Peking – China hat vor einem schweren Konflikt mit Nordkorea gewarnt. Zur Lösung des Streits forderte Aussenminister Wang Yi die USA und Südkorea auf, ihre Militärmanöver einzustellen, und appellierte andererseits an Nordkorea, seine Atom- und Raketentests auszusetzen.
Ein solcher Kompromiss werde helfen, «aus dem Sicherheitsdilemma herauszukommen» und wieder Gespräche über eine Beseitigung der Atomwaffen auf der koreanischen Halbinsel und Friedensmechanismen aufnehmen zu können, sagte Wang Yi auf einer Pressekonferenz anlässlich der Jahrestagung des Volkskongresses am Mittwoch.
«Beide Seiten sind wie zwei Züge, die beschleunigt aufeinander zufahren, ohne das einer der beiden bereit ist, aus dem Weg zu gehen», sagte Wang Yi. «Die Frage ist, sind beide Seiten wirklich bereit für einen Frontalzusammenstoss?» Es sei Chinas Aufgabe, rote Warnlampen aufleuchten zu lassen und beide Seiten zu bremsen. China wolle die Weichen so stellen, dass ein Zusammenstoss vermieden werde.
Es sei vor allem ein Konflikt zwischen Nordkorea und den USA. Aber als enger Nachbar spiele China eine «unentbehrliche Rolle», sagte der Aussenminister. «Atomwaffen werden keine Sicherheit bringen», sagte Wang Yi an die Adresse Pjöngjang und fügte offenkundig mit Blick auf die in Washington diskutierte Option eines Militärschlags hinzu: «Der Einsatz von Gewalt wird auch keine Lösung bringen.»
Scharfe Kritik übte Wang Yi an der angelaufenen Stationierung eines gegen Nordkorea gerichteten US-Raketenabwehrsystems in Südkorea. Das Überwachungs- und Frühwarnsystem «geht weit über die koreanische Halbinsel» hinaus, sagte Wang Yi zu den chinesischen Sorgen, dass damit auch chinesische Raketenanlagen überwacht werden können.
Die Raketenabwehr sei gegenwärtig das «grösste Problem» für die Beziehungen zwischen Peking und Seoul. China lehne das System entschieden ab. Die Aufstellung müsse gestoppt werden, um zu vermeiden, auf diesem «Irrweg» weiterzugehen, forderte Wang Yi. Südkorea schade sich damit nur selbst.
Trotz der Differenzen über Nordkorea und die Raketenabwehr äusserte sich Wang Yi insgesamt positiv über das Verhältnis zum neuen US-Präsidenten Donald Trump. Die Beziehungen seien auf gutem Wege. Er verwies auf das Telefonat zwischen Trump und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping im Februar, das den Kurs vorgegeben habe.
Nach anfänglich Irritationen über Trumps Umgang mit Taiwan hatte der neue US-Präsident darin bekräftigt, sich an die «Ein-China-Politik» halten zu wollen, wie Wang Yi hervorhob. Mit dieser Doktrin fordert Peking, dass kein Land offizielle Beziehungen zu der demokratischen Inselrepublik unterhalten darf, die Peking seit dem Ende des Bürgerkrieges in China 1949 nur als abtrünnige Provinz betrachtet.
China äusserte zudem die Hoffnung, dass die Europäische Union trotz des bevorstehenden Austritts Grossbritanniens weiter zusammenwächst und eine prosperierende Zukunft hat. Die Herausforderungen, mit denen Europa derzeit konfrontiert ist, seien eine Chance für die EU, «weiter zu reifen», sagte Wang Yi. China werde den europäischen Integrationsprozess weiterhin unterstützen. Chinas Partnerschaft mit der EU werde die «ökonomische Globalisierung» vorantreiben und dazu beitragen, eine «multipolare Welt» zu schaffen.