Sebastian Vettel gibt sich keinen Illusionen hin. Obwohl erst acht von 21 Rennen gefahren sind, ist der WM-Titel 2019 so gut wie unmöglich. Zu groß ist die Dominanz von Mercedes und Lewis Hamilton, zu zahlreich sind die Schwächen bei Ferrari.
Die Saison erinnert stark an jene vor fünf Jahren, als die Überlegenheit der Silberpfeile ähnlich gravierend war und Lewis Hamilton sowie Nico Rosberg neun der ersten zehn Rennen gewannen.
Wie in dieser Saison hatte Vettel damals aber nicht nur mit den Mercedes, sondern auch mit seinem Teamkollegen bei Red Bull zu kämpfen. Daniel Ricciardo war der erste Teamkollege, der Vettel sowohl bei den WM-Punkten als auch in den Qualifying-Duellen bezwang.
Leclerc setzt Vettel unter Druck
Etwas ähnliches könnte Vettel auch in diesem Jahr mit dem jungen Charles Leclerc blühen. Noch hat der Deutsche zwar klar die Nase vorn, was aber zu großen Teilen dem Rennpech von Leclerc und der zeitweise klaren Bevorzugung Vettels geschuldet ist.
Nach jahrelanger Zusammenarbeit mit dem schweigsamen Kimi Räikkönen hat Vettel bei Ferrari erstmals einen Fahrer als Teamkollegen, der sich sowohl auf als auch abseits der Strecke zur Wehr setzt und eine vermeintliche Ungleichbehandlung offen anspricht.
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Seine Kritik und starken Leistungen führten schließlich zur Erklärung von Teamchef Mattias Binotto, auf eine Stallorder pro Vettel zukünftig verzichten zu wollen. Aber auch sonst gibt sich Leclerc alles andere als kleinlaut. (DATENCENTER: Die Fahrerwertung der Formel 1)
So beschwerte sich der junge Monegasse im Qualifying von Frankreich via Funk, dass Vettel auf seiner Einführungsrunde nicht schnell genug sei und ihm so die Chance auf eine schnelle Runde kaputt machen könnte.
Vettel reagiert gereizt
Die Ferrari-Crew gab diesen Funkspruch an Vettel weiter. Dessen gereizte Antwort lautete: „Wie groß soll die Lücke denn sein? Ich versuche ja nicht, ihn zu killen.“ Beide schafften es ins Q3, welches Leclerc als Dritter und Vettel als Siebter beendete.
Es war erst das zweite Mal in der Saison, dass Leclerc im Qualifying die Nase vorn hatte. Doch der 21-Jährigen ist bereits fierberhaft daran, diesen Nachteil auszumerzen, damit ihm dies noch öfter gelingt.
„Mir war klar, dass meine Schwachstelle in den vergangenen Qualifyings war, dass ich das Auto in Q3 nicht optimal zum Arbeiten gebracht habe. Daran habe ich hart gearbeitet“, sagte Leclerc am Rande des Qualifyings in Le Castellet. (DATENCENTER: Die Teamwertung der Formel 1)
Keine guten Nachrichten für Vettel, denn im Rennen war sein Teamkollege ihm sowieso oft mindestens ebenbürtig. Mercedes scheint unerreichbar, doch das Rennen um Platz drei könnte mit Vettel, Leclerc und Max Verstappen zum Dreikampf werden.
Vettel soll Ausstiegsklausel bei Ferrari haben
Die Frage wird sein, ob Vettel auf den steigenden Druck von Leclerc ähnlich reagiert wie 2014 bei Red Bull. Damals entschied er sich – trotz Vertrages bis 2015 – von einer Ausstiegsklausel Gebrauch zu machen. Dank dieser durfte er wechseln, da er im September nicht unter den Top 3 der Gesamtwertung war.
Natürlich war es bei Vettel damals weniger eine Flucht vor Ricciardo als die ideale Gelegenheit, bei Ferrari in die Fußstapfen seines Idols Michael Schumacher zu treten. Doch wer weiß, was passiert, wenn Vettel im September 2019 hinter seinem Teamkollegen liegt?
Zwar läuft Vettels Vertrag bei Ferrari bis 2020, doch Gerüchten zufolge besitzen sowohl die Scuderia als auch Vettel eine geheime Ausstiegsklausel, die nach der Saison 2019 greifen würde. Ob diese eine ähnliche Top-3-Regelung wie damals beinhaltet?
Viel hängt gegebenenfalls von den Wechsel-Möglichkeiten ab. Aber falls Hamilton sich angesichts der aktuellen Langeweile noch eine Herausforderung wünscht, um endgültig als einer der Größten aller Zeiten in die Geschichte einzugehen, wäre Vettel der ideale Teamkollege.
Der Deutsche könnte dann zudem etwas schaffen, was Schumacher in seiner Mercedes-Zeit nicht gelungen war: Weltmeister mit einem Silberpeil zu werden.