Pfaff: „Hoeneß und Breitner wie kleine Jungs“

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Runde 65 wird Jean-Marie Pfaff an diesem Dienstag. In den Herzen der Fans des FC Bayern hat der frühere Torwart immer noch einen festen Platz. Von 1982 bis 1988 trug Pfaff das Trikot der Münchner (156 Bundesligaspiele).

Von 1976 bis 1986 absolvierte er 64 Länderspiele im Tor der belgischen Nationalmannschaft. 

Das Highlight seiner Karriere: Das WM-Halbfinale 1986 gegen Argentinien in Mexiko. Belgien schied gegen Diego Maradona und Co. aus, doch Pfaff zählte zu den stärksten Keepern des Turniers.  

Seinen Ex-Klub trägt Pfaff nach wie vor im Herzen. Im SPORT1-Interview spricht er über seine Münchner Zeit, den Streit zwischen Uli Hoeneß und Paul Breitner sowie seine Nachfolger Oliver Kahn und Manuel Neuer. 

SPORT1: Herr Pfaff, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem 65. Geburtstag. Wie begehen Sie ihn?

Jean-Marie Pfaff: Wir feiern zu Hause in der Familie, mit meiner Frau, meinen drei Töchtern und den sechs Enkelkindern. Schon am Sonntag waren wir zusammen, haben Hummer und Muscheln gegessen und einen guten italienischen Wein getrunken. In meinem Leben stand für mich immer meine Familie an erster Stelle, dann erst kam der Fußball. 

SPORT1: In Deutschland verbindet man Ihren Namen mit dem FC Bayern. War die Zeit in München Ihre schönste als Sportler?

Pfaff: Überall, wo ich gespielt habe, hatte ich großen Erfolg. Für Bayern München zu spielen, war eine große Ehre. Dass ich das Bayern-Trikot tragen durfte, hat mich und meine Familie sehr stolz gemacht. Ich kam aus einem kleinen Dorf mit 10.000 Einwohnern nach München und habe dort sechs Jahre spielen dürfen. Es war eine sehr schöne Zeit, aber nicht immer leicht. München ist meine zweite Heimat. Mit Bayern habe ich viele Erfolge gefeiert, aber uns wurde nichts geschenkt, wir mussten uns den Erfolg hart erkämpfen. Trotz meines Fehlstarts im ersten Spiel in Bremen, in dem ich mir den Ball ins eigene Netz geboxt habe, haben mich die Fans nicht im Stich gelassen, sondern wahnsinnig unterstützt. Das vergesse ich nie. Es war damals außergewöhnlich, dass der Klub sich auf meiner Position einen ausländischen Spieler holte. 

SPORT1: Warum sind Sie nach Ihrem Karriereende nicht in München geblieben?

Pfaff: Ich wäre gerne geblieben, aber damals wollte man einen anderen deutschen Torwart. Dann hätte ich mich auf die Tribüne setzen müssen, und das wollte ich nicht. Mein Vertrag war damals noch ein Jahr gültig, und ich habe mich für den Abschied entschieden. Ich wollte kein Geld verdienen, ohne dafür etwas zu leisten. Das war ich auch den Bayern-Fans schuldig. Vor sieben Jahren habe ich mich bei Karl-Heinz Rummenigge als Torwarttrainer für den Nachwuchs angeboten. Daraus ist aber leider nichts geworden, obwohl ich dass sehr gerne gemacht hätte. Ich habe viel Positives und Negatives erlebt bei Bayern, auch mit meinen Kollegen. Man muss sich da sehr im Griff haben und seinen Mund halten. Ich habe gehofft, dass sie sich an mich erinnern und mir eine Chance geben, nach der Karriere etwas im Verein zu machen. Aber das ist nicht passiert.

SPORT1: Sind Sie enttäuscht, dass die Herren in der Chefetage nie an Sie gedacht haben?

Pfaff: Ein bisschen schon. Aber Rummenigge und Uli Hoeneß sind die Chefs und entscheiden. Ich habe mein Angebot ehrlich gemeint. Ich habe immer gesagt, was ich denke. Ich habe auch jedem seine Freiheit gelassen. Aber ich habe gespürt, dass man bei Bayern München auch Ideen braucht. Ich hätte einfach gerne meine Erfahrungen und Techniken an die jungen Torhüter oder die Trainer der Keeper weitergegeben. In einer Trainer-Akademie für Torleute hätte ich mir das sehr gut vorstellen können. Gemeinsam mit Sepp Maier. Das war mein Wunsch.

SPORT1: Was waren die Höhe- und Tiefpunkte Ihrer Bayern-Zeit? 

Pfaff: Spiele in Bremen, in Madrid oder die Meisterfeiern auf dem Marienplatz waren Highlights. Es gab auch einen ganz traurigen Moment. Raimund Aumann (sein damaliger Torwartkonkurrent beim FC Bayern, Anm.d.Red.) hatte behauptet, ich hätte ihn im Training geschlagen. Das stimmte aber nicht. Ich habe noch nie einen Menschen geschlagen. Nicht mal meinen Töchtern habe ich früher einen Klaps gegeben. Auch der „Wiggerl“ (früherer Mannschaftskollege Ludwig Kögl, d. Red.) und einige andere haben behauptet, dass ich Aumann geschlagen hätte. Aber ich schwöre, dass ich das niemals getan habe. Einige Kollegen haben sich damals zusammengetan, damit ich das Team verlasse. Das hat mir sehr weh getan, es war der traurigste Moment bei Bayern, weil Lügen erzählt wurden. Die Kollegen haben mich damals bei Hoeneß verleumdet. Ich musste dann zu ihm ins Büro und mich verteidigen. Ich weiß nicht, wem er geglaubt hat. Aber wenn ich es getan hätte, hätte ich es zugegeben. Ein Jahr später war ich dann weg. Viele bei Bayern waren damals scheinheilig. Sie lachten mir ins Gesicht und haben mir dann ein Messer in den Rücken gesteckt.  

SPORT1: Wie ist heute Ihr Verhältnis zu Rummenigge und Hoeneß?

Pfaff: Wir haben ein ganz normales Verhältnis. Wir grüßen uns, wenn wir uns sehen und sagen Guten Tag. Es ist herzlich, aber ich sehe sie nicht mehr so oft. Ich darf aber jederzeit in die Bayern-Loge kommen. Mit Aumann habe ich auch wieder einen ganz normalen Kontakt.  

SPORT1: Wie sehen Sie heute den FC Bayern? Es gibt einige Probleme… 

Pfaff: Ich finde die Reaktionen etwas übertrieben. Man weiß, dass der neue Trainer Niko Kovac eine neue Taktik verfolgt und andere Möglichkeiten probiert. Ich glaube weiterhin, dass Bayern München diese Saison noch an der Spitze mitspielt. Die Punktverluste bei den Heimspielen sind bitter. Aber da muss der Verein ruhig bleiben. Sie kommen zurück, und ich glaube an den Trainer. Im Mai sind sie wieder da, wenn die Pokale vergeben werden. Wenn alle gesund bleiben, dann glaube ich nicht, dass Bayern München noch viel verliert. 

SPORT1: Auf der Mitgliederversammlung hat Uli Hoeneß zum ersten Mal Kritik und Pfiffe gegen seine Person ertragen müssen. Was sagen Sie dazu? 

Pfaff: Ich habe natürlich mitbekommen, dass Paul Breitner und Uli Hoeneß sehr zerstritten sind. Sie sollen sich wieder an einen Tisch setzen. Einen Streit trägt man normalerweise nicht nach außen, sondern im inneren Kreis aus. Jeder Mensch hat das Recht auf seine Meinung und darf sie auch äußern. Breitner stand immer für eine klare Meinung, und das ist auch gut so. 

SPORT1: Hoeneß hat Breitner den Platz auf der Ehrentribüne gestrichen. 

Pfaff: (lacht) Was soll denn das? Wie kleine Jungs. Beide sollen wie Männer offen miteinander reden. Paul Breitner wird man in München nicht vergessen. Den Platz zu streichen, ist nicht okay. Man sollte immer in den Spiegel schauen und sich fragen, wie man sich selbst verhalten hat. 

SPORT1: Manuel Neuer hat in den vergangenen Spielen ungewohnte Schwächen gezeigt. Wie sehen Sie ihn in der aktuellen Situation? 

Pfaff: Für mich bleibt er immer noch ein Riese im Tor. Aus einer Verletzung wieder auf dieses Niveau zurückzukommen, ist nicht einfach. Die schwache WM mit der Nationalmannschaft hat natürlich ihr Übriges dazu getan. Das hat Neuer sicher auch nicht geholfen, sein altes Selbstbewusstsein zu erreichen.

Wenn eine gute Mannschaft schlecht spielt, muss man als Torwart viel mehr antizipieren, was man vorher nicht tun musste. Diese Erfahrungen kann man erst machen, wenn es schwierig wird.

Aber Neuer ist weiterhin die Nummer 1. Durch eine Krise zu gehen, kann ihn auch stärker machen. Jetzt weiß er, wie sich das anfühlt. 

SPORT1: Ein ehemaliger Torwart wird als Nachfolger für Karl-Heinz Rummenigge ins Gespräch gebracht: Oliver Kahn. Wäre er für diese Position der perfekte Mann?  

Pfaff: Oliver kann das. Und wenn Hoeneß ihn vorschlägt, wird das Gewicht haben. Man sollte Kahn eine Chance geben. Die Ausstrahlung für so einen Job hat er auf jeden Fall. 

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