Sonntagsöffnung in der Weihnachtszeit: Warum die Debatte um verkaufsoffene Sonntage so brisant ist

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Verkaufsoffene Sonntage in Deutschland – gerade in der Vorweihnachtszeit ein echtes Aufregerthema. Zumal der Heiligabend in diesem Jahr auf einen Sonntag fällt: Immer wieder wird die Forderung laut, auch am 24. Dezember die Geschäfte zu öffnen. Doch der Vorschlag stößt auf Kritik: Der Sonntag und insbesondere Heiligabend gehöre schließlich der Familie, die Ladentüren sollten verschlossen bleiben. So sieht es auch Sandra Häckel, die an diesen Tagen zusätzlich arbeiten muss. Die 37-jährige dreifache Mutter arbeitet bei einem Discounter – an sechs Tagen pro Woche. Sie sagt: „Früher hatten die Geschäfte bis 18 Uhr geöffnet, samstags bis 12 Uhr. Und das ging auch.“ Mit ihren Kindern spielen, lernen oder mal einen Kuchen backen könne sie nur sonntags. Dass sie durch Sonntagszuschläge mehr verdienen könnte, ist für die Verkäuferin kein Argument. „Natürlich gehe ich gerne arbeiten, mit macht mein Job Spaß. Aber ich lebe nicht für meine Arbeit. Mir ist die Familie wichtiger, als das Geld.“ Sandra Häckel hatte eben wegen der Wochenendarbeit vor acht Jahren den Job gewechselt – von der Gastronomie in den Einzelhandel.

Andere loben sich solche zusätzlichen Einkaufsgelegenheiten, fehle unter der Woche doch meist die Zeit und Möglichkeit. Paare und Familien etwa nutzen verkaufsoffene Sonntage, um endlich mal gemeinsam bummeln und shoppen zu gehen. 

 

Großteil wünscht sich einheitliche Regelung

In Deutschland sind verkaufsoffene Sonntage seit 2006 Ländersache. Das heißt: Es gibt keine einheitliche Regelung. Während München in diesem Jahr beispielsweise gerade mal drei verkaufsoffene Sonntage hat, sind es in Berlin bis zu 10, in Köln vier und Warnemünde durch eine Ausnahmeregelung bis zu 34 zusätzliche Shopping-Tage.

stern TV hat in einer Online-Umfrage insgesamt knapp 7.500 Kunden, Händler und Angestellte im Einzelhandel zu diesem Thema befragt. Immerhin: 72 Prozent aller Befragten wünschen sich eine deutschlandweit einheitliche Regelung. Für 70 Prozent der angestellten Mitarbeiter ist die Sonntagsarbeit wegen der verlorenen Freizeit jedoch ein Problem, wie für Sandra Häckel. Die übrigen 30 Prozent nehmen sie in Kauf oder sehen darin eine Chance auf einen Zusatzverdienst.

Auch in Zuschriften der Zuschauer und in den Kommentaren auf unserer Facebook-Seite gehen die Meinungen auseinander: Der Handel übertreibt es und setzt die Freizeit und Gesundheit der Mitarbeiter auf‘s Spiel, schreibt etwa der Verkäufer Sönke C.

Kundin Karin K. hingegen meint: Die Verkäufer sollen nicht immer jammern. Altenpfleger, Krankenschwestern und Taxifahrer arbeiten auch sonntags.

Nachbarländer überlassen Händlern die Entscheidung

In unserer Internet-Umfrage unter Kunden sagten 44 Prozent, sie hätten am liebsten gar keine verkaufsoffenen Sonntage. Unter den Verkäufern und Verkäuferinnen würden sogar 66 Prozent die verkaufsoffenen Sonntage am liebsten abschaffen. Alle anderen unterstützen gelegentliche Öffnungen. Und knapp ein Viertel aller Befragten wünscht sich sogar, dass die Geschäfte immer sonntags geöffnet sind.

In Deutschlands Nachbarländern gibt es darüber längst keine Diskussion mehr. In einem Großteil der europäischen Hauptstädte dürfen die Händler jeden Sonntag öffnen, wenn sie möchten. In der niederländischen Grenzregion – in Venlo – freut man sich besonders über die strikten Regelungen in Deutschland, denn dort kommen viele Deutsche zum Einkaufen hin. „Es wundert mich, dass Deutschland nicht nachzieht“, sagt Ruud Stikkelbroeck vom City Marketing Venlo. „Wir haben das schon sechs Jahre. Man würde erwarten, dass die Deutschen damit auch mal ein bisschen experimentieren.“

Ein Grund für die deutsche „Rückständigkeit“ ist der Artikel 140 im Grundgesetz, der lautet: Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.
Unternehmerin Annette Neuert aus Schwerte würde ihre kleine Boutique lieber an mehreren Sonntagen im Jahr öffnen. Als kleine Unternehmerin habe sie besonders zu kämpfen, dass Monat für Monat Geld in die Kasse kommt. Sonntags könne sie zudem neue Kunden gewinnen: „Man hat überhaupt keinen Kunden, der griesgrämig ist. Oft kommen Leute, die am verkaufsoffenen Sonntag da waren, wenn es ruhiger ist wieder und kaufen noch etwas.“ Ihren Verkäuferinnen zahlt Annette Neuert an Sonntagen den doppelten Stundenlohn, denn an diesen vier Sonntagen mache sie deutlich mehr Umsatz: „Mindestens 50 Prozent, es können auch mal 60 oder 70 Prozent mehr sein, als an einem normalen Tag. Und das macht sich am Ende des Monats ordentlich bemerkbar.“
Auch in der stern TV-Umfrage bewerten 53 Prozent der befragten Händler den verkaufsoffenen Sonntag als wichtig oder sogar sehr wichtig für ihr Unternehmen; 37 Prozent empfinden ihn als unbedeutend, 10 Prozent als schädlich fürs Geschäft.

Pro oder kontra verkaufsoffener Sonntag? Die Meinung dazu hängt von den persönlichen Lebensumständen ab. Insgesamt gesehen würde sich mehr als die Hälfte aller Umfrageteilnehmer wünschen, sonntags regelmäßig shoppen zu können.

Umfrage Verkaufsoffene Sonntage

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