Ausspioniert im Kinderzimmer: Mit diesen Spielzeugen können Hacker Kinder manipulieren

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Ein fremder Mann, der vor der Terrassentür steht – und ein kleines Mädchen, das ihm die Tür arglos und ohne zu Zögern öffnet…

Das war der Ausgang eines stern TV-Tests, den IT-Sicherheitsexperte Tobias Schrödel mit der Erlaubnis der Eltern gemacht hat. „Als ich gesehen habe, dass sie die Tür aufmacht, schnürte es mir die Kehle zu“, sagt Silke Bokelkamp über die Szene mit ihrer vierjährigen Tochter Emma. Die Kleine hatte in dem Zimmer alleine mit einer Puppe gespielt – einem Kinderspielzeug.

Mehr als nur Datenspionage möglich

Noch nie haben die Deutschen mehr Geld für Spielwaren ausgegeben. 2016 betrug der Branchenumsatz über drei Milliarden Euro. Vor allem teures Hightech-Spielzeug wird immer beliebter, darunter auch „My Friend Cayla“. Die interaktive Puppe, die dem spielenden Kind zuhören und auch selbst sprechen kann, war drei Jahre lang ein Verkaufsschlager. „Für die Funktion hat sie ein Mikrofon und einen Lautsprecher und eine Bluetooth-Verbindung. Im Prinzip nichts anderes, als eine Freisprechanlage im Auto“, erklärt Tobias Schrödel.
KASTEN betroffene SpielzeugeSobald die Puppe eingeschaltet und die entsprechende App aktiviert ist – zum Beispiel auf einem Tablet oder dem Smartphone der Eltern – kann es losgehen. Und so war auch Schrödels Smartphone in Sekundenschnelle mit „Cayla“ verbunden. Der IT-Experte findet das bedenklich: „Die Hersteller wollen natürlich, dass die Nutzer sofort losspielen können und Spaß an dem Spielzeug haben. Das bedeutet: Keine Passwörter, sondern nur anschalten – und nicht mehr.“

„Cayla“ kennt auf fast jede Frage eine Antwort, da sie über die App zusätzlich mit dem Internet verbunden ist und dort alle erdenklichen Antworten recherchiert. Für Kinder also eigentlich ein tolles Spielzeug. Doch Verbraucherschützer äußerten Bedenken und die Bundesnetzagentur hat „Cayla“ in Deutschland verboten: Durch das eingebaut Mikrofon sei nämlich eine Abhörfunktion möglich, so Schrödel. „Gegenstände, die sendefähige Kameras oder Mikrofone verstecken und so Daten unbemerkt weiterleiten können, gefährden die Privatsphäre der Menschen. Das gilt auch und gerade für Kinderspielzeug“, erklärte der Präsident der Bundessnetzagentur Jochen Homann zu dem Verbot.

Kinder vertrauen den Spielzeugen blind

Bei Michael Nayda aus Düren stößt die Entscheidung der Behörde auf Unverständnis. Er hatte seiner Tochter Jolisa diese Puppe vor zwei Jahren geschenkt und will ihr das Lieblingsspielzeug nicht wegnehmen. Warum auch? – meint Michael Nayda. Mit seinem Einverständnis hat Tobias Schrödel mit Jolisa und ihrer „Cayla“ einen Test gemacht, während das Mädchen mit der Puppe spielte: Der IT-Experte konnte sich im Nebenzimmer mit wenigen Klicks über sein Smartphone mit der Bluetooth-Schnittstelle der eingeschalteten Puppe verbinden – und konnte somit abhören, was in dem Kinderzimmer passiert und über den Lautsprecher der Puppe mit dem ahnungslosen Mädchen sprechen. Jolisa vertraute der Puppe blind, während Schrödel sie ausfragte oder andere Spielsachen benutzen ließ – zum Entsetzen ihres Vaters Michael Nayda. „Dass sie das so schnell alles macht, und das so einfach geht. Ich bin schockiert.“

Tobias Schrödel fand heraus, dass „Cayla“ nicht das einzige problematische Spielzeug mit derartigen Funktionen ist. Sie ist aber das einzige, das verboten wurde. Der Plüschteddy namens „Freddy, der Bär“ beispielsweise (gleiche Vertriebsfirma wie „Cayla“) kann sich zwar nicht mit dem Internet verbinden. Doch Hacker haben auch bei diesem Teddy leichtes Spiel, sofern „Freddy“ gerade nicht aktiv mit dem Smartphone der Eltern verbunden aber eingeschaltet ist. Das konnte stern TV in einem weiteren Kinder-Test zeigen. Silke Bokelkamp und ein paar befreundet Eltern ließen sich darauf ein. Wie bei der Puppe konnte sich der IT-Experte binnen Sekunden vom Nebenraum zu den spielenden Kindern zuschalten.

Sechs von sieben Kindern folgten allen Befehlen

Als die achtjährige Kalyn mit dem Teddy spielte, hatte Schrödel über das Mikrofon in kurzer Zeit ihr Vertrauen gewonnen – und ihr das Passwort für die gesicherten Türen des Hauses entlockt. Ihre Mutter zeigte sich geschockt, denn viele Leute würden ihre Kinder sicher mit dem vermeintlich harmlosen Spielzeug spielen lassen und dem Hersteller vertrauen, so die Mutter. „Ich denke, sowas sollte man sofort vom Markt nehmen.“

Der siebenjährige Elias ließ sich ebenfalls ausfragen und gab ohne zu zögern die Wohnungsadresse der Familie preis. „Erschreckend“, fand sein Vater. „Sie sind so gutgläubig, weil sie denken, sie sprechen mit einem Stofftier.“
Das sei genau das Problem, erklärt Tobias Schrödel nach dem Test: „Ich habe eine Adresse bekommen, ich weiß, wann Sie nicht zu Hause sind, wann die Mama nicht zu Hause ist und die Schwester. Und die Tür macht das Kind dann auch noch auf.“

Diesen Kindern wurde im Anschluss alles erklärt und Tobias Schrödel zeigte ihnen, dass sie nicht mit dem Stofftier, sondern mit ihm gesprochen haben. Sie haben an jenem Tag etwas gelernt. Das erschreckende Fazit ist jedoch: Im stern TV-Test haben sechs von sieben Kindern zwischen drei und acht Jahren genau das gemacht, was der vermeintlich fremde Tobias Schrödel ihnen über das Spielzeug befahl. Sie haben „Freddy“ und „Cayla“ vollkommen vertraut – Spielzeugen, die manipulativen Verbrechern Tür und Tore öffnen.
Immerhin: Deutschlands großer Spielwarenmarkt „Toys ‚R‘ Us“ hat auf die Nachfrage von stern TV reagiert, und nach „Cayla“ nun sowohl „Freddy“ als auch „I-Que Roboter“ aus dem Verkauf genommen. 

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