Schnäppchen oder Scheinrabatte?: So irreführend sind Preisaktionen für Einbauküchen

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In puncto Preisaktionen liefern sich die Möbelhäuser eine regelrechte Rabattschlacht – einer bietet mehr Prozente als der andere. Besonders beliebt: satte Rabatte auf Küchen. Der Kunde rätselt nicht nur darüber, wie Margen von bis zu 70 Prozent Preisnachlass überhaupt möglich sind, er möchte natürlich auch davon profitieren. Die vermeintlichen Preisknüller stoßen auf reißenden Absatz, insbesondere bei Einbauküchen. Die Frage ist nur: Sind die Angebote wirklich so gut, wie die Werbeprospekte und Kundenberater uns glauben machen?

Auf Anhieb 12.000 Euro Rabatt

stern TV hat sich eine Küche für einen Testkauf geplant. Das Angebot: 50 Prozent auf frei geplante Küchen, noch dazu 10 Prozent Neueröffnungsrabatt – und einen Geschirrspüler gratis. Unsere Reporter Steffen und Emily gaben sich als junges Paar aus, das die Wunschküche suchte: zwei Küchenzeilen ohne große Extras. In der Küchenabteilung eines großen Möbelhauses, das mit diesem unschlagbaren Angebot gerade warb, ließen sie sich anhand ihrer mitgebrachten Zeichnung beraten – und erhielten nach einer guten Stunde einen Preis: „Das ist der Preis, von dem wir hier ausgehen. 19.964 Euro. Wenn wir bei diesem Preis jetzt 60 Prozent abziehen, dann landen wir bei 7.980“, so der Küchenverkäufer. 12.000 Euro Nachlass – scheinbar kein Problem für das Möbelhaus. Noch dazu könne er eine „Blockverrechnung“ mit der anvisierten Küche durchführen, „das ist so eine interne Verrechnung“, so die Erklärung. „Dann gibt es 61,2 Prozent. Dann sind Sie bei 7.742 Euro. Wenn Steffen und Emily dann noch die „Clubkarte“ nehmen würden, gäbe es zusätzlich 5 Prozent. Endpreis: Statt 19.964 Euro sollte die Küche jetzt nur noch 7.350 Euro kosten. Haben die Möbelhäuser derartige Margen? Woran verdienen sie dann noch?

Keine Eile: Eine Rabattaktion löst die nächst ab

Die Rabattaktion sollte am 30. Oktober enden, doch bereits zwei Tage später, ab dem 1. November, galt beim gleichen Anbieter eine neue Preisaktion. Einziger Unterschied: Anstatt eines Siemens-Geschirrspülers gratis sollte es diesmal eine Spülmaschine von Neff kostenlos dazu geben. Sind derartige Angebotsfolgen überhaupt rechtens? Elvira Schad von der Wettbewerbszentrale erklärt: „Verbraucher lesen nur ’60 Prozent auf frei geplante Küchen‘, die es allerdings nur bis zu einem Termin x gibt. Das setzt den Kunden unter einen gewissen Zeitdruck, der aber tatsächlich nicht besteht. Der Verbraucher hätte durchaus Zeit, Preise zu vergleichen.“ Die Wettbewerbszentrale würde derartige Aktionswerbungen als irreführend bezeichnen.

Kuechenplanung TippsNoch mehr Rabatt – außerhalb des Aktionszeitraums

Nach weiteren 12 Tagen war auch diese Rabattaktion beendet und stern TV startete einen weiteren Testkauf – mit derselben Küche, die Schränke nur leicht verändert angeordnet. Eigentlich müssten unsere Küchenelemente zusammen jetzt rund 19.000 Euro kosten. Unsere neuen Lockvögel Philipp und Laura fragten beim betreffenden Möbelhaus zuerst nach dem Geschirrspüler: den habe es neulich bei einer Angebotsaktion doch noch kostenlos dazu gegeben. „Selbstverständlich“, so der Küchenverkäufer. „Wenn wir jetzt einen von Neff oder sowas nehmen, können wir Ihnen einen Geschirrspüler gratis dazugeben.“ Selbst das Siemensgerät sei kein Problem. Nach ebenso einer Stunde Beratung und Berechnung erhielten die beiden den Gesamtpreis für die fertige Küche. Um einen guten Preis für die Kunden rauszuschlagen, habe er verschiedene Möglichkeiten, so der Mann: „Dann bin ich bei 5.922 Euro. Inklusive Elektrogeräte.“ Das sei der absolute Tiefstpreis, auf „Normalniveau“ läge die Küche bei 18.329 Euro. Demnach wurden den stern TV-Lockvögeln beim zweiten Testkauf – ohne dass eine Rabattaktion lief – satte 67 Prozent Rabatt bekommen. Deutet das nicht darauf hin, dass der genannte Normalpreis nie gefordert wird? „In diesem Fall spricht vieles dafür, dass der genannte Ausgangspreis kein ernst gemeinter Preis ist“, sagt Elvira Schad von der Wettbewerbszentrale. „Man könnte auch von einer Irreführung sprechen.“

Der stern TV-Test stellt keinen Einzelfall dar: Ende 2016 nahm die Wettbewerbszentrale 244 Werbemaßnahmen von Möbel- und Küchenhändlern unter die Lupe. Das Ergebnis sei für den Möbelhandel niederschmetternd, so Elvira Schad. „Wir haben sowohl irreführende Preise, Aktionsanlässe und auch die *-Verweise untersucht und sind auf 266 Einzelverstöße gekommen.“

„Blockverrechnung“ ermöglicht drastische Preissenkungen – immer!

Laut Brancheninsider Burkhard Hölper, der jahrzehntelang als Verkäufer, Abteilungsleiter und Geschäftsführer mit Küchen gehandelt hat, werden die Ausgangspreise und auch die Rabatte in der Küchenindustrie und im -handel künstlich hochgerechnet. Dahinter stecke die so genannte „Blockverrechnung“, so der Küchen-Experte. Der erstgenannte, angeblich sehr hohe Verkaufspreis kommt dadurch zustande, dass alle Einzelteile addiert werden und dann beispielsweise zusammen 4.500 Euro kosten. Ein ohnehin bestehender „Block“, bestehend aus einem Hochschrank, zwei Unter- und Oberschränken und einem Kühlschrank koste in der Berechnung dann nur 1.500 Euro. Dann müssten nur noch wenige Einzelteile dazugerechnet werden und die ganze Küchenzeile koste plötzlich lediglich 2.400 Euro. Der Computer mache das ganz automatisch anhand einer Datenbankabfrage – die so genannte „Blockverrechnung“. Der Küchenexperte erklärt: „Das sind einzelne Blöcke, zum Teil hunderte von Blöcken, die dem Möbelhandel zur Verfügung gestellt werden. Die Blockverrechnung läuft permanent.“ Im Verkaufsgespräch unserer ersten Lockvögel Steffen und Emily wurde das als „60 Prozent Rabatt“ bezeichnet; die andere Möglichkeit ist die „Blockverrechnung“, wie sie den Lockvögeln Philipp und Laura ermöglicht wurde. Und damit war der Preis ohne Rabatte sogar besser als der Küchenpreis mit 60 Prozent Rabatt aus dem Angebotszeitraum.

Die Recherche hat ergeben, dass während der Aktion mit absurden Phantasiepreisen operiert wurde – das zeigt zudem das Beispiel des Geschirrspülers: Laut Prospekt des Möbelhauses sollte er 699 Euro wert sein, tatsächlich ist er im Internet aber schon ab 281 Euro zu haben, zahlreiche Angebote liegen bei 400 Euro. Und: Sogar die unverbindliche Preisempfehlung auf der Siemens-Homepage liegt nur bei 599 Euro. 
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