Er hat ihn wieder, seinen Afro-Look. Jene Haarpracht, mit der Leroy Sane (22) in der Vorsaison durch die Premier League dribbelte, die Fans zum Staunen und seinen Trainer ins Schwärmen brachte.
In der DFB-Elf, also nach seiner furiosen Saison und vor seinem bis dato wohl wichtigsten Turnier, probierte es Sane überraschend mit Rasta-Zöpfen. Diese jedoch erzeugten im Trainingslager in Südtirol mehr Aufmerksamkeit als seine Leistung. Denn die stimmte nicht, ebenso wenig seine Einstellung, woraufhin ihn Jogi Löw aus dem finalen WM-Kader strich. Zur Verwunderung vieler.
Jetzt, nach dem WM-Debakel, ist der gebürtige Essener zurück im Kreise der Nationalmannschaft – mit Afro-Look, aber dafür mit altbekannten Problemen.
„Sane kann Weltklasse werden“
„Er ist ein Spieler, der alles mitbringt, um absolut Weltklasse zu werden. Der aber, gefühlt, auch immer mal wieder gesagt bekommen muss, dass er was tun muss“, beschreibt Toni Kroos (28) auf SPORT1-Nachfrage das Dilemma, in welchem sich Sane befindet. Er sei jemand, „bei dessen Körpersprache man manchmal das Gefühl hat, dass gewinnen oder verlieren nicht so schlimm ist“, versucht Kroos seine Meinung zwar höflich, aber doch bemerkenswert deutlich wiederzugeben.
Sane, so scheint es, lässt seit geraumer Zeit schlichtweg die notwendige Einstellung und Professionalität zu seinem Beruf vermissen. Damit scheiterte er bei der Vorbereitung zur WM und jenes Problem macht ihm jetzt auch bei Manchester City zu schaffen.
In den ersten drei Ligaspielen brachte ihn sein Trainer und Förderer Pep Guardiola nur von der Bank. Von möglichen 270 Minuten Spielzeit bekam der Flügelflitzer (90 Millionen Euro Marktwert) nur 30. Der vorläufige Negativ-Höhepunkt am vergangenen Wochenende: Guardiola strich ihn für das Heimspiel gegen Newcastle United (2:1) aus dem Kader. Der Vorwurf: Mangelnde Einstellung im Training.
Schafft es ausgerechnet Löw, den elfmaligen Nationalspieler (0 Tore) wieder auf den Pfad der maximalen Leistungsbereitschaft zu bringen?
„Sane Qualitäten sind selten“
„Man muss einen Weg finden, ihn zu seiner Topleistung zu bringen. Wenn er die bringen kann, dann wäre er für uns eine Riesen-Bereicherung“, sagt Kroos. Schließlich habe Sane Qualitäten, die im aktuellen Kader der DFB-Elf „relativ selten sind“.
Warum aber kann er vor allem beim DFB diese Topleistung nicht abrufen? Sind möglicherweise all die Vorschusslorbeeren und das Wissen um sein Potenzial sein Problem? Oder verlieh ihm der Titel des wertvollsten Jungstars der vergangenen Premier-League-Saison zu viel Selbstsicherheit?
Nur Sane wird sich diese Frage ehrlich beantworten können. Fakt aber ist, dass sein steiler Karriereweg seit jener Auszeichnung einen Knacks bekam.
Sane wird für den Neustart benötigt
Nun aber wird Sane für den Neustart der in Russland gnadenlos gescheiterten Nationalmannschaft gebraucht – auch heute zum Auftakt der UEFA Nations League gegen Weltmeister Frankreich. Man könnte auch sagen: Die Nationalmannschaft ist auf Sane in Topform dringend angewiesen, weil es diesen Spielertyp im Kader schlichtweg nicht gibt.
„Man muss herausstreichen, dass wir einen Spieler wie Leroy, mit dieser Qualität so nicht nochmal haben“, stellt auch Kroos fest. Maßnahmen wie das Streichen aus dem City-Kader will Kroos indes nicht überbewerten. „Das dient alles dazu, das Beste aus ihm rauszuholen“, sagt Kroos.
Der Madrid-Star spricht vom Herauskitzeln dessen, was im Ex-Schalker schlummert: Die Schnelligkeit, das Durchsetzungsvermögen im Eins gegen Eins, der Spielwitz, die Passstärke und vor allem sein Torabschluss. „Wenn er das zeigt, wäre er eine absolute Waffe für uns. Er hat die Qualität, jeder Mannschaft zu helfen. Auch uns“, prophezeit Kroos, der Sane ausdrücklich als „Teamplayer“ bezeichnet.
Auch so etwas, was ihm nicht unbedingt ausgezeichnet haben soll im DFB-Team. Berichte darüber, dass er es mit Treffpunkten nicht so ernst genommen, im Trainingslager verschlafen und sich durch extravaganten Lifestyle selbst ins Abseits manövriert haben soll, hängen ihm nach.
Für Löw soll all dies fortan keine Rolle mehr spielen. Vielmehr verkündete der Bundestrainer bei seiner WM-Analyse, dass er mit Sane in Zukunft plant und mit ihm darüber gesprochen habe, dass seine Zeit erst nach der WM kommen werde – und muss. Also jetzt.
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