Trainer-Legende Pesic: „Zipser gehört nicht in NBA“

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Pünktlich erscheint Svetislav Pesic zum vereinbarten Interviewtermin in einem Münchner Restaurant.

„Das Übliche?“. Die Mitarbeiter wissen, was die Trainer-Legende bekommt. München ist zu seinem Zuhause geworden. Zwischen 2012 und 2016 stand Pesic beim FC Bayern Basketball an der Seitenlinie, sein Sohn Marko ist Geschäftsführer des deutschen Spitzenklubs. 

Auch nach seiner Karriere wird der Lebensmittelpunkt von Pesic in der bayerischen Landeshauptstadt liegen. Zunächst gilt seine volle Konzentration aber noch dem FC Barcelona. Jenem Klub, dem im Sommer mit Nikola Mirotic ein Transfer-Coup gelang.

Für SPORT1 nimmt sich der bald 70-Jährige – Pesic hat am 28. August Geburtstag – viel Zeit. 

Im ersten Teil des Interviews spricht Pesic über die Offseason und die Ziele beim FC Barcelona, die Entwicklung des FC Bayern, seinen Rat an Paul Zipser und einem möglichen Abschied von Uli Hoeneß.

SPORT1: Herr Pesic, wie überzeugt man einen Spieler wie Nikola Mirotic, der zu den besseren europäischen Spielern der NBA gehörte, zu einer Rückkehr nach Europa?

Svetislav Pesic: Das war sehr einfach. Er hat die Entscheidung getroffen, wieder nach Europa zu kommen. Als sein Agent uns gefragt hat, haben wir uns überlegt, ob wir ihn überhaupt brauchen auf dieser Position. Mirotic ist natürlich ein sehr guter Spieler, aber ein Spieler macht keine Mannschaft. Ein Spieler kann eine Mannschaft zerstören. Nun ist er er aber nicht so ein Typ. Er ist eine sehr intelligente Person. Er wollte mit seiner Familie wieder zurück. Er hat sich seinen Traum von der NBA erfüllt. Er kommt nicht wegen des Geldes. Es kommen immer wieder Spekulationen. Sechs Jahre Vertrag, 70 Millionen… das ist Blödsinn. Jeder Mensch sucht neue Herausforderungen.

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Pesic: Spieler sollten länger in Europa bleiben

SPORT1: Aktuell scheint es einen Trend zu geben, dass immer mehr Spieler mit NBA-Erfahrung nach Europa wechseln oder dort bleiben, wie auch Greg Monroe zu den Bayern…

Pesic: Oder Omri Casspi, der zu Maccabi geht. Ich würde mir auch eine andere Entwicklung wünschen. Dass die europäischen Talente, die gedraftet werden, speziell die Zweitrundenpicks, nicht sofort Verträge der NBA-Teams akzeptieren. Ich würde mir wünschen, dass wir in Europa mit der NBA eine Lösung finden. Dass die Spieler in ihren jeweiligen Vereinen bleiben und sich entwickeln und reifen. Denn die Competition in Europa ist auf einem sehr hohen Level. Viele große europäische Spieler aus der NBA haben hier gespielt: Divac, Radja, Kukoc, Gasol. Auch Nowitzki hat in Europa angefangen.

SPORT1: Oder aktuell Luka Doncic.

Pesic: Genau. Auch Daniel Theis hat in Bamberg das Gefühl bekommen, wichtig zu sein. Ich wünsche mir auch, dass die besten europäischen Spieler nicht sofort in die NBA gehen. Es gab auch viele europäische Spieler, die nur ein Jahr dort gespielt haben und zurückgekehrt sind. De Colo, Jasikevicius, Teodosic – Top-Spieler, die dort nicht zur Art des Spiels gepasst haben.

Ziel mit Barca? Alles zu gewinnen

SPORT1: Sie haben bei Barcelona auch Alex Abrines geholt und eine sehr schlagkräftige Truppe zusammen. Wann würden Sie die Saison als erfolgreich bezeichnen? Was sind Ihre Ziele?

Pesic: Alles zu gewinnen.

SPORT1: Andernfalls ist es enttäuschend?

Pesic: Nein (lacht). Aber ich habe die Möglichkeit als Trainer, etwas zu gewinnen. Dann will ich versuchen, die Möglichkeit zu nutzen.

SPORT1: Viel gewonnen, zumindest auf nationaler Ebene, hat ihr Ex-Klub, der FC Bayern. Wie beurteilen Sie die Entwicklung?

Pesic: Der FC Bayern Basketball hat ein sehr großes Ansehen in Europa. Hier in Bayern einen neuen Klub zu installieren, ist unheimlich schwer. Bei allen Erfolgen, die der FC Bayern erreicht hat, auch in der Jugendarbeit – sie sind NBBL- und JBBL-Meister – sagt man in Deutschland: Das ist ganz normal (lacht). Aber das stimmt nicht. Alle Erfolge werden quasi schon erwartet. Unter dieser Atmosphäre lebt dieser Klub. Und das ist nicht einfach. Für die Spieler, für den Verein, für die Trainer. Irgendwas wird immer als normal angesehen. Aber wir wollen diese Erfolge auch ein bisschen genießen (lacht).

Die Basketball-Kultur muss sich entwickeln

SPORT1: Und mehr Anerkennung bekommen?

Pesic: Ja! Ich habe großen Respekt vor den sportlichen Erfolgen, vor der Jugendarbeit. Die neue Halle kommt im richtigen Moment. Das Management, das Ticketing, das Sponsoring, alles hat sich entwickelt. Der FC Bayern hat sich durchgesetzt. Sie haben Stabilität. Ich freue mich, dass ich ein Teil dieser Entwicklung war.

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SPORT1: Eine Entwicklung, bei der es auch zukünftig auf was ankommt?

Pesic: Uli Hoeneß hat recht mit dem, was er gesagt hat. Für Bayern ist es wichtig, die Meisterschaft zu gewinnen, sich im deutschen Basketball zu stabilisieren und eine Marke zu werden. Das sind sie schon. Sie müssen weiter investieren, ins Scouting, in Trainer, in Jugendarbeit. Dann ist alles möglich. Es geht darum, die Kultur des Basketballs in der Stadt und der Region zu entwickeln. Wenn ein Basketball-Spiel in der Euroleague parallel zu einem Fußballspiel der Champions League stattfindet, und beide sind ausverkauft, dann hast du gewonnen. Das muss dein Ziel sein. Dass die Leute sagen: Ich mag Fußball, aber ich bin Mitglied des FC Bayern, weil ich zum Basketball gehöre.

Irgendwie wird Hoeneß immer bleiben

SPORT1: Sie haben Uli Hoeneß angesprochen, dem die Basketball-Abteilung sehr am Herzen liegt.

Pesic: Wenn Uli Hoeneß damals nicht ins Gefängnis gegangen wäre, hätte Bayern einige Titel mehr geholt.

SPORT1: Gibt es dann Grund zu Sorge, wenn er aufhören sollte?

Pesic: Er hört nie auf. Er wird immer hier bleiben. Da bin ich mir hundertprozentig sicher. In welcher Rolle und in welcher Funktion, wird sich zeigen.

Zipser gehört nicht in die NBA

SPORT1: Auch die Bayern hatten einen turbulenten Sommer. Abgängen wie Jovic, Booker und Williams stehen Zugänge wie Monroe, Huestis oder Zipser gegenüber. Wie beurteilen Sie den Sommer beim FC Bayern?

Pesic: Einen Spieler wie Williams zu finden und überzeugen, hier zu spielen, ist nicht einfach. Aber noch schwerer ist es, solche Spieler zu behalten (lacht). Die Mannschaften, die sich darauf vorbereiten, Final Four zu spielen, bezahlen viel Geld. Aber Bayern hat eine sehr gute Mannschaft. Zipser ist wieder da, wo er hingehört. Er gehört nicht in die NBA. Als er mich damals informiert hat, in die NBA zu gehen, habe ich ihm gesagt: Du freust dich, aber ich freue mich nicht. Bleib noch ein oder zwei Jahre.

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SPORT1: Also glauben Sie, dass der Schritt zu früh kam?

Pesic: Ja, auf jeden Fall. Ich kenne ihn sehr gut. Er ist eines der größten Talente in Deutschland. Bayern München und Zipser haben für seine Karriere die beste Entscheidung getroffen. Er soll aufhören, über die NBA zu denken. Der FC Bayern ist für Zipser die NBA. Er muss sich hier durchsetzen. Er soll Bayern wie die NBA nehmen. Wenn er es irgendwann schafft, warum nicht. Oder er geht nach Barcelona in zwei Jahren (lacht).

SPORT1: Wäre er auf einem höheren Level, wenn er nicht in die NBA gegangen wäre?

Pesic: Da bin ich mir sicher.

Bayern kann die EuroLeague gewinnen

SPORT1: Kann der FC Bayern in den nächsten Jahren auch in der EuroLeague angreifen, vielleicht sogar den Titel?

Pesic: Auf jeden Fall. Aber es geht Step by Step. Jetzt ins Final Four zu kommen, wäre eine Überraschung. Keine Sensation, aber eine Überraschung. In die Playoffs zu kommen, wäre eine Message an alle anderen, dass Bayern im Kommen ist. Die Mannschaft hat Qualität und Erfahrung, um sich für die Playoffs zu qualifizieren. Und da ist alles möglich.

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