. Und von Beginn an war beiden klar: Sie wünschen sich Kinder – und wollen diesen Wunsch auch nicht aufgeben. „Wir haben einen gemeinsamen Konsens. Wir wissen wo es hingehen soll und was uns wichtig ist, dem Kind mitzugeben – welche Werte und Normen“, sagt Samira. Die 28-Jährige und ihre Frau Melanie erkundigen sich seit zwei Jahren intensiv nach Möglichkeiten einer Samenspende. Ihr Gynäkologe empfahl den Frauen eine Klinik in der Nähe, doch die lehnte das Paar ab. Bedauerlicherweise verbietet unseren Ärztinnen das ärztliche Berufsrecht die Behandlung gleichgeschlechtlicher Paare. Inseminationsbehandlungen in unserer Praxis können wir Ihnen daher leider nicht anbieten, lautete die schriftliche Absage.

Melanie und Samira versuchten es woanders, doch immer wieder erhielten sie ähnliche Antworten: Die Ärzte und Kinderwunschzentren wollen bei lesbischen Paaren keine Insemination vornehmen. Aus anfänglicher Verwunderung ist bei Samira und Melanie Wut und Enttäuschung gewachsen: „Ich fühle mich wie ein Mensch zweiter Klasse. Ich kann das einfach nicht nachvollziehen“, sagt Samira. „Jedes andere Paar kann morgen ins Kinderwunschzehntrum gehen, macht einen Termin und bekommt ein Kind.“ Ihre eigenen Familien haben kein Problem damit, dass die beiden Frauen zusammen sind, auch Samiras Mutter wünscht sich für ihre Tochter und deren Frau, dass ihre Liebe mit einem Kind gekrönt wird: „Ich halte die Argumentation, dass das Kind eine Mutter und einen Vater braucht, für absolut veraltet. Ein Kind braucht Liebe. Es braucht Fürsorge und es braucht Menschen, die sich um das Kind kümmern. Ob die jetzt männlich oder weiblich sind, ist vollkommen unerheblich.“

„Samenspende für lesbische Paare ist nicht verboten, also erlaubt“

stern TV hat bei 14 verschiedenen Kliniken um ein Gespräch gebeten. Auf wiederholte Nachfrage bekamen wir schließlich 12 Absagen: Davon argumentierten neun Ärzte damit, sie würden ohnehin keine gleichgeschlechtlichen Paare behandeln, deshalb sei ein Gespräch überflüssig; drei wollten sich nicht zu dem Thema äußern.

Hintergrund der Zurückhaltung ist offensichtlich eine Musterrichtlinie der Bundesärztekammer aus dem Jahr 2006, der zufolge dem Kind auch in der Reproduktionsmedizin „eine stabile Elternbeziehung zu sichern“ sei. Wörtlich heißt es dort: Aus diesem Grund ist eine heterologe Insemination zurzeit bei Frauen ausgeschlossen, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft leben.

Obwohl die Richtlinie nicht bindend ist, halten sich viele Ärzte daran. „Samenspende für lesbische Paare ist nicht verboten, also erlaubt“, sagt hingegen Dr. Elke Jansen, Projektleiterin „Regenbogenfamilien“ vom Lesben- und Schwulen-Verband. Bayern beispielsweise hat die Richtlinie nicht in die Berufsordnung der Ärzte übernommen, so dass Reproduktionsmediziner wie Dr. Rainer Lorch im Medicenter Solln (München) seit über 10 Jahren lesbischen Paaren mit einer Samenspende helfen: „Zwei Männer können auf diesem Weg kein Kind bekommen. Aber warum sollen nicht grundsätzlich auch gleichgeschlechtliche Paare Kinder großziehen? Es gibt genug Untersuchungen, dass es den Kindern genauso gut geht, wie Kinder von heterologen Paaren. Und das Risiko, dass sie alleine aufgezogen werden, ist auch nicht größer, als im normalen Leben“, so Lorch. Im Medicenter Solln ist inzwischen die Hälfte der dort beratenen Paare lesbisch.

Rechtliche Situation muss auch in der Reproduktionsmedizin für gleichgeschlechtliche Paare geklärt werden

Für Samira und Melanie könnte sich ihr Kinderwunsch in dieser Münchener Klinik letztlich noch erfüllen. Anders als bei herterologen Paaren wird ihnen allerdings kein Kostenzuschuss gewährt. Und: Nach der Geburt steht das Paar erneut vor einem Problem. Samira soll das Kind austragen. Melanie als Co-Mutter wird das Baby anschließend als „Stiefkind“ adoptieren müssen, so sieht es das Gesetz trotz vermeintlicher Gleichberechtigung von gleichgeschlechtlichen Ehen vor. Die Adoption kann bis zu drei Jahre dauern, so lange hätte Samiras und Melanies Kind formal nur einen Elternteil. „Auch die Frau, die mit der Mutter verheiratet ist, sollte zum Zeitpunkt der Geburt des Wunschkindes automatisch sein rechtlicher Elternteil werden“, fordert Elke Jansen vom Lesben- und Schwulen-Verband. Die rechtliche Situation müsse für homosexuelle Paare dringend geklärt werden: „Deutschland braucht einen Rechtsanspruch auf Zugang zu Samenbanken für Frauenpaare und alleinerziehende Frauen.“

Bereits 2015 haben Gesundheits- und Rechtsexperten, darunter der Bundesverband Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands, der Bundesregierung dringend empfohlen, auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin endlich Klarheit zu schaffen – nicht nur in Bezug auf finanzielle Zuschüsse durch die Krankenkassen, für die bereits ein Gesetzesentwurf vorliegt. Sondern ebenso in den Bereichen Anerkennung, Unterhalt und Erbfolge von Kindern lesbischer Paare. Auch das „Recht auf Wissen um die genetische Herkunft der Kinder, die nach einer Samenspende geboren wurden“, wird in dieser noch zu führenden Debatte wohl eine Rolle spielen.

Anlaufstellen für Lesben

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