Gesundheitsminister Jens Spahn will deutschlandweit mehrere tausend neue Pflegekräfte einstellen, und damit der Misere im Gesundheitssystem begegnen. Aber entspricht sein Plan dem tatsächlichen Personalmangel? Sozialverbände kritisierten die bisherigen Regierungspläne längst als unzureichend und mahnten im Kampf gegen den Pflegenotstand dringend weiteren Handlungsbedarf an. Anstelle der in Aussicht gestellten 8000 zusätzlichen Pflegekräfte müsse es mindestens 60.000 bis 100.000 neue Stellen geben, um dem Bedarf insbesondere in der Pflege kranker und alter Menschen langfristig gerecht zu werden.
stern TV hat den Alltag in einer Klinik in Köln-Merheim mit der Kamera begleitet. Petra Büttner ist dort Krankenschwester und Stationsleiterin und macht diesen Job schon seit 38 Jahren. Ihre Frühschicht beginnt um 6 Uhr. Nach der Übergabe mit den Kollegen aus der Nachtschicht muss gleich umorganisiert werden, weil ein Kollege ausgefallen ist. Die Personaldecke ist dünn. Der Ausfall bedeutet direkt mehr Arbeit für Petra Büttner und die Kollegen – und weniger Zeit für den einzelnen Patienten. Auf dieser Station kommen auf eine Pflegekraft 13 Patienten: in Deutschland in der Krankenpflege. In vielen anderen europäischen Ländern ist der Pflegeschlüssen besser, in den Niederlanden etwa kümmert sich ein Pfleger nur um sieben Patienten.
Patienten versorgen, waschen, Medikamente verteilen, Toilettenbesuche – und ihnen für anstehende Untersuchungen gut zureden. Für Letzteres, die menschlichen Momente, bleibt an diesem Tag kaum Zeit. Immer sitzen die Pfleger „auf heißen Kohlen“. Die die erste Runde auf der Station dauert dreieinhalb Stunden – allein um bei den Patienten die notwendigsten Versorgungen zu erledigen. Pausen gibt es in diesem Job kaum. Sie selbst liebe ihren Job, sagt Büttner, aber kaum jemand wolle diese Arbeit heutzutage noch machen: “ Es wurde in der Pflege massiv wirklich gespart. Und heute kriegt man keine Pflegekräfte mehr, das ist das Hauptproblem. Es sind ja Ausschreibungen da, allein in Köln sucht jedes der 30 Krankenhäuser gerade Krankenschwestern.“
Offene Stellen – und niemand will in der Pflege arbeiten
Zu wenige Pflegekräfte für zu viel Arbeit. Die 8000 weiteren Stellen, die Gesundheitsminister Jens Spahn in Aussicht stellt, scheinen also nicht der wichtigste Schritt: Derzeit sind in der Pflege bereits 36.000 offene Stellen unbesetzt. Krankenschwester Jana Langer spricht von einem „menschenunwürdigen System“ der Pflege in Deutschland. Die 46-Jährige aus Ulm hatte sich im März öffentlich mit einem ernsten Brief an Gesundheitsminister Spahn gewandt: Der Mensch ist die Ware und wird auch so behandelt, bemängelt die Fachkraft in ihrem Schreiben. Jana Langer prangert vor allem an, dass das Pflegepersonal ein viel zu geringes Gehalt bekomme und es an Anerkennung für den Beruf fehle. Kaum jemand würde sich noch freiwillig für diesen Beruf entscheiden. Ein weiterer Kritikpunkt: Das finanzielle System nach Fallpauschalen: Die Krankenhäuser bekommen für jeden Pateinten je nach Fall und Krankheitsbild Geld. Damit sei aber nur die Behandlung an sich gedeckt, die Pflege und die menschliche Versorgung seien völlig unberücksichtigt.
In der Merheimer Klinik trifft stern TV auch den Krankenpfleger Karsten Löffert, der seit Jahrzehnten auf der Intensivstation arbeitet – wo es täglich um Menschenleben geht. Der Druck sei permanent hoch, das Gehalt allerdings niedrig: „Die Intensivzulage beträgt 38,53 Euro im Monat – brutto“, so Löffert. „Ich bin in der letzten Gehaltsstufe mit meiner Qualifikation. Ich mache in der Regel zwei Schichten. Und ich habe am Ende 1.800 Euro raus.“ Prof. Dr. Christian Karagiannidis, der leitende Oberarzt der Lungenklinik in Köln-Merheim teilt diese Einschätzung, er sagt: „Hinzu kommt, dass die Pflegekräfte immer mehr leisten müssen und mit dem medizinischen Fortschritt auch immer mehr wissen müssen. Das Gehalt wird dem jedoch in keinster Weise gerecht.“
Live bei stern TV sprachen Prof. Christian Karagiannidis, Krankenschwester Petra Büttner und die CSU-Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner über den Pflegenotstand in Deutschland – und wie der richtige Weg aus der Misere wäre.
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