Für viele werdende Mütter ist es ein Albtraum: Der errechnete Geburtstermin des Kindes rückt immer näher, und noch immer ist keine Hebamme gefunden, die die Nachsorge übernimmt. Schuld ist der Hebammenmangel in Deutschland – und er hat teilweise dramatische Folgen: Schwangere, die in den Wehen liegen und von Krankenhäusern aus Platzmangel abgewiesen und in ein andere Krankenhaus verlegt werden müssen. Frauen, die auch nach 50 Anfragen noch immer keine Hebamme gefunden haben. „Eine Frau war noch nicht mal schwanger und hat mich schon gefragt, ob ich die Betreuung übernehmen könnte, wenn sie schwanger wird“, sagt Hebamme Kathrin Weiser aus Groß-Gerau. Damit beschreibt sie ein Problem, das viele werdende Eltern betrifft: Die Notwendigkeit, sich immer früher um die Betreuung rund um die Geburt kümmern zu müssen.
Für die Nachsorge telefonieren sich viele Schwangere vergeblich die Finger wund. Ein Grund für diese Entwicklung sind die harten Bedingungen, unter denen Geburtshelfer arbeiten müssen: schlechte Bezahlung, steigende Versicherungskosten, fehlende Anerkennung. In Vollzeit festangestellte Hebammen verdienen in Deutschland durchschnittlich 1800 Euro netto. Besonders in Städten wie München, reicht das kaum zum Leben, zumal der Großteil der Hebammen nur Teilzeit arbeitet. Die Schichtdienste sind kräftezehrend, außerdem müssen viele Hebammen sich auch um ihre eigenen Familien kümmern.
Horrende Versicherungsprämien erschweren Hebammen den Beruf
Freiberufliche Hebammen verdienen zwar mehr, kämpfen aber gegen horrende und immer weiter steigende Versicherungsprämien. Zahlte eine Hebamme im Jahr 2000 für eine Haftpflichtversicherung noch 413 Euro im Jahr, waren es 2017 ganze 7639 Euro.
Immerhin eine Besserung: Seit 2015 gibt es den so genannten „Sicherstellungszuschlag“. Freiberuflichen Hebammen, die mindestens 4 Geburten im Jahr machen, werden bis zu 75 Prozent der Versicherungskosten erstattet. Allerdings bisher nur „unter Vorbehalt.“
Die hohen Versicherungskosten und die schlechten Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern sind Gründe, warum sich freiberufliche Hebammen zunehmend aus der Geburtshilfe zurückziehen.
So erging es auch Kathrin Weiser, die seit knapp zwei Jahren keine Geburten mehr begleitet: „Es ist schon großes Bedauern, ich vermisse es wirklich. Wenn man sich vorstellt, man wird Hebamme, dann ist es das Hauptarbeitsfeld, bei einer Geburt dabei sein zu dürfen. Das kann ich jetzt einfach nicht mehr, das ist für mich nicht machbar.“
Jetzt kann sie sich mehr Zeit für die einzelne Mutter nehmen. Trotzdem sagt die 34-Jährige, sie könne gar nicht allen Anfragen gerecht werden. Selbst Bestechungsangebote hat sie von verzweifelten Frauen schon erhalten: „Die sagen: ‚Du kriegst 500 Euro von mir, wenn du kommst‘.“ Bis zu elf Hausbesuche macht Kathrin Weiser täglich. Für einen Wochenbettbesuch zahlt ihr die Krankenkasse 37 Euro – angesetzt werden von den Kassen 20-30 Minuten pro Besuch. Tatsächlich muss Kathrin Weiser allerdings teilweise bis zu anderthalb Stunden bei den Frauen bleiben und sie unterstützen: „Das bedeutet, dass ich den Großteil meiner Arbeitszeit nicht bezahlt bekomme. Weil ich natürlich auch möchte, dass es der Frau und dem Kind gut geht, wenn ich nach einem Hausbesuch wieder gehe und dass sie ihre Fragen beantwortet kommen.“ Wenn besonders viel los ist, kommt Kathrin Weiser auf bis zu 60 Arbeitsstunden pro Woche – doch würde ihr Mann nicht so gut verdienen, könnte sie sich ihren Job gar nicht erst leisten. Nach allen Abzügen bleiben ihr nur rund 1000 Euro zum Leben.
Für Dr. Ina Rühl, Oberärztin der Frauenklinik im Rotkreuzklinikum München, sind diese Zustände untragbar. Daher setzt sie sich schon seit Jahren für bessere Bedingungen in der deutschen Geburtshilfe ein: „Es kann einfach nicht sein, dass wir Müttern die Chance auf eine liebevolle Betreuung ihrer Geburt nehmen.“ Für die Oberärztin geht es außerdem um das Ansehen des Hebammenberufes – und eine gerechte Entlohnung: „Es geht nicht darum, dass Sie reich werden: Wer reich werden will, wird nicht Hebamme. Aber ich will überleben können. Und das ist doch nicht zu viel verlangt.“
Weiterführende Informationen zum Thema finden Sie auch hier:
– Ausführliche und übersichtliche Informationen für Eltern und Hebammen sind auf der Internetseite des Deutschen Hebammen Verbandes zusammengestellt.
– Wer keine Hebamme findet, kann den persönlichen Hebammenmangel auf der Landkarte der Unterversorgung eintragen. Außerdem können Sie dort eine Briefvorlage herunterladen, um ihre Krankenkasse über die Unterversorgung zu informieren.
– Die Hebammensuche ist eine Suchmaschine, die Adressen freiberuflicher Hebammen in ganz Deutschland enthält. Auch Zusatzangebote, wie Säuglingspflegekurse und Massagen während der Schwangerschaft werden hier aufgeführt.
– Der gemeinnützige Verein Mother Hood informiert auf seiner Website über sichere Geburtshilfe. Der Bereich „Aktivitäten“ bietet Möglichkeiten, selbst aktiv zu werden, etwa in Regional- oder Fachgruppen.
– Der Bund freiberuflicher Hebammen stellt auf seiner Internetseite Informationen für freiberuflich tätige Hebammen bereit. Im Bereich „Eltern“ findet sich Wissenswertes zu Hebammenleistungen, Schwangerschaft und Geburt. Auch eine Hebammensuche steht zur Verfügung.
– In dieser Broschüre der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung finden sich ausführliche Tipps und Informationen rund um die Themen Schwangerschaft und Geburt.
– Sie sind schwanger und arbeitslos? Die Interessengemeinschaft Sozialrecht hat in einem Ratgeber nützliche Informationen zum Thema zusammengestellt.