Badeunfall: Querschnittslähmung: Wenn ein Kopfsprung ins Wasser im Rollstuhl endet

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Dass er mit einem unbedachten Köpper in den Pool sein Leben riskiert hat, kann Adel Tawil noch immer nicht fassen. Der Sänger verletzte sich in seinem Ägypten-Urlaub im vergangenen Jahr derart schwer, dass es böse hätte enden können. Er stieß mit dem Kopf heftig an den Poolrand und brach sich vier Mal den ersten Halswirbel. „Ich habe schon gemerkt: Wow, das hat ganz schön geknallt!“, erzählt der 39-Jährige. Als er kurz danach ein starkes Ziehen im Nacken spürte und seinen Kopf nur noch in einer Position halten konnte, ließ er sich ins nahe gelegene Krankenhaus fahren. Er hatte verdammt Glück: Die Ärzte vor Ort stabilisierten seinen Nacken und rieten ihm zur sofortigen Rückreise nach Deutschland – liegend. Adel Tawil selbst habe die Lage zu diesem Zeitpunkt noch nicht besonders ernst genommen, sagt er. Doch: „Der deutsche Notarzt in der Maschine zurück hat mir dann gesagt, dass ich mich nicht mehr bewegen darf. Dass ich in akuter Lebensgefahr schwebe und es eine ernste Situation ist.“ Erst dann habe er realisiert, dass er wirklich schwer verletzt war. Sein Glück: Das Rückenmark war wie durch ein Wunder nicht verletzt worden, erklärt Chefarzt Dr. Roland Thietje vom Querschnittgelähmten-Zentrum in Hamburg: „Der Halswirbel ist quasi aufgesprengt worden und hat dadurch Platz gemacht für das Rückenmark. Wären Knochenteile in das Rückenmark gesprengt worden, wäre er vermutlich querschnittgelähmt.“ Eine Operation, die seine Stimmbänder gefährdet und Adel Tawil wohl seine Karriere als Sänger gekostet hätte, ließ sich noch abwenden. Dafür trug er monatelang eine Halskrause – ein langwieriger Heilungsprozess.

INFO Unfälle vermeiden

In der Klink traf Adel Tawil auch den Finn Gerken, der ihm noch einmal vor Augen führte, wie sein Badeunfall hätte ausgehen können. Der Teenager hatte sich den vierten Halswirbel gebrochen und konnte sich zu Beginn der Reha kaum noch bewegen. Aber er hat tapfer gekämpft: „Ich habe mir gesagt: Ich will zu zwei Dritteln daran arbeiten, im Rollstuhl gut klar zu kommen. Und zu einem Drittel, dass ja noch etwas wiederkommen kann von den Fähigkeiten“, sagt der 16-Jährige.

Finn Gerken ist mittlerweile wieder zu Hause bei seinen Eltern in Achim bei Bremen. Er kann seine Arme wieder bewegen und hat dadurch einiges an Selbständigkeit zurückerlangt. Der Tag, der sein Leben für immer veränderte, liegt noch nicht einmal ein Jahr zurück: In seinem Badeurlaub in Bulgarien wollte er eines Abends nur noch einmal schnell ins Meer. Er lief hinein, stolperte und stürzte. „Dann trieb ich kopfüber im Wasser und konnte meine Arme und Beine nicht mehr bewegen“, erzählt der 16-Jährige. Dabei sei der Kopf überstreckt worden und es zu einer Zerreißung der Bandstrukturen zwischen einzelnen Halswirbelkörpern gekommen, so dass sie verrutschen und in den Rückenmarkskanal eindringen konnten, erklärt Roland Thietje vom Querschnittgelähmten-Zentrum.

Der aktive junge Mann, der immer in Bewegung war und sich bei der Freiwilligen Feuerwehr engagierte, war plötzlich für immer gelähmt.

Je nach Höhe der Verletzung, stirbt man noch am Unfallort

Von einer durch Kopfsprung verursachten Querschnittlähmung sind vor allem junge Männer betroffen. Dabei ist der Sprung in unbekannte Gewässer der häufigste Grund unter den sportbedingten Unfällen, die zu einer Querschnittlähmung führen. Besonders tragische Verletzungen betreffen dabei die Halswirbelsäule, die dann zu einer sogenannten Tetraplegie führen. Dabei können die betroffenen Patienten beide Arme und Beine gar nicht oder nur teilweise bewegen. In den meisten Fällen ergibt sich eine lebenslange Rollstuhl- und erhebliche Pflegeabhängigkeit. Besonders häufig sind junge Männer betroffen. So auch Sasa Blagojevic. Wasser war sein Leben: Er liebte Wasserski fahren und wollte professioneller Turmspringer werden. Bei einem Sprachurlaub auf Malta sprang er regelmäßig von einer Klippe ins Meer. Nur ein einziges Mal sprang er von einer anderen Stelle ab: „Ich bin einfach zwei-drei Meter weiter nach links gegangen und habe vorher nicht geguckt“, so Sasa Blagojevic. „Ich bin wie immer mit dem Kopf ins Wasser gesprungen und habe in der Luft schon gesehen, dass das Wasser doch nicht so tief ist. Ich bin mit dem Kopf komplett auf den Felsen geknallt. Als ich dann schwimmen wollte, habe ich gemerkt, dass ich Arme und Beine überhaupt nicht mehr bewegen konnte.“

Das müssen Sie beim Baden in F… Die wichtigsten Fragen und Ant… (2115341)Seine Mutter Enesa Zöller bekam daraufhin einen unvergessenen Anruf: Ihr Sohn habe einen schweren Unfall gehabt und sei querschnittgelähmt. Er werde nie wieder laufen können. „Der schlimmste Moment meines Lebens. Sowas ist unbeschreiblich“, sagt die Mutter. Sasa Blagojevic erinnert sich: „Man hatte mir gesagt, es gäbe keinerlei Hoffnung, dass ich noch etwas an Funktionen zurückerlangen werde.“ Er werde wahrscheinlich ein Leben lang mit einer Sauerstoffmaschine beatmet bleiben, nicht mehr sprechen können, vielleicht nur noch die Augen bewegen können. Dr. Roland Thietje erlebt solche Tragödien beinahe täglich in seiner Klinik: „Bei den Badeunfällen passiert im Grunde immer das Gleiche: Ein Mensch läuft oder springt in ein Gewässer, das ihm nicht wirklich bekannt ist und wo die Tiefe nicht ausreichend ist, so dass er mit dem Kopf irgendwo aufprallt, ihn überstreckt oder überbeugt. So kommt es zu einer Kompression eines Halswirbelkörpers und im Anschluss daran zu einer Verletzung des Rückenmarks.“ In kritischen Fällen, bei Verletzungen weit oben der Wirbelsäule, könne das auch tödlich enden, da die Atmung ausfällt. Manchmal noch am Unfallort.

Für Sasa Blagojevic kam es nicht so verheerend, wie vorausgesagt. Der Unfall ist neun Jahre her und Sasa Blagojevic kann mit ein paar Hilfsmitteln einem normalen Job nachgehen. Der 25-Jährige arbeitet beim Schulamt in Rüsselsheim. Er sehr trotz aller Einschränkungen froh, „dass ich mein Abitur machen konnte, einen ganz normalen Job aufnehmen konnte und generell ganz aktiv am Leben teilnehmen kann.“

KASTEN Prävention

Finn Gerken mobilisiert seine Kräfte ebenfalls jeden Tag aufs Neue. Mittlerweile kann er am Rollator sogar ein paar Schritte gehen. Im Querschnittgelähmten-Zentrum in Hamburg traf er Adel Tawil nach einer emotionalen gemeinsamen Zeit wieder. Die Klinik-Mitarbeiter und seine Mitpatienten haben den Sänger so sehr beeindruckt, dass er dort schon zum zweiten Mal einen Benefizauftritt gab. „Wenn man die Stärke sieht, mit der manche Menschen damit umgehen – das ist für mich beeindruckend“, sagt der Sänger. „Finn ist für mich wirklich ein leuchtendes Beispiel dafür, was für Kräfte in uns Menschen stecken.“

Live bei stern TV sprachen Adel Tawil und Finn Gerken noch einmal über ihren Unfall

Wer ist? Adel Tawil

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