ZÜRICH – Schwarm-Finanzierungen liegen in der Schweiz im Trend. Von smarten Armbanduhren über Forschungsprojekte an Unis bis hin zu Publikationen wird alles Mögliche über Crowdfunding finanziert.
Immer wieder stehen Erfinder vor dem gleichen Problem: Sie haben eine Geschäftsidee, doch es fehlt an Geld. Etwa weil weder eine Bank noch Investoren sich von der Geschäftsidee überzeugen lassen.
Seit einiger Zeit gibt es eine Lösung: sogenanntes Crowdfunding, was sich mit «Schwarm-Finanzierung» übersetzen lässt. Das bedeutet, dass ein Unternehmer sein Produkt im Internet vorstellt. Er verspricht, es auf den Markt zu bringen, wenn insgesamt eine bestimmte Summe gespendet wird. Wird diese nicht erreicht, gibt es keinen Rappen. Das Geld geht zurück zum Absender.
Von Merci bis Statistenrolle als Geschenk
Daher locken die Unternehmer Spender mit Geschenken. Wer mehr gibt, bekommt mehr. Bei ein paar Franken etwa für eine neuartige Outdoor-Jacke gibts lediglich ein Dankeschön. Wer dagegen über 150 Franken für eine Film-Produktion spendet, darf als Statist mitspielen.
So sammelten im letzten Jahr 3000 solcher Crowdfunding-Kampagnen in der Schweiz 128,2 Millionen Franken. 2015 waren es noch 27,7 Millionen. Dies hat das Institut für Finanzdienstleistungen in Zug (IFZ) in einer jetzt vorgestellten Studie errechnet.
Über 100'000 Personen haben im vergangenen Jahr eine Crowdfunding-Kampagne unterstützt. Die Schweiz ist im Crowdfunding-Fieber!
Rekord-Finanzierungen für Schweizer Uhren und Magazine
Laut IFZ gibt es Stand April 50 Plattformen in der Schweiz. «Dazu kommen noch zahlreiche weitere, international ausgerichtete Plattformen ohne Niederlassung in der Schweiz», heisst es in der Studie. Etwa Kickstarter, die auf die USA ausgerichtet ist.
Auf der Plattform liess das Genfer Unternehmen Mykronoz eine Uhr finanzieren, die zwar echte Zeiger, aber auch ein Smartwatch-Display hat. Die Welschen wollten 50'000 Dollar einsammeln – und bekamen 5,3 Millionen. Nur 15 Kickstarter-Kampagnen bekamen mehr Spenden.
Manche Unternehmer schalten eine Kampagne einfach gleich auf ihrer eigenen Website auf. Etwa das Medienprojekt «Republik», das den Weltrekord für Medien-Crowdfunding knackte.
Immer mehr professionelle Investoren und Unternehmen
Die grösste Schweizer Plattform ist Wemakeit. Seit 2012 wurden 22 Millionen Franken für Projekte auf der Plattform gespendet. Die Erfolgsquote liegt laut Wemakeit bei 65 Prozent. Musik ist die stärkste Kategorie.
Die Swisscom unterstützt als Partnerin Nachwuchstalente mit einem Drittel der Finanzierungssumme. Die St. Galler Kantonalbank gibt gewissen Projekten eine zweite Chance, wenn sie es nicht über die Finanzierungsstelle schaffen.
Doch nicht nur private Erfinder nutzen Crowdfunding, sondern auch jene, die neben Ideen schon Geld haben, aber gerne Kunden enger an sich binden und das Risiko verteilen wollen.
So gibt es immer mehr Projekte von Studenten, die über Crowdfunding finanziert werden – etwa an der ETH. Das Skigebiet Saas-Fee gab zwei Mal in Folge Schnäppchen-Saisonkarten über Crowdfundings aus. Der Verlag der Neuen Zürcher Zeitung liess ein Buch mithilfe eines Spender-Schwarms teilfinanzieren.
Professionelle Investoren könnten vermehrt ins Geschäft einsteigen. «Wir erwarten, dass sich zunehmend auch grössere Unternehmen im Crowdfunding engagieren», heisst es in der IFZ-Studie.
Steuerzahler finanzieren Brücke über Crowdfunding
Und auch die öffentliche Hand greift zum Crowdfunding. Steuerzahler finanzieren im Aargau eine Brücke über die Aare – aber nicht mit Steuer-, sondern mit Spendengeldern. Drei Aargauer Gemeinden liessen den Aare-Steg über Crowdfunding finanzieren.
«Das Crowdfunding hat gezeigt: Der Bürger ist bereit, in die Tasche zu greifen für eine Sache, die ihm direkt zugutekommt», sagt Jörg Kyburz (55), Geschäftsführer des Gemeindeverbandes Lebensraum Lenzburg Seetal. Die drei involvierten Gemeinden würden aber selbst mehrere Tausend Franken investieren. Man habe sich jetzt für ein Modell entschieden. «Wir hoffen, dass wir den neuen Aaresteg im Herbst dieses Jahres einweihen werden», so Kyburz.
Brücken, Bücher, Filme, Outdoor-Jacken: «In Bezug auf die Zahl aktiver Plattformen sowie der Diversität an Angeboten hat der Schweizer Markt im vergangenen Jahr gegenüber den führenden Ländern aufgeholt», heisst es in der IFZ-Studie.
Als Schwarm verleihen, als Schwarm Häuser besitzen
Und es wird immer bunter: Mittlerweile kann man auf Crowdlending-Plattformen Geld gegen Zins verleihen oder dabei helfen, eine Immobilie mitzufinanzieren und Eigentümer zu werden.