Rast: Der Anti-Verstappen wird zum Titelkandidaten

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Der ziemlich alte neue Stern am Motorsporthimmel musste über sich selbst lachen. René Rast kratzte sich am Drei-Tage-Bart, legte die Stirn in Falten und überlegte. „Ja, im letzten Sommer war das“, sagte der 30-Jährige dann schmunzelnd: „Da hatte ich die DTM eigentlich schon abgehakt.“

Zwei Tage später habe dann Audi angerufen, und der Aufstieg des Mindeners wurde doch noch eingeleitet – seit Sonntag ist Rast als Rookie nun plötzlich Spitzenreiter der Tourenwagenserie. Und Titelkandidat. Der Sieg im sechsten Saisonrennen auf dem Hungaroring habe bei ihm „Gänsehaut am ganzen Körper“ ausgelöst, sagte er dem SID: „Darauf habe ich meine ganze Karriere gewartet. Die jahrelange Arbeit hat sich endlich gelohnt.“

Erst mit 30 Jahren ins Rampenlicht

Sein Werdegang ist dabei ein fast schon romantischer Gegenentwurf zum modernen Motorsport. In Zeiten, in denen Teenager wie Max Verstappen und Lance Stroll in die Formel 1 und andere große Serien gehievt werden, tritt Rast erst mit 30 Jahren ins Rampenlicht. Qualität setzt sich durch.

Schon seit mehr als einer Dekade war der Ostwestfale in den verschiedensten Rahmenserien unterwegs gewesen. Er war damit meist Teil des Vorprogramms zur DTM, nah dran, aber eben nicht dabei. Rast fuhr im Volkswagen Polo Cup, im Porsche Carrera Cup und Porsche Supercup, im ADAC GT Masters – und gewann in all diesen Serien den Titel. Doch irgendwie hing er fest im Unterbau des Motorsports.

Dass da jemand schnell Auto fahren kann, war zwar auch Audi schon aufgefallen. „Eine Diskussion um René gab es bei uns schon ganz, ganz lange“, sagte Audis DTM-Leiter Dieter Gass dem SID: „Wir hatten ihn auch mehrmals getestet, aber in diesen Momenten waren andere, jüngere dann immer etwas stärker. Heute wünscht man sich, dass wir ihn früher geholt hätten.“

Völlige Umstellung war nötig

Denn Rast ist eindeutig kein normaler Rookie. „Es ist einfach beeindruckend, was der hier abreißt“, sagt Gass. Die jahrelange Erfahrung mit den verschiedensten Fahrzeugtypen helfe ihm enorm, allerdings schränkt der Gelobte ein. „Nur weil man in anderen Serien schon 300 Rennen absolviert hat, ist man nicht auch in der DTM sofort schnell“, sagt Rast: „Das Auto hier erfordert einen ganz anderen Fahrstil, ich musste mich völlig umstellen.“

Das gelang offensichtlich im rekordverdächtigen Tempo. Die ersten Punkte, das erste Podest, die erste Pole und der erste Sieg, all das kam an den ersten drei von insgesamt neun Rennwochenenden. Längst fährt Rast auf Augenhöhe mit den besten der DTM, am Sonntag in Ungarn schaltete er den schwedischen Routinier Mattias Ekström eindrucksvoll aus.

Gespräche über den Titel in seinem ersten DTM-Jahr findet Rast zwar „noch ein bisschen früh, oder?“. Allerdings ist der Audi das zur Zeit stärkste Auto, Rasts Leistungen sprechen zudem ebenso für sich wie ein Blick auf die Tabelle. Und das Nervenkostüm des alten Neulings scheint auch kein Problem darzustellen. „Der hat schon so oft erfolgreich um Meisterschaften gekämpft“, sagt Gass, „das ist für ihn nicht Neues.“

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