Berger kritisiert Audi-Teamwork

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Zehn von 18 Rennen der DTM-Saison 2017 sind nun gefahren und in der Tabelle geht es nach wie vor eng zu. Die Top 5 trennen nur 35 Punkte, die Top lediglich 52. An einem idealen Rennwochenende sind für einen Fahrer theoretisch 56 Zähler zu holen. Wohl dem, der da auf ein sicheres Pferd setzen kann. Bei Audi scheint man seine Zugpferde schon sortiert zu haben. In Moskau waren sie der erste Hersteller, der in dieser Saison offensichtlich Teamorder angewandt hat. Das stößt auf Kritik.

„Wir wissen, dass im Motorsport manchmal im letzten Rennen der eine Teamkollege dem anderen hilft“, meldet sich sogar DTM-Boss Gerhard Berger gegenüber der ‚ARD‘ zu Wort. „Wenn man aber schon zur Mitte der Saison Strategie-Spielchen spielt, um am Ende vorne zu sein, und dass auf Kosten des Sportes und der Sportler, dann ist das eine moralische Komponente. Ein Team muss mit sich selbst ausmachen, ob man so etwas dem Sport oder den Fahrern antun kann.“

Audis umstrittenes Vorgehen ist ein Schauspiel in zwei Akten. Am Sonntag lautete die Devise: ein Opfer fürs Team – der Leidtragende: Nico Müller. Denn den funktionierten die Ingolstädter kurzerhand zum Bremsklotz um.

„Bremsklotz“ Müller

Das Rennen war zuvor von einer frühen Safety-Car-Phase geprägt worden, die nur einigen Wenigen einen Vorteil brachte, weil sie früh beim Reifenwechsel gewesen waren. Da war Köpfchen gefragt. Denn ohne das Safety-Car wären Mattias Ekström und Rene Rast von Startplätzen zwei und drei in einer guten Ausgangslage gewesen. Ohne Müller wäre ein Herankommen in der Schlussphase schwierig geworden.

Also ließ man den 25-Jährigen bis drei Runden vor Schluss draußen, um das Feld vorne einzubremsen und den Kollegen zu erlauben, nach ihrem Reifenwechsel auf die Frühstopper auszuschließen. Als Gesamt-14. und von Startplatz 13 hatte der Schweizer kein Argument, um auf sein eigenes Rennergebnis zu pochen.

Zu den Frühstoppern gehörten Mercedes-Pilot Maro Engel, dem die Audi-Taktik den Sieg nicht nehmen konnte. Marco Wittmann hingegen konnte sich gegen Ekström nicht wehren und wurde dann auch noch in einen Kampf um Platz drei verwickelt. Am Ende wurde er nur Sechster.

Wittmann prangert an

„Als das Safety-Car kam, wusste ich, dass wir in einer sehr guten Ausgangsposition sein würden“, betont der BMW-Pilot seine Siegabsichten. „Aber leider haben wir nicht mit Audi und Müller gerechnet, die ihre Spielchen gespielt und ihn extrem lange draußen gelassen haben. Er hat teilweise sehr früh gebremst, auch auf der Geraden. Er hat uns geblockt, damit Ekström aufschließen konnte. Dadurch wurde unser Rennen zerstört. Das war sehr enttäuschend.“

Auch Engel ist aufgefallen, dass der Audi vor allem in den Kurven einbremste und auf der Geraden wieder wegzog. So soll er das Feld pro Runde zwei Sekunden eingebremst haben. „Es war sehr frustrierend, nicht an ihm vorbei kommen zu können“, sagt Engel. „Er hatte nichts zu verlieren – ich aber schon. Ich konnte nicht riskieren, dass wir uns berühren.“

BMW-Motorsport-Direktor Jens Marquardt sagt provokativ: „Ich bin stolz auf unsere Jungs. Sie sind großartige Fighter und echte Racer. Das kann man leider nicht von allen im Feld behaupten.“

Meisterschaftsplatz entscheidet

Teamwork-Variante zwei heißt: Möge der bessere gewinnen. Das wendet man teamtaktisch aber nicht auf die tatsächliche Pace im Rennen, sondern auf den Stand in der Meisterschaft an. Dass Mike Rockenfeller nämlich nach dem Rennen am Samstag schmallippig regierte, lag nicht daran, dass er nach seinem Unfall auf dem Norisring mit einem Bruch im linken Mittelfuß angetreten war.

Zwischen den Zeilen ließ er direkt nach dem Rennen verlauten, was er von seinem zweiten Platz hinter Markenkollege Rene Rast hielt: „Ich glaube, man hat gesehen wie schnell ich fahren konnte. Aber in der Meisterschaft steht Rene halt vor mir.“ Vor Moskau lag Rast auf dem Gesamtplatz fünf – 18 Punkte vor dem achtplatzierten Rockenfeller. Nach dem Rennen übernahm Rast zeitweise die Gesamtführung.

Der Rookie hob nach der Aktion die Hände: „Mike hat von hinten ordentlich Druck gemacht. Er hat sein DRS aufgebraucht, kam aber nicht ganz ran. Er hat schon versucht, vorbeizukommen. Unter Teamkollegen kämpft man aber nicht so hart wie gegen andere.“ Und auch Rockenfeller rudert am Ende wieder zurück: „Ich habe versucht, an Rene dran zu bleiben und ihn zu attackieren. Aber er war schließlich das kleine Bisschen schneller und ich habe es nicht hinbekommen, zu überholen.“

Sieger der Herzen

Es wäre eine schöne Geschichte gewesen, wenn der 33-Jährige, der außerhalb des Cockpits mit Krücken unterwegs war, sein Durchhaltevermögen mit einem Sieg hätte belohnen können. Das macht ihn auch bei Berger zum Sieger der Herzen:

„Rockenfellers Message war eigentlich klar: Ich hätte gewinnen können, aber habe nicht gewinnen dürfen. Das schmerzt einen Sportler wie mich sehr – vor allem wenn jemand sich so etwas mit einem gebrochenen Fuß antut und dann auch noch so toll meistert. Das tut doppelt weh.“

© Motorsport-Total.com

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