Ultrakreativ: Talking Heads-Frontmann David Byrne wird 65

Ultrakreativ: Talking Heads-Frontmann David Byrne wird 65

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Der allererste Auftritt der Talking Heads wirkt noch roh, unfertig – aber sie spielen zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Im Juni 1975 im legendären New Yorker Club CBGB als Vorband für die späteren Punkstars Ramones.

Sänger David Byrne ist damals gerade 23 Jahre alt, unbeholfen, ein musikalischer Sonderling. Doch der Ohrwurm «Psychokiller» wird zum Debüt-Hit der Talking Heads und die nervöse Energie, die losgelösten Emotionen und der gedämpfte Minimalismus zu ihrem Markenzeichen, jahrzehntelang verkörpert von Frontmann David Byrne.

Halb singt er, halb stößt er die Zeilen hervor, die das Innenleben eines Serienkillers beschreiben: «Don’t touch me, I’m a real live wire» (dt: Berühr mich nicht, ich stehe unter Strom). Erst später – damit werden die Talking Heads zu den Superstars des New Wave – tritt er mit ruckartigen Bewegungen, mal panisch, mal manisch, aber immer adrett mit weit aufgerissenen Augen auf und schafft es, das Lebensgefühl und die Verlorenheit der 80er Jahre in abstrakte Songs und einprägsame Videos zu packen.

Doch Byrne gestand in einem Interview des «Guardian» später: «Ich war nicht besonders glücklich. Ich war getrieben, besessen und gesellschaftlich isoliert, was am Ende gut war, weil ich deshalb daheim blieb und schrieb und an Platten arbeitete.» Am Sonntag (14. Mai) feiert der Wahl-New Yorker seinen 65. Geburtstag.

Byrne liebt Großstädte mit der Hingabe eines Vorstadtkindes. Geboren im schottischen Dumbarton und aufgewachsen in nordamerikanischen Vororten, genießt er die Hektik, Betonwüsten und Inspiration der Metropolen der Welt. Die Geräusche Londons zum Beispiel hätten ein Tempo von 122,86 Schlägen pro Minute, stellt er 2012 fest, als er als Artist-in-Residence in «A Room for London» die britische Hauptstadt für sich entdeckt – auf dem Fahrrad. Denn sowohl Klapprad als auch Tagebuch sind seit jeher auf allen Reisen dabei, schreibt der besessene Radler in seinem Buch «Bicycle Diaries». Beides gebe ihm Rückhalt.

Vielleicht ist es kein Wunder, dass Talking Heads-Hits wie «Once In A Lifetime» und «This Must Be the Place» um das Gefühl von Zuhause kreisen. Dem «Guardian» erklärte David Byrne später: «Ich denke, es ist eine Art zu fragen: Wer bin ich? Gehöre ich hierhin? Fühle ich mich hier wohl? Denn ein Haus ist nicht nur das Haus, in dem du lebst, sondern der psychologische Raum, den du für dich schaffst.» Ein Vierteljahrhundert nach der Trennung der Talking Heads 1991 scheint er diesen Raum für sich gefunden zu haben, mit einem breiten Werk an Musik, Fotographie, Texten und seinem Weltmusik-Label Luaka Bop.

Seit den 70er Jahren arbeitet er mit anderen Künstlern wie Brian Eno zusammen. Der Soundtrack für «Der letzte Kaiser» bringt ihm und Ryuichi Sakamoto einen Oscar ein. Byrne probiert immer wieder Neues aus: Ballettchoreographien, das Produktionsdesign für den Talking Heads-Film «Stop Making Sense» des kürzlich verstorbenen Regisseurs Jonathan Demme, und Entwürfe für öffentliche Fahrradständer für New York. Der Oliver Stone-Film «Wall Street» macht die Band 1987 einem breiten Publikum zugänglich. Im selben Jahr heiratet er die Kostümdesignerin Adelle Lutz. Sie lassen sich 2004 scheiden, haben eine gemeinsame Tochter.

Byrne bleibt ein Querdenker, der nicht wirklich singen kann – zumindest nicht im traditionellen Sinn: Er musste schon den Schulchor verlassen, weil er die Töne nicht traf. Daran hat sich nicht viel geändert. Dafür spielt er mehrere Instrumente und experimentiert mit den unterschiedlichsten Stilen – von Mambo über Blasmusik, Avantgarde und Funk bis hin zu Klassik.

Bis Ende April war sein jüngstes Rock-Musical über die französische Märtyrerin «Joan of Arc: Into the Fire» in New York zu sehen. Die Kritiker mäkelten, es sei träge und monoton; die «New York Times» fragte: «Ist es Ketzerei zu erwähnen, dass Heilige Langweiler sind?»

Mehr Erfolg hat immer noch seine erste Pop-Opera «Here Lies Love» (2013), in der er zusammen mit dem britischen Star-DJ und Musiker Fatboy Slim eine tanzbare Disco-Atmosphäre erschafft. Damit zieht er die Zuschauer geschickt in die Geschichte von Imelda Marcos hinein, der Disco-besessene Witwe des philippinischen Diktators mit den Tausenden von Schuhen. Die Produktion war in den Musical-Städten New York und London ausverkauft, nun läuft sie bis 18. Juni am Seattle Repertory Theatre.

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