Autor: Tommy Jaud über Klischees, seinen Roman „Der Löwe büllt“ – und seine Liebe zu Staubsaugern

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Herr Jaud, Sie haben das Genre des Männerromans wiederbelebt. Viele sagen, das wäre besser tot geblieben. Was antworten Sie denen?

Also wenn ich es wiederbeleben konnte, war es ja offensichtlich noch gar nicht richtig tot. Wenn jemand in Not ist, dann helfe ich einfach.

Sehr edel. Man hört aus der Buchbranche immer: Schreibt Bücher für Frauen – nur die kaufen und lesen. Wer sind Ihre Kunden? Verwirrte Frauen?

Ich leg mich nur selten bei Thalia oder in der Mayerschen auf die Lauer, um zu schauen, wer meine Bücher so kauft, daher kenne ich meine Leser nur von Lesungen. Da sehe ich nicht nur Frauen, sondern auch viele Männer, und besonders verwirrt war bisher keiner.

Ihr neues Werk „Der Löwe büllt“ handelt von einem Mann mit beruflichen und privaten Problemen, der statt mit seiner meditationssüchtigen Frau mit seiner Mutter Kluburlaub in Spanien macht. Ist das zureichend zusammengefasst?

Eigentlich nicht, aber für den stern ist es okay. Ich kann’s auch mal versuchen: Im Buch geht es um einen gestressten Mittvierziger, der nach diversen Wutanfällen im Büro von seinem Chef in den Zwangsurlaub geschickt wird: Entweder Nico entspannt sich dort, oder er wird gefeuert.

Sag ich doch …

Ich bin noch nicht fertig. Das Problem ist, dass Nicos Chef den Entspannungsfortschritt per Fitnesstracker überwacht und Nico seine Mutter mitnimmt. Da stellt sich die Frage: Der Mutter etwas Gutes tun im Urlaub und sich gleichzeitig entspannen – geht das überhaupt?h19930286_1090652381

Hat Ihre Mutter das Buch vorab gelesen? Sie könnte womöglich auf die Idee kommen, Sie zu dieser kauzigen Nervensäge inspiriert zu haben?

Sie hat’s nicht nur gelesen, sie hat mich sogar beraten. Danach wusste ich: Auch ich mache seltsame Dinge in ihren Augen.

Welche denn?

Bundesliga schauen auf dem Handy, den Koffer erst eine Stunde vor dem Abflug packen oder Würstchen zum Frühstück essen. Und zum Glück ist meine Romanmutter Rosi nicht meine eigene Mutter, sonst müsste ich mir vermutlich Hilfe holen.

Wer oder was hat Sie denn noch inspiriert?

Bei mancher Marotte, die ich meiner Romanmutter gegeben habe, habe ich mich bei mir selbst bedient. Ich habe eine Nasendusche, fiepe im Schlaf und bin staubsaugersüchtig: Beim ersten Krümel unterm Wohnzimmertisch haste ich zum Akkusauger.

Lustig ist es schon, Ihr Buch …

Das klingt jetzt ein bisschen so, als hätten Sie vorher beschlossen, dass es nicht lustig ist.

Hatte ich befürchtet. Aber mal ehrlich: „krachschwule“ Animateure, tumb-nervige Mütter, tätowierte Luder, durchgeknallte Esoteriker. Kann es sein, dass Sie eine Terz zu Klischees neigen ?

Sie haben Tui Buh das Clubgespenst vergessen. Und ich neige nicht zu Klischees, ich liebe sie! Waren Sie denn mal in einem Ferienklub?

Nein.

Aber ich. Da laufen eigentlich fast nur Klischees rum, und ließe ich sie weg, wär die Bude leer. Deswegen ist der Klub in „Der Löwe büllt“ auch nur die Bühne für die eigentliche Geschichte, und in der geht es nicht um krachschwule Animateure, die auf Bananenschalen ausrutschen, sondern um Wut, Eifersucht und das Erwachsenwerden, obwohl man schon jenseits der 40 ist. Und um den Tod geht es auch.

Klingt autobiografisch.

Ist es auch. Als mein Vater gestorben ist, hab ich gemerkt, wie schwer sich viele mit dem Thema tun. Geholfen hat uns damals ausgerechnet unser Bestatter. Der hat die bleierne Schwere aus der Trauer genommen, indem er etwa sagte: „Ja, es ist traurig, aber letztendlich müssen wir alle mal sterben, und das ist auch gut so, sonst wird nämlich die Schlange vor dem Büfett zu lang.“

In Ihrem Buch schildern Sie auch genüsslich die Auswüchse der sogenannten AUM-Meditation, die die Gattin Ihres Helden praktiziert. Haben Sie diese Meditation zu Recherchezwecken ausprobiert?

Nicht zu Recherchezwecken, ich bin freiwillig hin und war fix und fertig danach. Die Idee ist hier, in einer Gruppe durch alle essenziellen Gefühle des Lebens zu gehen, um zu sehen, wo man Defizite hat.Buchrätsel 2305

Und?

Bis zu diesem Abend dachte ich immer, ich sei wütend. Jetzt weiß ich: Andere sind viel wütender. Ich wurde zusammengeschrien, umarmt, vollgeheult und habe wildfremden Menschen gesagt, dass ich sie liebe. Mit Wut und Trauer hatte ich Probleme, vielleicht ist deswegen genau dieses Buch rausgekommen. Was mir erstaunlich leicht fiel, war, Leute zum Lachen zu bringen.

Wie schreibt man komisch? Muss man dazu in irgendeinem Ausnahmezustand sein oder einfach nur besoffen?

In Köln ist immer irgendwie Ausnahmezustand, das hilft natürlich. Also einfach immer Augen auf und alles aufschreiben, was man so sieht, den jungen Vater zum Beispiel, der seinen Kinderwagen mit Noise-Cancelling-Kopfhörer durch den Park schiebt und dazu noch ins Handy starrt.

Ich hörte, Sie hassen Listen. Sie sind 48 Jahre alt. Welche drei Dinge muss ein Mann bis zu seinem 50. Lebensjahr gemacht haben?

Stimmt, ich finde Listen sinnlos. Was ich bis dahin gemacht haben will, kann ich Ihnen aber gern sagen: Erstens: ein Rammstein-Konzert gesehen haben (ich hab Karten für Riga). Zweitens: länger als zwei Stunden Mountainbike fahren, ohne mit einem Magenkrampf vom Rad zu fallen, und drittens endlich einen Saugwischer kaufen fürs Saugen und Wischen von Hartböden in nur einem Schritt!

Was wollen Sie mir gern über Ihr Privatleben erzählen?

Sehe ich so aus, als wollte ich was loswerden? Was würden Sie denn gern wissen?

Sind Sie noch mit dieser überaus sympathischen Frau zusammen, mit der ich Sie mal vor Jahren auf der Buchmesse traf?

Ja, und ich hab sie in der Zwischenzeit sogar gefragt, ob sie sich vorstellen könnte, mich zu heiraten.

Was hat sie geantwortet?

Sie konnte es sich vorstellen.

Du meine Güte, sind Sie jetzt verheiratet oder nicht?

Ja, und dann sogar glücklich.TJ Klinker

Mag Ihre Frau Ihre Bücher?

Bis auf „Überman“, ja. Aber natürlich fehlt ihr die Distanz. Sie kriegt jeden Tag mit, was ich schreibe. Ich frage sie oft um Rat, und sie hat ein gutes Gespür. Sie heißt übrigens Nina Schmidt und ist selbst Autorin.

Sie haben Zivildienst in einem Kindergarten gemacht. Wollen Sie selbst welche?

Wir haben schon zehn bis zwanzig. Sind zwar nicht unsere eigenen, sondern die von den Nachbarn, aber die halten uns auch ganzschön auf Trab, wenn sie im Hof toben. Aber weil wir politisch korrekt sein müssen, wissen wir, das ist kein Kinderlärm, das ist Zukunftsmusik. Im Ernst: Wir wollen uns nicht vermehren, wir sind auch so ganz froh.

Sie haben unfassbar viele Bücher verkauft. Reicht die Kohle nicht für ein stilles Häuschen im Grünen nahe Köln?

Reicht vielleicht, aber über was sollte ich da schreiben? Ich muss mich reiben und mitkriegen, was so passiert. Dazu brauche ich die Stadt. Einen Philosophen-Bettler vor dem Rewe hätte ich im Grünen vermutlich nicht kennengelernt, und Kuschel-Schrei-Meditation gibt’s da auch nicht.

Bewundern Sie jemanden?

Elon Musk, weil er machtstatt labert und seine Visionen umsetzt. Tim Mälzer für seine Stärke, auch Schwächen zu zeigen. Und ich bewundere bescheidene Menschen, die den ökologischen Fußabdruck von einem Spatzen haben, ohne gleich die ganze Welt bekehren zu wollen.

Typen wie wir beide werden neuerdings gern als „alte weiße Männer“ bezeichnet. Stört Sie das?

Mich stört eher das „Männer wie wir“. Ich bin mindestens zehn Jahre jünger als Sie!

Aber Sie sehen älter aus.

Dafür bin ich größer.

Mögen Sie eigentlich Interviews?

Normalerweise nicht, aber mit alten weißen Männern macht es schon irgendwie Spaß.Die Legende vom Frankenstein-Schloss 21.00

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