Geknickt stand Toto Wolff in seinem Retro-Outfit hinter dem brusthohen Holztisch in der Mercedes-Hospitality. Der erfolgsverwöhnte Teamchef kämpfte mit sich, erklärte nach dem Saison-Tiefpunkt ausgerechnet beim Heimrennen der Silbernen, er werde „keine Schlagzeile“ liefern – ein paar Fragen und Antworten später tat er es aber doch.
Der Österreicher sprach von einem „Armageddon-Wochenende“ für den dominierenden Formel-1-Rennstall der vergangenen fünfeinhalb Jahre. (SERVICE: Die Teamwertung der Formel 1)
Statt des durchaus möglichen Doppelsieges beim 200. Grand-Prix-Start entging das Team in Hockenheim nur dank nachträglicher Zeitstrafen gegen den Alfa-Rennstall einer kompletten Nullnummer.
Presse-Häme für Mercedes
Zwei Pünktchen holte der kränkelnde und im Regenchaos keineswegs fehlerlose Weltmeister und WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton, während Valtteri Bottas seinen Boliden in der rutschigen Zielkurve zerlegte. (SERVICE: Die Fahrerwertung der Formel 1)
Der Sieg wurde so Max Verstappen auf dem Silbertablett serviert, auch die Aufholjagd von Ferrari-Star und Lokalmatador Sebastian Vettel vom letzten Startplatz auf Rang zwei wäre ohne die Mercedes-Aussetzer nicht möglich gewesen.
Besonders die britische Presse kannte am Montag keine Gnade mit den Silbernen. Vom „Carmageddon“ schrieb die Daily Mail. Die Sun wertete mit einiger Polemik: „Alle im Team zogen sich 50er-Jahre-Outfits an – vielleicht wären sie nächste Woche in Budapest mit Clown-Outfits besser dran.“
Der seriöse Telegraph blieb in seiner Kritik zumindest sachlich: „Die amtierenden fünfmaligen Weltmeister sind stolz darauf, nichts dem Zufall zu überlassen, aber hier löste sich ihre Gelassenheit einfach in den launischen Verhältnissen auf.“
Wolff spricht Klartext
Wolff, der das Team im Stile eines modernen CEO zur Siegmaschine getrimmt hat, legte in seiner gewohnt kritischen Art den Finger in die Wunde.
„Wir müssen herausfinden, was falsch gelaufen ist“, erklärte der 47-Jährige und versprach: „Wir werden daraus lernen, das rational analysieren und alles aufschreiben, was falsch gelaufen ist. Alle Entscheidungen, die falsch waren und die wir nicht hätten treffen dürfen. Und dann müssen wir als Team weitermachen.“
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In seiner Wortwahl unterscheidet sich der Wiener kaum von anderen Teamchefs in der Formel 1 – die freilich sehr viel häufiger als Krisenmanager gefragt sind. Was Mercedes aber von Ferrari, Red Bull und allen anderen abhebt, sind die Stehaufqualitäten.
Mercedes hat Comeback-Qualität schon bewiesen
Im Vorjahr war die Stimmung bei den Silberpfeilen nach dem Qualifying in Hockenheim ähnlich gedrückt wie am Sonntag. Das Team hatte verwachst, Ferrari stand mit Sebastian Vettel auf der Pole Position und schien vom Speed her unantastbar. Letztlich gewann Mercedes aber tags darauf nicht nur das Rennen, sondern kehrte binnen weniger Wochen auch das Kräfteverhältnis um und fuhr vorzeitig beide WM-Titel ein.
Die Überzeugung, bereits beim Großen Preis von Ungarn (Formel 1, Großer Preis von Ungarn: Sonntag, ab 15.10 Uhr im SPORT1-Liveticker) zurückzuschlagen, vermittelte Wolff auch am Sonntag im nassen Hockenheim: „Wir können in Budapest zurückschlagen mit einem guten Ergebnis. Wir führen die Meisterschaft noch immer an und sind in einer guten Position. Das darf nicht vergessen werden.“