Hilfe aus Deutschland: Grausame Krankheit Noma: So konnte Massaoudou mit der Hilfe aus Deutschland ein neues Leben beginnen

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Massaoudou kann schon lange wieder lachen. Er hat die grauenhafte Krankheit seiner Kindheit überlebt. Und er bekam ein neues Gesicht. Eine bakterielle Infektion namens Noma hatte ihm einst sein Gesicht zerstört. Als stern TV vor 23 Jahren erstmals über die in Entwicklungsländern verbreitete Krankheit berichtete, waren unsere Zuschauer tief berührt. Denn die betroffenen Kinder, deren Körper zu schwach ist die Bakterien abzuwehren, sind schrecklich entstellt. Ihre Gesichter werden von Noma regelrecht zerfressen – was in den meisten Fällen nach kurzer Zeit zum Tod führt. Und das, obwohl Noma durch Antibiotika geheilt werden kann.

KASTEN Hilfsaktion Noma e.V.Der Junge ohne Gesicht

Auch die 51-jährige Lehrerin Ute Winkler-Stumpf hatte den stern TV-Beitrag damals gesehen – und wollte sofort helfen. Und das tat sie. Die Regensburgerin gründete kurzerhand den Verein „Hilfsaktion Noma“ und reiste nach Niger, um dort Kinderhäuser und Kliniken aufzubauen. „Als ich das erste Mal nach Niger kam, war Noma ein Tabu“, erzählt die Regensburgerin. „Niemand hat darüber gesprochen und niemand wusste, dass es eine Krankheit ist. Das war der ‚Fluch Gottes‘ und einfach Schicksal.“ In den kleinen Dörfern des Landes musste sie nach den erkrankten Kindern suchen: Wegen ihrer entstellten Gesichter wurden sie oft versteckt oder waren ausgestoßen.
In dem Dorf Guidan Kago traf Ute Winkler-Stumpf auf den 14-jährigen Massoudou. Ein Junge ohne Gesicht, der durch Noma völlig entstellt war. „Manchmal, wenn ich rausgegangen bin und andere Kinder mich gesehen haben, haben sie gesagt: ‚Er hat keine Nase und keinen Oberkiefer!‘ Da habe ich mich schrecklich gefühlt“, weiß Massaoudou noch heute. Damals konnte der Junge nicht einmal mehr sprechen.
„Massaoudou war der schlimmste Patient, den wir hatten. Aber nur vom Aussehen her“, erzählt Ute Winkler-Stumpf. „Es war ein riesen Loch im Gesicht, man hat ganz tief reinschauen können.“ Die Regensburgerin holte den Jungen nach Deutschland und nahm sich seiner an. In vielen langwierigen Operationen bekam Massaoudou von Wiener Ärzten eine neue Nase und – nach kräftezehrenden und lebensbedrohlichen Rückschlägen – schließlich wieder ein Gesicht. Der Teenager kämpfte sich aus Koma und Schmerzen zurück ins Leben. Und dann konnte Massaoudou auf einmal wieder durch eine Nase atmen, konnte wieder riechen. Und wieder lächeln.

Dank gilt auch den stern TV-Zuschauern

Massaoudou ging es nach einer langen Genesungszeit immer besser. Er lebte bei Ute Winkler-Stumpf in Regensburg, ging dort zur Schule und fand bald Freunde. Und er lernte Lesen und Schreiben. „Es war alles besser, ich fühlte mich normal“, erzählt er heute. Der Junge aus Niger verbrachte noch drei Jahre in Deutschland – und kam sogar zu stern TV, um sich bei den Zuschauern für die Spenden im Kampf gegen Noma zu bedanken. Ute Winkler-Stumpf sagte damals: „Dass der Massaoudou tatsächlich Nase und Zähne bekommen hat, das war ein ganz besonderes Erlebnis. Das ist ein Gefühl von unendlicher Dankbarkeit und Freude!“

Massaoudou kehrte Ende 1999 zurück nach Niger. Kurz darauf erkrankte Ute Winkler-Stumpf an Krebs: ein Tumor in der Brust. Die Regensburgerin machte eine schwere Zeit durch. Doch trotz der Erkrankung hielt sie an ihrer Noma-Hilfe fest. „Ich denke, die Hilfsaktion war für mich die beste Therapie, mehr als Chemo und Bestrahlung.“ Schon kurz nach der Behandlung flog sie wieder nach Niger und engagierte sich weiter für den Verein, mit dem sie das ganze Land von der grauenhaften Krankheit Noma befreien wollte. Über Jahre weitete Ute Winkler-Stumpf die Hilfe auf andere Länder Afrikas aus, holte viele Kinder für Operationen nach Deutschland und half dadurch bis heute insgesamt über 130.000 Kindern.

Mit 56 Operationen zu einem glücklichen Leben

Massaoudou ist mittlerweile Familienvater und in seiner Heimat glücklich geworden. „Sie behandeln mich hier wie einen König“, erzählt der 37-Jährige. Alle kämen zu ihm und würden ihn um Rat fragen. Zu seiner Heirat 2006 war Ute Winkler-Stumpf extra wieder nach Niger gekommen, um diesen glücklichen Tag ihres Ziehsohnes mitzuerleben. Massaoudou und seine Frau Rachida haben sich ihr gemeinsames Leben in der Stadt Taouha aufgebaut. Der 37-Jährige hat einen Job im Kinderhaus der Hilfsaktion Noma, wo er als einstiger Patient nun betroffenen Kindern mit seinen Erfahrungen zur Seite steht.

stern TV hat Ute Winkler-Stumpf vor wenigen Wochen noch einmal nach Niger begleitet. Der Kontakt zwischen ihr und Massaoudou ist nie abgerissen. Doch dieses Mal ist das Wiedersehen besonders emotional: Bei der 74-Jährigen wurde vor zwei Jahren festgestellt, dass der Krebs zurückgekommen ist und Metastasen bildet. Ihre Schmerzen wolle sie nun aber zurückstellen, denn zum ersten Mal trifft sie nun ihre „Enkelkinder“. „Ich freue mich wahnsinnig“, sagt sie. „Massaoudous Frau kenne ich ja, aber die Kinder kenne ich noch nicht. Das ist schon eine emotionale Freude und Spannung jetzt!“ Ute Winkler-Stumpf ist wahnsinnig stolz auf ihren Pflegesohn und seine Familie. Das erste Kind ohne Gesicht, dem sie helfen konnte. Massaoudou hatte in insgesamt 56 Operationen eine neue Nase und einen Oberkiefer bekommen – und damit ein ganz neues Leben: „Ich bin froh, dass meine Mutter Ute mir geholfen hat. Ich habe eine Chance gehabt, die andere Menschen nicht haben. Darüber bin ich sehr glücklich. Und ich werde das niemals in meinem Leben vergessen. Das ist ein Teil von meiner Lebensgeschichte.“

KASTEN Krankheit Noma

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