In Deutschland aufgewachsen: Zwei Adoptivkinder auf Spurensuche in Vietnam: „Ich will wissen,...

In Deutschland aufgewachsen: Zwei Adoptivkinder auf Spurensuche in Vietnam: „Ich will wissen, was das für Menschen sind“

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Auf diese Reise haben Clara und Nhan Ellguth lange gewartet: Für die beiden Teenager, die in Vietnam geboren wurden und als Adoptivkinder in Deutschland aufwuchsen, geht es das erste Mal in ihre alte Heimat. „Ich hoffe, dass ich in Vietnam meine leibliche Mutter und meine Geschwister kennenlerne“, sagt Clara. Ihre leibliche Mutter übergab das 12 Monate alte Mädchen vor 17 Jahren aus Armut in die Hände von Oda und Dirk Ellguth. Für das Paar aus dem Teutoburger Wald, das selbst keine Kinder bekommen kann, ging damals der größte Wunsch in Erfüllung. Ungewöhnlich bei der Adoption von Clara war, dass die Mutter ihnen ihr Kind persönlich übergab – ein schwerer Moment, weiß Oda Ellguth: „Die Mutter trug an dem Tag so einen gelben Anzug mit weißen Pünktchen. Es waren unheimlich viele Menschen auf der Straße unterwegs. Und ich habe mit meinen Augen so lange es ging diesen gelben Punkt verfolgt und immer nur gedacht: ‚Oh Gott, sie muss jetzt nach Hause gehen und den Geschwisterkindern sagen, dass sie Baby Hang abgegeben hat.‘ Das hat mir das Herz gebrochen. Bei aller Freude, das Kind im Arm zu haben.“

mutter-claraClara sagt, sie sei ihrer Mutter im Nachhinein sogar dankbar dafür: „Ich habe großen Respekt, dass sie das übers Herz gebracht hat. Ich weiß, dass sie es getan hat, damit es uns allen besser geht.“ Der kleinen Clara war die Eingewöhnung in ihrer deutschen Familie und dem fremden Land leicht gefallen. Neugierig und aufgeweckt entdeckte sie die Welt. Und so entschlossen sich die Ellguths nach einem Jahr, ein weiteres Kind zu adoptieren, damit Clara nicht alleine bleibt.

Zweites Adoptivkind macht Familie komplett

Im September 2001 reiste das Paar erneut nach Vietnam, um den Jungen abzuholen. Sie wüssten nur, dass er 17 Monate alt ist und seit seinem sechsten Lebenstag im Kinderheim lebe, so Dirk Ellguth vor der Abreise. Im Kinderheim von Ho Chi Minh City wurde ihnen Nhan übergeben. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er die meiste Zeit seines Lebens in einem Gitterbett verbracht, war schwer traumatisiert und hatte eine schwere Infektionskrankheit auf dem Kopf. „Damals sagten uns die Ärzte, dass er sowohl eine geistige, als auch eine körperliche Beeinträchtigung hat“, erinnert sich Oda Ellguth.
In Deutschland angekommen, hatte es der kleine Nhan nicht leicht, bekam oft Albträume, schrie stundenlang. „Die ganze Pflege, die dazugehörte, das Schaukeln und von einem Arzt zum anderen, das hat uns schon sehr belastet“, sagt Vater Dirk.

Doch Nhan erholte sich langsam und stetig. Die größte Hilfe war für ihn seine Schwester Clara, die ihm nicht von der Seite wich. „Clara war die, die mich immer hochgezogen und mitgezogen hat. Sie hat mich immer an die Hand genommen und mich mitgeschlürt. Sie hat mir auch viele Dinge beigebracht“, erzählt der inzwischen 17-Jährige. Und mit der Zeit ist auch Nhan immer selbstbewusster geworden. Clara und Nhan entwickelten sich gut zusammen, waren gute Schüler und fühlten sich in Deutschland und bei ihrer Familie zu Hause. „Das ist ja nichts Besonderes, nur weil wir adoptiert sind. Das fragen nämlich immer alle. Aber das ist ja praktisch, als wäre man in die Familie rein geboren, wenn man als Baby da rein kommt. Als wäre es meine leibliche Familie. Und dann ist das auch nichts Schlimmes“, sagt Clara. Die Ellguths hielten über all die Jahre Kontakt zu Claras Mutter, bis sie sich schließlich selbst anfingen, Briefe zu schreiben und Fotos zu schicken. So weiß die 17-Jährige inzwischen auch von mehreren Geschwistern.

Reise ins Geburtsland als Teil der Identitätsfindung

Dieses Glück hat ihr Adoptivbruder Nhan nicht. Er kennt nur den Namen seiner Mutter, die ihn direkt nach der Geburt abgegeben hatte. Der kleine Junge kam ins Waisenhaus – das hinterließ viele Fragen bei ihm. Trotzdem ist Nhan sehr gespannt auf die Reise und das, was ihn dort vielleicht erwartet. „Ich würde gerne mal das Waisenhaus sehen, in dem ich über ein Jahr gelebt habe“, sagt Nhan. Für ihn gehöre das ebenso zur Identitätsfindung.

Bald werden Nhan und Clara ihr Heimatland kennen lernen, darauf haben sie viele Jahre gewartet. Vor ihnen liegt ein großes Abenteuer, wenn sie sich auf Spurensuche zu ihren Wurzeln begeben. stern TV ist mit der Kamera dabei: nächste Woche in Teil 2.

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