Journalisten in Türkei-Haft: Warum wurde die deutsche Übersetzerin Mesale Tolu festgenommen?

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Was Hüseyin Tolu über die Verhaftung seiner Schwester in der Türkei berichtet, klingt wie der Stoff aus einem Action-Streifen: Die aus Neu-Ulm stammende Übersetzerin und Journalistin und ihr zweijähriger Sohn hätten noch geschlafen, als „Polizeibeamte mit Maschinengewehren die Wohnung gestürmt und meine Schwester in Handschellen abgeführt haben“, berichtet der Bruder, der, wie er sagt, nur kurze Zeit später als einer der ersten in die Wohnung kam. „Sie hatten eine Sicherheitstür in der Wohnung, die wurde kaputt geschlagen, die Zimmer wurden verwüstet“, so Hüseyin Tolu. „Was ich weiß ist, dass das Anti-Terror-Polizeibeamte mit Maschinengewehren waren. Und ein maskierter Beamter hat meinen Neffen einfach bei einem Nachbarn, der an der Tür stand, abgegeben und gesagt: Passen sie auf den Kleinen auf!“

Die Deutsche, die seit 2007 nur noch den deutschen Pass besitzt und in der Türkei für die linksgerichtete Nachrichtenagentur „Etha“ arbeitet, war am frühen Morgen des 30. April festgenommen worden. Seit dem 6. Mai befindet sich die 33-Jährige im Frauengefängnis in Istanbul. Der Vorwurf der türkischen Behörden: Mesale Tolu habe als Journalistin und Übersetzerin „Terrorpropaganda“ betrieben und sei „Mitglied in einer Terror-Organisation“.

In der Türkei sitzen zahlreiche Journalisten unter demselben Vorwurf in Haft, darunter mehrere Deutsche, wie auch der deutsch-türkische „Welt“ Korrespondent Deniz Yücel, der im Februar festgenommen worden war. 

„Ich befinde mich in einem Land, in dem Andersdenkende ihrer Freiheit beraubt werden.“

Live in der Sendung sprach Steffen Hallaschka mit Tolus Bruder Hüseyin und mit Ilkay Yücel, der Schwester von Deniz Yücel, über die Vorwürfe und das Vorgehen der Türkischen Polizei. Inzwischen sitzt Mesale Tolu seit 18 Tagen in der Türkei in Haft, eine Anklageschrift aber gäbe es nicht, so ihr Bruder Hüseyin Tolu. Dennoch sei seine Schwester zuversichtlich. In einem persönlichen Brief aus dem Gefängnis, den er während des Studiogesprächs verlas, bedankt sich Mesale Tolu bei allen, die sich für ihre Freiheit einsetzen und schreibt: Ich befinde mich in einem Land, in dem Andersdenkende ihrer Freiheit beraubt werden.“ Durch ihre Festnahme werde sie in ihrem „Kampf für Gleichberechtigung und Gerechtigkeit aber weiter bestätigt. Sie sei sich sicher, dass bald wieder sonnige Tage kommen werden.

„Meine Schwester wusste, dass etwas passieren würde, sie war darauf vorbereitet, dass sie verhaftet wird“, so Hüseyin Tolu, doch „mit dem Ausmaß, dass man nachts, vermummt, die Türe kaputt schlägt, hat meine Schwester nicht gerechnet.“

Der zweijährige Sohn von Mesale Tolu ist inzwischen bei seiner Mutter im Gefängnis. Der Junge sei jedoch immer noch verängstigt, denn: „Bei der Verhaftung seiner Mutter haben sie zu ihm gesagt: Wenn Du nicht ruhig bist, wirst Du auch verhaftet“, berichtet Hüseyin Tolu.

KTG Türkei-Chronologie
Yücel in türkischer U-Haft

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