Paul Zipser hat in der NBA viel erlebt.
Der deutsche Nationalspieler stand im berühmten Madison Square Garden in New York erstmals in der Starting Five und spielte in den Playoffs bei den Chicago Bulls an der Seite von Dwyane Wade und Jimmy Butler.
Im zweiten Jahr warf ihn allerdings ein Ermüdungsbruch, der von den Bulls nicht entdeckt wurde, zurück – was schließlich zu einer Trennung mit Misstönen sorgte.
Nach einem abschließenden Abstecher ins spanische Burgos ist Zipser seit Sommer zurück beim FC Bayern München, wo er nach einem enttäuschenden WM-Sommer schnell in die Spur gefunden hat.
In der Bundesliga ist der Rückkehrer zweitbester Scorer seines Teams, nur knapp hinter US-Neuzugang Greg Monroe. Am vergangenen Sonntag gewann der Titelverteidiger das Topspiel gegen ALBA Berlin, Zipser steuerte neun Zähler bei.
In der EuroLeague sind die Leistungen der Bayern wechselhafter, vor dem Duell mit dem Tabellenletzten Valencia (Valencia Basket – FC Bayern Basketball ab 21 Uhr im LIVETICKER) hat München drei Siege und vier Niederlagen auf dem Konto.
Im SPORT1-Interview spricht der 25-Jährige über seine wechselhafte Zeit in der NBA, seine Zukunft beim FC Bayern und die Rolle von Uli Hoeneß, der am Freitag als Präsident abtritt.
SPORT1: Herr Zipser, Sie stehen mit Ihrem Team in der EuroLeague bei drei Siegen und vier Niederlagen. Wie beurteilen Sie die bisherige Leistung?
Paul Zipser: Im Moment trennt die Liga ein, zwei Siege, dann bist du ganz vorne oder weit unten. Bis jetzt sind alle noch ein bisschen am Suchen, wie sie spielen werden. Wir auch. Wir haben noch viele Verletzte, die über die Zeit dazu kommen. Dafür haben wir einen ganz guten Start erwischt.
SPORT1: Und wo wird die europäische Reise hingehen?
Zipser: Ich persönlich will die Playoffs erreichen. Auch im Team reden wir natürlich darüber. Das hat der Klub bis jetzt noch nicht geschafft. Unser Kader, unser ganzes Drumherum erlaubt es auch, dass wir das erreichen können.
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Zipser: „NBA war sicher kein Fehler“
SPORT1: Ihr Förderer Svetislav Pesic hat im SPORT1-Interview gemeint, Sie wären wieder da, wo Sie hingehören, und hat die These aufgestellt, dass Sie in Ihrer Entwicklung weiter wären, wenn Sie nicht in die NBA gegangen wären.
Zipser: Ich habe ihm sehr viel zu verdanken. In allen Trainingseinheiten und Spielen hat er mir sehr viel beigebracht. Wenn Sveti weiß, was wäre, wenn, dann ist das okay, aber letztlich auch nur eine Vermutung. Ich weiß, dass mir die NBA einiges gebracht hat. Ich weiß nicht, was es mir gebracht hätte, bei Bayern zu bleiben. Ich war damals super heiß auf die NBA. Es war sicher auch kein Fehler. Ich hatte gesundheitlich ein bisschen Pech. Wenn das nicht gewesen wäre, wäre ich höchstwahrscheinlich noch drüben.
SPORT1: Sie haben Ihr Verletzungspech angesprochen, im zweiten Jahr plagten Sie sich mit einem Ermüdungsbruch herum, den erst Ärzte in München entdeckten. Wie beurteilen Sie Ihre Zeit in der NBA?
Zipser: Es war ein erfolgreiches und sehr lehrreiches erstes Jahr und ein weggeworfenes zweites Jahr. Ich wollte da meine Reha alleine machen und nicht mit den Bulls. Das zeigt schon, wie wichtig es mir am Ende noch war, bei dem Verein zu spielen.
Darum gab es Streit mit den Bulls
SPORT1: Haben Sie sich gar allein gelassen gefühlt oder haben Sie gezweifelt?
Zipser: Zwischendurch schon. Es war ein zwiespältiges Gefühl. Man will seinem Verein, seinen Ärzten vertrauen und macht das auch über eine gewisse Zeit. Man erwartet von einem NBA-Klub ja auch gewisse Standards, die ich aus München so kannte.
SPORT1: Was war Ihr überraschendstes, coolstes und schlimmstes Erlebnis?
Zipser: Das Überraschendste war das erste Spiel im Madison Square Garden, als ich gestartet bin. Das waren die ersten Minuten, außerhalb der Garbage Time, in denen ich gespielt habe. Ich bin morgens in die Halle gekommen zum Shootaround. Ich habe gedacht, wir werfen ein bisschen, ich trainiere meine Sachen und dann setze ich mich wieder auf die Bank. Und dann komme ich in die Umkleide, will mir nur die Schuhe anziehen und dann steht mein Name in der Starting Five. Und ich denke mir nur so: ‚Hä? Da muss irgendwas falsch sein.‘ Das coolste Erlebnis waren die NBA-Playoffs. Und am schlechtesten war eben die Debatten mit dem medizinischen Stab.
SPORT1: Wie lief diese ab?
Zipser: In dem Moment, in dem ich schwarz auf weiß gelesen und auf einem Bild gesehen habe, dass ich einen Ermüdungsbruch habe – nachdem mir davor ja etwas anderes erzählt wurde –, gab es natürlich Streit. Das lief eben nicht richtig gut.
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Zipser: Haben Hoeneß viel zu verdanken
SPORT1: Uli Hoeneß‘ Amtszeit als Präsident endet am Freitag. Wie würden Sie seine Rolle, seinen Einfluss auf den FC Bayern Basketball beschreiben?
Zipser: Ohne ihn wäre kein Profi-Basketball beim FC Bayern da. Ohne ihn würde der FC Bayern niemals da sein, wo er jetzt ist. Er hat uns die Möglichkeit gegeben, in Erwägung zu ziehen, dass Basketball überhaupt ein Thema ist. Er hat Basketball ein paar anderen Sachen vorgezogen. Er ist doppelt dafür verantwortlich, dass wir hier sind und dafür, dass es so läuft, wie es läuft. Dass man es gesund aufbaut, was viele Vereine wahrscheinlich anders gemacht hätten und sich viele zwischendurch auch gewünscht hätten, was im Fußball auch immer wieder eine Diskussion ist. Es war einfach der richtige Weg. Wenn wir uns jetzt Jahr für Jahr steigern, auch wenn es mal ein schlechtes Jahr geben wird, wird man sehen, was Hoeneß richtig gemacht und für den Sport Basketball in Deutschland und Europa getan hat. Wir haben ihm sehr viel zu verdanken.
SPORT1: Was wird sich ändern, wenn er weg ist?
Zipser: Den Menschen an sich gibt es kein zweites Mal. Ich hoffe aber natürlich, dass sich weiter so gut gekümmert wird. Aber so wie es bisher gelaufen ist, hat der FC Bayern gesehen, dass der Basketball in München ein gutes Projekt ist, das auch sehr gut angenommen wird. Auch mit der neuen Halle, das ist doch sehr zukunftsorientiert. Sie werden eine sehr gute Lösung gefunden haben, damit es so weiter geht.
SPORT1: Wird der FC Bayern nicht nur die deutsche, sondern auch die europäische Spitze angreifen?
Zipser: Ich weiß nicht, wann genau, aber bin mir sicher, dass es das Ziel des Vereins ist. Da lasse ich mich sehr gerne überraschen, wie es läuft, wie es geplant ist. Ich traue es dem Verein auf jeden Fall zu. So wie sie es im Fußball gemacht haben. Sie haben sich stetig weiterentwickelt, verbessert, gute Entscheidungen getroffen. Warum nicht im Basketball auch?
SPORT1: Werden Sie dann ein Teil davon sein?
Zipser: Das ist noch fern derzeit. Es wird sich die nächsten Jahre zeigen. Ich bin froh, hier zu sein. Wenn ich etwas unterschreibe, habe ich immer vor, das zu erfüllen. Wenn der Vertrag also in zwei Jahren ausläuft, wird man sehen, wo der FC Bayern steht, wo ich selber stehe. Im Moment habe ich, außer der Deutschen Meisterschaft und den Euroleague-Playoffs, kein Ziel – die Nationalmannschaft mal ausgenommen.
SPORT1: Aber die NBA ist noch im Hinterkopf?
Zipser: Immer, wenn ich gefragt werde, denke ich kurz darüber nach, ob ich darüber nachdenken soll. Dann denke ich mir: Es bringt mir sowieso nichts. Ich bin immer noch ein Fan der Liga, auch wenn ich herausgefunden habe, dass einige Sachen nicht so gut laufen. Einige Sachen mag ich aber wirklich sehr. Wenn es so weit sein sollte, werde ich gründlich darüber nachdenken, auf was ich eigentlich wirklich Lust habe, und entscheiden.