Ob beim Online-Shopping oder im Geschäft – je nach Marke und Hersteller fallen Hosen, Shirts und Blusen völlig unterschiedlich aus. Mal passt eine Hose in Größe 38 perfekt, dann aber sitzt eine 42 wiederum wie angegossen. Und so hat frau nicht selten drei oder vier verschiedene Konfektionsgrößen im Schrank hängen – und alle Klamotten passen. Aber welche Größe hat man dann wirklich? Wieso ist auf die Konfektionsgrößen kein Verlass?
Eigentlich gibt es für die Festlegung der Konfektionsgrößen für die Kleidungsindustrie eine Richtschnur, die das Textilforschungsinstitut Hohenstein entwickelt hat: die so genannte „Size Germany“. Dafür wurden 13.000 Menschen aus Deutschland millimetergenau vermessen und gescannt – und danach die Konfektionsgrößen festgelegt. Doch „diese Größentabellen sind nicht verpflichtend“, bedauert Stephanie Brenner vom Institut Hohenstein. Es sei kein Muss für die Hersteller, sich nach der Tabelle zu richten. Selbst die EU scheiterte bisher an einer verbindlichen Festlegung einheitlicher Größen. Stattdessen wurden Verordnungen zum Krümmungsgrad von Gurken oder zum Durchmesser einer Pizza Napoletana erlassen…
INFO Deutsche KonfektionstabelleDeutsche Konfektionstabelle für Hersteller nicht maßgeblich
Aber was bedeutet das Größen-Wirrwarr für die Verbraucher? Um das zu überprüfen haben wir zwei Frauen einkaufen geschickt: Franziska Maisack, die gemäß Konfektionstabelle exakt Größe 38 hat, und Andrea Hagmann mit der Kleidergröße 42. Andrea sollte für sich passende Kleidung bei verschiedenen Firmen im Internet bestellen, wobei auffiel, dass viele Online-Shops Größe 42 gar nicht anbieten, sondern die Kleidung nach den amerikanischen Lettersizes XS, S, M, L und XL ausweisen. Die „Size Germany“ definiert die Lettersizes so: 36-38 = Größe S, 40-42 = Größe M. Analog zu Andreas Größe 42 wurde bei Tchibo M empfohlen, bei Takko M oder L, bei Marco Polo L und bei S. Oliver sogar XL! „Das ist nicht so angenehm, wenn es heißt: Es geht nur bis XL, und ich habe dann quasi die größte Größe“, findet Andrea.
Franziska erlebte beim Einkaufen in den Geschäften ganz Ähnliches: Von den Kleidungsstücken in ihrer Größe 38 passten ihr manche gut, andere aber überhaupt nicht. Zu groß, zu weit – und bei den Hosen, sowohl den teurer als auch den preiswerten – half auch ein Gürtel nicht.
Hersteller haben eigene „Größen-Philosophie“
Die von den Frauen eingekauften 22 Kleidungsstücke wurden anschließend im Textilinstitut genau vermessen. Kaum ein Teil entsprach der „Size Germany“, egal ob teuer oder günstig. „Man kann nicht sagen: Nur weil das eine teure Marke ist, haben die bessere Passformen als Takko oder KIK. Da war ich echt erstaunt“, sagt Andrea Hamann.
Die Hersteller haben offenbar ganz eigene Philosophien, wie sie ihre Kleidungsstücke mit den Größen auszeichnen. Einige zeichnen sie bewusst kleiner aus, um „Schmeichelgrößen“ zu erreichen. Jemand der normalerweise Größe 44 trägt, könnte bei diesem Hersteller also in eine 42 oder gar 40 passen. Gerade Frauen dürfte das glücklich machen und dort weiter einkaufen lassen. Die amerikanischen Lettersizes scheinen nur ein grobes Richtmaß zu sein – und lassen den Textilherstellern viel Interpretationsspielraum. Diese Erfahrung dürfte jeder schon einmal gemacht haben. Und einige Hersteller verwenden aus Traditionsbewusstsein oder mit internationalem Vertrieb einfach ihre eigenen Konfektionsgrößen.
Und noch ein Kriterium spielt inzwischen eine Rolle: Das Image der Marke. Ein Hersteller, der hippe Mode für jüngere Kunden herstellt, möchte schlicht einfach keine Mütter oder Väter in seinen Klamotten. Oder ein Designer duldet mit seinen Schnitten bestimmte Figurtypen nicht. Hinzu kommt, dass viele Textilhersteller die Kleidungsstücke für den internationalen Verkauf fertigen lässt. Die Sachen werden also sowohl in Asien verkauft, wo die Menschen durchschnittlich kleiner sind, als auch in Europa. Südeuropäische Hersteller oder Modelabels passen ihre Kleidung zum Teil an die zierlicheren Maße ihres Landes an. Und so gab es beim stern TV-Testkauf zahlreiche Abweichungen von der Mustertabelle: 40 Prozent der gekauften Kleidungsstücke von Andrea Hagmann und Franziska Maisack – egal ob online oder im Geschäft gekauft, billig oder teuer – passten auch den Mustermodels im Institut Hohenstein nicht. Die Ungenauigkeiten sind demnach überall zu finden.
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