„So etwas habe ich in 30 Jahren noch nicht erlebt“, kommentierte Wilfried Krahwinkel vom Bund der Steuerzahler die Vorgänge im baden-württembergischen Landtag vergangene Woche. Dort war nämlich eine Entscheidung im Hauruck-Verfahren gefallen – eine Entscheidung in eigener Sache der Abgeordneten. Innerhalb von nur 72 Stunden – fast unbemerkt von der Öffentlichkeit – beschlossen die Abgeordneten des Landtags eine Neuregelung ihrer Altersvorsorge. „Ich hab es erst erfahren, als die Dinge beschlossen waren“, sagt sogar Winfried Kretschmann, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg.
Durch die Reform können die Abgeordneten künftig wieder die lukrative staatliche Pension in Anspruch nehmen, und das bringt ihnen üppige Altersbezüge ein. Dabei war erst im Jahr 2008 entschieden worden, dass sich die Abgeordneten selbst um ihre Altersversorgung kümmern und privat vorsorgen sollten, wie die Otto-Normal-Bürger eben auch. Bei der Erhöhung der Diäten 2011 wurden die monatlichen Bezüge um ein Drittel angehoben – von 4879 Euro auf 6247 Euro. Zusätzlich dazu gab es 1.500 Euro, um in die Eigenvorsorge einzuzahlen. Die staatlichen Pensionen entfielen. Der Bund der Steuerzahler lobte diese Entscheidung damals mit dem Tenor ’50 Jahre staatliche Luxusversorgung haben ein Ende.‘
Inzwischen sind die Diäten und der Zuschuss zur Altersvorsorge nochmal angehoben worden. Unterm Strich bekommen die Abgeordneten aktuell 9.295 Euro pro Monat.
Private Altersvorsorge für die Abgeordneten zu mickrig
Am Dienstag vergangener Woche präsentierten Die Grünen, CDU und SPD nun zwei Gesetzentwürfe, die die Bezahlung der Abgeordneten wieder neu regeln: „2008 gab es eine Parlamentsreform. Diese hat die Stellung des Landtags in einigen Punkten verändert. In der Altersversorgung hat sie aber – das sage ich sehr deutlich – überwiegend Murks produziert. Mit privaten Vorsorgeverträgen werden Versicherungen gefüttert, aber keine auskömmlichen Altersversorgungen hergestellt“, erklärte Hans-Ulrich Sckerl von den Grünen. Mit anderen Worten: Private Altersvorsorge ist gut für das Fußvolk. Für die Abgeordneten ist sie jedoch zu mickrig.
Die meisten Deutschen können nur davon träumen, mit monatlichen Einkommen von über 9000 Euro für ihr Alter vorzusorgen, doch den Abgeordneten reicht das offenbar nicht. „Es geht nicht um Selbstbedienung, sondern um eine angemessene finanzielle Ausstattung“, erklärte Nicole Razavi von der CDU. Die Abgeordneten wollen anstelle der normalen Rente also lieber wieder auf eine staatliche Pension zurückgreifen, denn: Ein Abgeordneter sitzt durchschnittlich 13 Jahre im Parlament. Würde er 13 Jahre lang den Höchstsatz in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, erwirbt er einen Rentenanspruch in Höhe von 813 Euro. Die neue staatliche Pension soll nach 13 Jahren 2475 Euro betragen. An den monatlichen Diäten soll selbstverständlich nicht gerüttelt werden.
Gesetz für mehr Geld im Eiltempo
Nur zwei Tage nach der Veröffentlichung der Pläne drückten die Abgeordneten aufs Tempo und bringen die Gesetzentwürfe in den Landtag ein. Sie stimmten darüber ab, ob sie diese Beschlüsse nicht noch schnell auf die Tagesordnung nehmen wollen. Wollen sie. Und sie stimmten darüber ab, ob sie die Gesetze schon am nächsten Tag beschließen können. Können sie: Nach 4 ½ Minuten und 7 weiteren Abstimmungen hatten die Abgeordneten zwei Gesetze, die ihre Finanzen neu regeln, auf den Weg gebracht. Auf eine zweite Beratung – wie sie sonst üblich ist – verzichteten sie. „Manche Gesetzesverfahren, die ziehen sich hin und ziehen sich hin. Nur in eigener Sache, da kann man offensichtlich sehr schnell entscheiden. Also innerhalb von 3, 4 Tagen“, so Wilfried Krahwinkel vom Bund der Steuerzahler.
Eine Höchstversorgung, von der Normalbürger nur träumen können
Live bei stern TV diskutierte Krahwinkel mit dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Baden-Württembergs Andreas Stoch. Wilfried Krahwinkel warf ihm „Selbstbedienung im Landtag“ vor. Andreas Stoch räumte Fehler in dem Verfahren ein. Zwar halte er die Entscheidung nach wie vor für „inhaltlich richtig“, so der SPD-Politiker: „Was das Verfahren angeht, war es aber falsch.“ Denn auch wenn der Haushalt vor der Tür stand und das der Grund für die zügige Entscheidung gewesen sei, so hätte man dieses in der öffentlichen Wahrnehmung heikle Thema öffentlich diskutieren müssen. Von einem Hauruck-Verfahren wollte Stoch aber nicht sprechen: „Für uns war es ein langer Diskussionsprozess, der aber nicht öffentlich war – und das ist das Problem.“ Dass nun aber von einer „Luxuspension“ gesprochen werde, sei falsch. Denn: Der Grund für die Diätenerhöhung 2008 sei die Umstellung vom Teilzeit- auf ein Vollzeitparlament gewesen. „Das Mehr an Geld wurde in der Gesetzesbegründung nie mit der Absenkung der Pension in Verbindung gebracht. Diesen Zusammenhang gab es nur in der öffentlichen Debatte“, so SPD-Mann Andreas Stoch bei stern TV.
Die Kritik bleibt dennoch berechtigt, meint Wilfried Krahwinkel: „Die behaupten, ihre Altersvorsorge sei zu gering. Das kann ich nicht verstehen.“ Immerhin kämen die Abgeordneten in den Genuss der Höchstversorgung – und das würden sich die meisten Menschen wünschen. „Jemand der 45 Jahre arbeitet, hat eine Eckrente von 1370 Euro. Nach acht Jahren im Parlament ist man da schon drüber.“
So sehen es wohl auch die meisten stern TV-Zuschauer, die nach der Diskussion auch im Internet heftig weiter debattierten. Immerhin geht die Neuregelung jetzt nicht mehr unbemerkt durch, denn nun sollen erstmal Experten die Altersvorsorge der Abgeordneten überprüfen, bevor sich der Landtag endgültig festlegt.