Jerry Seinfeld geht nie dahin, wo es weh tut. «Menschen wissen nie wirklich, ob sie Milch zu Hause haben», ist ein typischer Seinfeld-Spruch. Oder: «Ein zwei Jahre altes Kind ist wie ein Mixer ohne Deckel.»
Die Witze des Comedian drehen sich um alles und nichts, aber: «Ich wage mich nicht in Bereiche vor, die Probleme verursachen», sagte Seinfeld jüngst der «New York Times». Das könnten andere besser. «Ich kann dafür über Rosinen reden so wie andere Menschen das nicht können.»
Seinfeld wird an diesem Montag (29. April) 65 Jahre alt, er ist längst «der große alte Mann des Stand-up» und ein «nationaler Schatz» der USA, wie der «Guardian» kürzlich schrieb – aber seine Themen bleiben die Kleinigkeiten des Alltags. «Ich mache viel über den Stuhl. Ich finde den Stuhl sehr lustig. Das beflügelt mich. Niemand interessiert sich dafür – aber ich sorge dafür, dass die Menschen sich dafür interessieren. Das ist für mich ein spaßiges Spiel. Und die ganze Basis meiner Karriere.»
Seinfelds Witze begeistern immer noch viele Menschen, wirken aber gleichzeitig wie fest in den 90er Jahren verhaftet. Während der Comedian weiter am liebsten über Stühle und Rosinen witzelt, sprechen viele seiner Kollegen offen konfliktbehaftete Themen wie Politik an oder beschäftigen sich in ihren Shows mit Diskriminierung, Rassismus oder Benachteiligung von Frauen.
Seinfeld beobachtet das und unterstützt viele Kollegen als Mentor. «Wir finden heraus, wie es geht, während wir es machen. Und das hat etwas sehr Stimulierendes und Bemächtigendes. Wir wissen nicht genau, was die Regeln sind.» Anders als die Branche um ihn herum ist Seinfeld aber bislang beim Altbewährten geblieben.
Seine Karriere begann schon in jungen Jahren, denn etwas anderes als Comedy wollte er nie machen. Geboren auf Long Island in der Nähe von New York in einem Städtchen namens Massapequa – «ein alter indianischer Name, der ‚in der Nähe des Einkaufszentrums‘ bedeutet» – wuchs Seinfeld in einer religiösen jüdischen Familie auf. Er studierte auch in der Gegend und trat schon währenddessen als Comedian auf. Danach tourte er durch die Comedy-Clubs von New York und bekam bald erste Auftritte im Fernsehen.
Ende der 80er Jahre entwickelte der Komiker dann gemeinsam mit seinem Kollegen Larry David die Sitcom «Seinfeld», die ein knappes Jahrzehnt lief, eine ganze Generation prägte und deren unzählige Wiederholungen im Fernsehen und online Seinfeld bis heute laut Wirtschaftsmagazin «Forbes» zum bestbezahlten Comedian der Welt machen.
Dabei ist Seinfeld eine «Show über gar nichts», da sind sich Erfinder und Kritiker einig. Vier Freunde auf der New Yorker Upper West Side, in deren Leben nicht allzu viel passiert, trockener jüdischer Humor – und ein Welterfolg, der bis heute Komiker und Comedy-Serien beeinflusst. «Tom’s Restaurant» – das Diner in Manhattan, wo die Freunde in der Serie oft abhängen – wird fast jeden Tag von «Seinfeld»-Fans bevölkert.
Seit dem Ende der Serie 1998 hat Erfinder Seinfeld, der verheiratet ist und drei Kinder hat, keine größeren Projekte mehr angenommen. Einen Zeichentrickfilm – «Bee Movie – Das Honigkomplott» – brachte er heraus und seit 2012 eine kleine Online-Serie, «Comedians in Cars Getting Coffee». Der Name ist Programm: Seinfeld, der alte Autos sammelt, fährt darin mit Kollegen durch die Gegend, trinkt Kaffee und witzelt. Auch der frühere US-Präsident Barack Obama war schon zu Gast.
All das sieht oft witzig und leicht aus, aber dahinter steckt harte Arbeit. Seinfeld sei der «Wissenschaftler der Comedy», schrieb der «Guardian». «Für einen Typ wie mich ist ein Lachen voller Information», sagt Seinfeld. «Das Timbre, die Form, die Länge – so viel Information.» Er studiert ausgiebig, was beim Publikum funktioniert und was nicht. Seine Berühmtheit helfe ihm auf der Bühne nicht, betont Seinfeld. «Niemand lacht deswegen. Am Anfang freuen sich die Menschen, aber sie können mich nicht anlügen. Ich werde es herausfinden.»
Für jeden Tag, an dem er neues Material geschrieben hat, macht Seinfeld ein Kreuz auf seinem Kalender, und fast jeden Abend steht der Comedian immer noch irgendwo auf der Bühne – angekündigt, wie auf seiner aktuellen Tour, die schon bis Ende des Jahres durchgeplant ist, oder unangekündigt. «Echte Komiker wollen jeden Abend auf der Bühne stehen.»