Romance-Scamming: Wie Liebesbetrüger aus Westafrika deutsche Frauen abzocken

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Wie jeder Mensch wollte auch Petra F. die große Liebe finden. Und sie fand sie – so glaubte sie zumindest. Doch am Ende brach man ihr nicht nur das Herz, sie verlor auch noch Tausende Euro an ihre vermeintlich große Liebe. „Dieses Gefühl, so dermaßen verletzt worden zu sein – das ist das, was am allermeisten weh tut“, so die 51-Jährige. Petra F. wurde Opfer eines so genannten „Romance Scammers“, übersetzt meint das „Romantik-Betrüger“. Sie lernte über das Dating-Portal „Lovoo“ einen im Irak stationierten US-Soldaten namens „Daniel“ kennen. Das gab er jedenfalls vor. Petra F. war empfänglich für die Romanze, sie hatte sich nach 27 Jahren Ehe vor einem Jahr von ihrem Mann getrennt und fühlte sich einsam. Der Flirt ging über Wochen, sie schrieben sich täglich nette Dinge, erkundigten sich nach dem Befinden und wie es bei der Arbeit läuft, wie es der Familie geht – alles auf Englisch. „Es waren so ganz normale Unterhaltungen, als wenn   man zum Partner nach Hause kommt. Nach dem Motto: Liebling, wie war dein Tag?“, erzählt Petra F. Trotz der Entfernung entwickelte sich allmählich eine Art Liebesbeziehung. „Vertieft hat sich das Ganze nach drei oder vier Wochen, als er meinte, er würde mich sehr gerne kennenlernen. Ich wäre die Frau, die er sich vorstellen könnte. Von den ganzen Kontakten her hat sich das für mich auch richtig angefühlt. Und wir haben dann ausgemacht: Er kommt nach Deutschland, wir lernen uns kennen – und sehen, was sich daraus entwickelt.“ Petra F. erhielt immer romantischere Nachrichten von „ihrem Soldaten“, sie verliebte sich tatsächlich, habe Schmetterlinge im Bauch gehabt, wie in jungen Jahren. „Wenn dann das Gefühl von Liebe hinzukommt, dann schaltet das Gehirn irgendwann aus“, sagt sie heute.

Dokumente, Fotos und weitere Personen stützen Glaubhaftigkeit

Die Masche des „Romance-Scamming“ hat System. Denn auch Brigitte S. wurde Opfer der Liebesbetrüger: Sie fiel auf den angeblichen Soldaten „Philip“ aus Kanada herein, der vorgab, in Afghanistan stationiert zu sein. Er nannte sie „Honey“ und gab sich redlich Mühe, ihr Herz zu erobern: Morgens, mittags, abends wurde auch sie mit blumigen Nachrichten und Liebesbekundungen umgarnt. „Irgendwann hat bei mir das rationale Denken ausgesetzt und dann habe ich ihm auch zurückgeschrieben: Yes, I love you“, erzählt die heute 61-Jährige.

Was Brigitte S. zu diesem Zeitpunkt nicht ahnte: Die Falle des Romance-Scammers hatte damit zugeschnappt. Nachdem Sie sich verliebt hatte, erzählte ihr der tolle Soldat von seinen gefährlichen Einsätzen. Bei einem dieser Einsätze habe er im Haus eines Politikers einen Koffer voll Bargeld gefunden, das er ins Ausland – zu Brigitte S. nach Deutschland – schaffen wolle. In den weiteren Chats drehte es sich fortan nur noch um Geld. „Philip“ stellte ihr einen angeblichen UN-Diplomaten vor, der sich um den Geldtransport kümmern sollte. Er schickte Kopien von Ausweispapieren und Transport-Dokumenten, die seine Geschichte glaubhaft machen sollten. Die damit verbundenen Kosten von 4.000 Euro sollte vorerst Brigitte S. übernehmen – danach würde er zu ihr kommen, bekundete ihr Philip. Nach langem Hin und Her habe sie sich überreden lassen: „Nachdem ich das zweite Mal Geld geschickt hatte, war wieder etwas mit der Polizei, die ihn nicht ausreisen lassen wollte. Ich sollte dann 7.000 oder noch mehr Euro schicken.“ Nach weiteren Ausflüchten und Geldforderungen habe sie einen Schlussstrich gezogen und den Kontakt abgebrochen, so Brigitte S. Sie hatte bis dahin 6.000 Euro verloren. Sie recherchierte im Internet und fand heraus, dass alle Dokumente gefälscht waren, die Fotos, die „Philip“ von sich geschickt hatte, waren von einem anderen Mann gestohlen. „Ich war am Boden zerstört.“ Sie habe einfach nicht glauben können, dass alles nicht wahr war, habe nicht mehr essen können, unter Albträumen gelitten. „Ich habe diesen Mann geliebt!“

FAQ Romance-ScammingSystematische Abzocke aus Westafrika

In Wirklichkeit hatte Brigitte S. es mit einem in Westafrika arbeitenden Mann zu tun. Die Liebesbetrüger sind meist in Ghana oder Nigeria angesiedelt. Dort arbeitet eine regelrechte Liebesmafia, die ihre Opfer über beliebte Dating-Portale, Singlebörsen oder einfach über Facebook kontaktiert – und eine Liebesbeziehung aufbaut, um Frauen in Europa systematisch um ihr Geld zu bringen. Allein in Nordrhein-Westfalen seien in den letzten anderthalb Jahren mehr als 100 solcher Fälle zur Anzeige gebracht worden, sagt Wolfgang Hermanns vom Landeskriminalamt NRW. Das sei jedoch „nur die Spitze des Eisbergs, da sich viele aus Scham oder weil sie nur kleine Beträge verloren haben, nicht zur Polizei gehen.“ Die Dunkelziffer der Opfer der so genannten Westafrika-Connection sei deshalb deutlich höher. Die Schadenssumme der angezeigten Fälle aus dem letzten Jahr betrug laut Hermanns zum Teil sechsstellige Summen; bei einem Fall waren es 200.000 Euro. Das Geld sehen die Opfer niemals wieder, da die Betrüger alles tun, um ihre Spuren zu verwischen und die wahren Identitäten zu verschleiern. Selbst wenn Geld beispielsweise über Western Union überwiesen wird, gehen die Betrüger mit gefälschten Ausweisen oder Mittelsmännern dort hin und holen das Geld ab. Die Verfolgung gestaltet sich von Deutschland aus in Zusammenarbeit mit den Behörden in Ghana und Nigeria schwierig und sei kaum möglich, sagt Wolfgang Hermanns. Die Betrüger wissen das und nutzen diese Schwachstelle gezielt aus.

Echte Liebe für eine Fälschung Fake-Profile im Internet (2074947)50.000 Euro und ein gebrochenes Herz

Petra F. verlor insgesamt fast 50.000 Euro. In ihrem Fall sei es um den Sohn ihrer vermeintlich großen Liebe gegangen, der alleine in den USA lebe und dringend Geld brauche, so Petra F. Das weckte das Mitleid der 51-Jährigen, die selbst Kinder hat. „Die ersten Geldforderungen kamen, weil der Aufpasser seines Sohnes das monatliche Budget quasi in Alkohol umgesetzt hatte, und er vom Irak aus kein Geld an seinen Sohn schicken konnte. Ob ich einspringen könne?“, erzählt sie. Auch ihr „Daniel“ schmiedete große Pläne: Er wolle zu Petra F. nach Deutschland ziehen. Und nebenbei wurden die benötigten Summen immer größer. Ihre Liebesbeziehung in der Ferne kam sie teuer zu stehen. „Es tut weh, es tut einfach weh! Nicht nur wegen des Geldes – natürlich tut das doppelt weh. Aber dieses Gefühl, so dermaßen verletzt worden zu sein…“

Brigitte S. hat ein Jahr gebraucht, um über ihre Erfahrung mit dem Romance-Scammer hinweg zu kommen. „Man zweifelt einfach an sich selbst und auch an allem anderen. Man denkt: Wie kann ich so bescheuert sein? Warum habe ich das nicht früher bemerkt? Warum hab ich das nicht früher überprüft? Dieses Warum lässt einen nicht los.“

Wie viele Frauen das jährlich erleben, was Petra F. und Brigitte S. passiert ist, lässt sich nur schätzen. Das Geschäft mit dem Romance-Scamming scheint grenzenlos zu sein. Und: Es trifft nicht nur Frauen, auch Männer werden Opfer von vermeintlich attraktiven, sozial engagierten tollen Frauen. „Es wird nie von Sex, es wird bewusst immer nur von Liebe gesprochen“, weiß Brigitte S. jetzt. „Es werden Gedichte verschickt, und das Leben wird in den schönsten Farben ausgemalt. Darauf kann jeder reinfallen, jeder!“ Alle, die ihre große Liebe also noch finden möchten, sollten eines beherzigen: Die echte, große Liebe muss man eben doch bald nach dem Kennenlernen persönlich treffen. Auf jeden Fall, bevor es um Geld geht!

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