Ferkel, die wenige Minuten nach der Geburt qualvoll verenden, junge Schweine, die unter Krankheiten und Entzündungen leiden, Ferkel mit offenen Wunden, die sich kaum auf den Beinen halten können – solche Bilder möchte niemand sehen. Und doch gibt es diese Zustände. „Seit über 18 Jahren dokumentiere ich Zustände in der industriellen Massentierhaltung. Aber das ist mit das Schlimmste, was ich je gesehen habe“, sagt Jan Peifer vom Deutschen Tierschutzbüro e.V. Der Verein hatte stern TV die schockierende Aufnahmen aus einer niedersächsischen Ferkel-Aufzucht zugespielt: Sie zeigen, wie Tiere unter verheerenden Zuständen in sich wiederholenden Zyklen geboren werden, Totgeburten sind an der Tagesordnung. Die Muttersauen sind dabei eingepfercht in viel zu kleinen Boxen, es mangelt an Hygiene, die Jungtiere leiden, werden misshandelt oder unsachgemäß getötet, teilweise sogar lebendig im Müll entsorgt.
„Man sieht die Tiere nicht mehr als fühlende Wesen, sondern als Produkt“
Die Tierschützer hatten die Aufnahmen über einen Zeitraum von fünf Monaten an sieben verschiedenen Terminen mit mehreren teils versteckten Kameras gemacht. „Daran wird deutlich, dass es hier nur um die Ware Tier geht, einzelne Tiere haben keine Chance, man sieht sie als Produkt. Man sieht sie nicht mehr als fühlende Lebewesen und dementsprechend wird mit ihnen umgegangen“, sagt Tierschützer Jan Peifer. „Es geht um Profit, um Geld und um nichts anderes.“
Anregungen für einen gewissenh… Das können Sie tun (2104037)stern TV hat die Aufnahmen Diana Plange, Fachärztin für Tierschutz und Tierschutzethik in Berlin, gezeigt. Eine derartige Gleichgültigkeit gegenüber Schweinen und Ferkeln machte auch die Tierärztin, die nach eigenen Worten in jener Hinsicht viel gewohnt ist, einfach fassungslos: „Das einzelne Tier scheint hier keine Bedeutung zu haben“, sagt sie. Sie habe schon einiges gesehen, „aber es ist wohl immer noch eine Steigerung möglich.“
Ferkelzucht
Klare Verstöße gegen das Tierschutzgesetz
Die Tierschützer haben zwischen Dezember 2016 und Mai 2017 fünf Nächte in dem betreffenden Ferkel-Zucht-Betrieb gefilmt. Zweimal installierten sie versteckte Kameras, die das Vorgehen im Stall dokumentierten. Unter anderem zeichneten sie am 24. April auf, wie verendende Ferkel an den Hinterläufen gepackt und auf den Stallboden geschlagen wurden. Ein Ferkel wurde noch lebend in die Mülltonne geworfen. Auf den Bildern ist zu erkennen, dass sich das Tier noch bewegte, bevor ein weiterer Kadaver auf das Ferkel geworfen wurde. Ein klarer Verstoß gegen das Tierschutzgesetz. „Das Tier ist definitiv noch bei Bewusstsein“, stellt Diana Plange anhand der Aufnahmen fest. „Es ist vorgeschrieben, dass die Tiere mit einem Holzstock betäubt und dann entblutet werden. Und hier werden sie einfach auf einen Betonboden geschlagen – in der Hoffnung, dass sie dann tot sind. Doch das funktioniert ja offensichtlich nicht. Und die Mitarbeiterin kontrolliert noch nicht einmal nach, ob die Tiere tot sind, sondern schmeißt sie einfach in einen Eimer. Es ist erschreckend.“
stern TV hat den Hof zusammen mit Jan Peifer vom Deutschen Tierschutzbüro e.V. aufgesucht, um mit einem Verantwortlichen über die Aufnahmen zu sprechen. Doch dort reagierte man nicht. Das telefonische Angebot an den Geschäftsführer, ihm die Bilder zu zeigen und dazu Stellung zu beziehen, lehnte er ab. Stattdessen erhielt die Redaktion kurz darauf eine schriftliche Antwort einer Anwaltskanzlei auf die Fragen zu den dokumentierten Vorfällen. Darin heißt es: Unsere Mandantin hat bereits seit 2015 ein CO2-Gerät zur Nottötung von Saugferkeln im Einsatz, das die schmerzlose Betäubung und Tötung in solchen Fällen mittels CO2 ermöglicht. (…)Tierschutzwidrige Tötungen von Ferkeln (…) würden von unserer Mandantin nicht hingenommen oder geduldet.
Ein Widerspruch zu den Aufnahmen vom 24. April.
Schweinemastbetrieb_16.45Nach eigenen Angaben werden in dem Betrieb 2.400 Muttersauen gehalten, die Ferkel regelrecht produzieren. Die Jungtiere werden nach etwa drei Wochen von den Müttern getrennt und an Mastbetriebe weiterverkauft. Die Sauen verbringen den Großteil ihres kurzen Lebens in so genannten Kastenständen, sowie in Abferkelbuchten – in der Ferkelzucht üblich und erlaubt. Doch die Kastenstände müssen für die Sauen eine Mindestgröße haben, um Verletzungen zu vermeiden. In dem Betrieb sind sie zum Teil nur 60-70 Zentimeter breit, obwohl die Muttertiere 80 bis 90 Zentimeter groß sind. „Die sind aus einer Zeit, als die Sauen noch kleiner waren“, sagt Diana Plange. „Und der Abferkelkäfig muss so groß sein, dass sich die Sau bewegen und ausstrecken kann.“
Muttersauen und Ferkel bei der Geburt sich selbst überlassen
Die Tierschützer fanden in dem Betrieb auch ein Medikament, das die Geburten der Muttertiere einleitet. Demnach ist den Mitarbeitern des Hofs bekannt, wann Ferkel geboren werden. In der Nacht vom 23. auf den 24. April machten die Aktivisten Aufnahmen, als mehrere Sauen geworfen hatten: Zahlreiche totgeborene und verendende Ferkel lagen auf dem Boden, eingequetscht in einem Bodenspalt oder gefangen in der Eihülle, aus der auch die eingepferchte Mutter sie nicht befreien konnte. Es war niemand dort, der den gerade geborenen Ferkeln half. Die Fachtierärztin Diana Plange kritisiert das scharf: „In der Zeit, in der die Sau gebärt, ist das auch für das Tier höchst anstrengend. Und wenn der Landwirt die Geburt einleitet und vorher weiß, wann das ist und nicht dabei ist – das ist eine grobe Vernachlässigung der Tiere und durch nichts erklärbar oder entschuldbar.“
In der Stellungnahme des Anwalts heißt es dazu: Sollten Mitglieder einer selbsternannten „Tierrechtsgruppe“ ausnahmsweise bei einem nächtlichen Hausfriedensbruch im Stall Zeuge eines nicht von Mitarbeitern begleiteten Geburtsvorgangs geworden sein, würde ein solcher Geburtsvorgang eine Ausnahmesituation darstellen, die sich letztlich nie ganz ausschließen lässt.
Allerdings hatten sich die Vorgänge in der Folgenacht wiederholt – und wieder war kein Angestellter dort, um den Tieren zu helfen.
Die Muttersauen würden es tun, so ist ihr Naturell als Säugetier. Die engen Kastenstände der Abferkelboxen aber hindern sie daran, sich um ihre Ferkel zu kümmern oder gar Kontakt aufzunehmen. Noch dazu kann die Sau aufgrund der Enge nicht verhindern, dass die Ferkel in ihre Zitzen beißen, die sich dann entzünden. „Es sind hochschmerzhafte Verletzungen bei den Muttersauen zu sehen, an den Klauen, am Gesäuge, mit Abszessen und Druckstellen“, sagt Diana Plange. Dabei hätten Schweine das gleiche Schmerzempfinden, wie Menschen. „Wenn man diese Verletzungen sieht, dann leiden diese Tiere heftig – über einen längeren Zeitraum.“ Einige Sauen und Ferkel zeigten auf den Bildern der Tierschützer allerlei Verletzungen und tiefe Entzündungen. „Gerade diese Wunden sind natürlich auf die Haltung zurückzuführen, wenn die Tiere in so einem Käfigverschlag gehalten werden“, sagt Tierschützer Jan Peifer. „Es macht einen einfach fassungslos, wenn man sieht, wie eng die Tiere dort stehen müssen. Und diese Gleichgültigkeit, wie diese Tierhalter damit umgehen, das ist sicherlich etwas, das man nicht vergessen wird!“
Dokumentierte Zustände leider keine seltenen Ausnahmen
Der Gründer und Vorsitzende des Deutschen Tierschutzbüros hat wegen der Verstöße gegen das Tierschutzgesetz, die Tierschutznutztierverordnung und die Schweinehaltungshygieneverordnung, die der Verein dokumentieren konnte, gegen die Betreiber des Hofs Anzeige inzwischen erstattet. Auch Diana Plange will sich als Tierethikerin weiterhin dafür einsetzen, dass sich die Bedingungen in der Massentierproduktion ändern. Es sei leider auch nicht angemessen, dass immer nur von wenigen „schwarzen Schafen“ gesprochen werde: „Die tierverachtende Praxis ist unter Landwirten leider weit verbreitet.“
Frage: Was wären Sie bereit zu t… mit 6 Statement(s) (2104053)