Der Tag, der für Schumacher alles veränderte

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Michael Schumacher ist aus der Öffentlichkeit verschwunden. Präsent ist der siebenmalige Formel-1-Weltmeister trotzdem – vor allem bei seinen Fans und Wegbegleitern. Sie leben heute in erster Linie von den Erinnerungen an ihn.

Es ist das, was ihnen geblieben ist, was der Öffentlichkeit geblieben ist. Vielleicht ist es ein kleiner Trost, dass Erinnerungen verblassen mögen, doch tief im Herzen für immer bleiben.

Eine schlimme Erinnerung aber ist jene an den 29. Dezember 2013. Ein Tag, der für Schumacher und seine Familie alles veränderte. Es ist ein so einschneidendes Ereignis, dass sich wohl jeder Schumi-Fan auch heute noch daran erinnern kann, was er an dem Tag gemacht hat.

Ein sonniger Tag in den französischen Alpen

Es ist ein sonniger Tag in den französischen Alpen. Traumhaft schön. Das Gebiet um den Wintersportort Meribel ist an diesem 29. Dezember wie gemalt für Skifahrer. Unter ihnen ist auch Schumacher, der fünf Tage später im familieneigenen Chalet seinen 45. Geburtstag feiern will. Schumacher ist ein sehr guter Skifahrer, nach einem schleppenden Start in die Ski-Saison hat es über Nacht geschneit, die Bedingungen am Berg Saulire sind gut, die Sicht ist es auch.

Schumacher kennt sich aus, er war schon oft hier, fuhr die Pisten in dem größten und teuersten Skigebiet der Welt hinunter, genoss die Zeit abseits des Trubels. Die Privatsphäre war Schumacher schon immer nicht nur wichtig, sondern heilig.

Die Trennung zwischen dem Sportler und Privatmann war eine rigorose, eine ohne Kompromisse.

Schumachers Helm zerbricht beim Aufprall

Meribel war seit Jahren im Winter ein Rückzugsort für ihn und seine Familie. Doch an diesem schicksalshaften Tag ist es der Ort, an dem sich sein Leben auf so tragische und verhängnisvolle Art und Weise für immer verändern wird.

Es ist gegen 11 Uhr, als Schumacher im Skigebiet oberhalb von Meribel in rund 2700 Metern Höhe in eine Tiefschneepassage fährt, zwischen den Pisten „Biche“ und „Chamois“. In dem unpräparierten Bereich fährt er gegen einen Felsen, den er nicht sehen kann, weil er vom Neuschnee bedeckt ist. Er wird in die Luft geschleudert und stürzt mit der rechten Seite seines Kopfes auf einen weiteren Felsen, der exakt 10,4 Meter – so ergeben es die Untersuchungen später – entfernt ist. Schumacher ist ausdrücklich nicht zu schnell unterwegs. Sein Helm zerbricht bei dem Aufprall trotzdem.

Um 11.07 Uhr geht der Notruf raus, die Bergretter sind sofort da. Wie Ersthelfer berichten, ist Schumacher noch bei Bewusstsein, aber verwirrt. Um 11.30 Uhr hebt der Rettungshubschrauber ab. In der Luft wird es dann immer dramatischer, es geht nur kurz nach Moutiers, danach fliegt der Rettungshelikopter aufgrund der schweren Kopfverletzungen ins Universitätsklinikum nach Grenoble. Um 12.40 Uhr kommt Schumacher dort an. Er liegt im Koma. Es folgt eine erste Not-OP.

Erst am frühen Nachmittag gibt es erste Berichte in französischen Medien zu Schumachers Skiunfall. Seine Pressesprecherin und Managerin Sabine Kehm bestätigt um 14.56 Uhr zunächst lediglich: „Michael ist bei einem privaten Skitrip in den französischen Alpen auf den Kopf gestürzt. Er wurde ins Krankenhaus gebracht und wird medizinisch professionell betreut. Wir bitten um Verständnis, dass wir über seinen Gesundheitszustand keine fortlaufenden Informationen abgeben können. Er trug einen Helm und war nicht allein. Bei seinem Sturz war keine weitere Person beteiligt.“

Gehirnerschütterung? Komplette Fehleinschätzung

Tourismus-Direktor Christophe Gernignon-Lecomte erklärt zudem, Schumacher sei nach seinem Unfall „geschockt, ein bisschen beunruhigt, aber bei Bewusstsein“ gewesen: „Es könnte möglicherweise eine Gehirnerschütterung sein, aber es ist nichts Ernstes.“

Eine komplette Fehleinschätzung. Während in Deutschland noch niemand etwas von der schlimmen Entwicklung ahnt, kämpft Schumacher bereits um sein Leben. Mit fortschreitender Zeit werden die Gerüchte und Einschätzungen dramatischer, von „nichts Ernstem“ über eine Kopfverletzung hin zu einem Schädel-Hirn-Trauma.

Chaos vor dem Krankenhaus

Vor der Klinik wird es von Minute zu Minute turbulenter, immer mehr Medien versammeln sich, es wird in den kommenden Wochen zum Epizentrum der Berichterstattung. Professor Gerard Saillant, Schumacher-Freund und hochkarätiger Experte für Hirnverletzungen, schafft es nur noch mit einem Polizeiaufgebot ins Krankenhaus. Parallel kommt eine Welle der Anteilnahme auf, die bis heute kaum abgeebbt ist.

Um 22.36 Uhr dann die Bestätigung durch das Krankenhaus: „Michael Schumacher hat ein schweres Schädel-Hirn-Trauma erlitten, das eine sofortige neurochirurgische Behandlung erforderte. Sein Zustand ist kritisch.“

Schumacher: Not-OP und künstliches Koma

Wie kritisch, zeigt sich endgültig am nächsten Morgen, als das Ärzteteam auf einer Pressekonferenz informiert. Schumachers Zustand: Außerordentlich ernst. Lebensgefahr. Weit verbreitete Verletzungen im Gehirn. Künstliches Koma. Später am Tag dann noch eine OP, ein Hämatom in der linken Hirnseite wird entfernt.

Immer im Mittelpunkt ist in diesen Tagen Kehm. Jahrelang war sie die Macherin an seiner Seite, koordinierte Termine und Anfragen, alles lief über sie. Die Arbeit mit Schumacher war immer tumultartig. Doch durch den Unfall erlangt sie von jetzt auf gleich weltweit Berühmtheit. Sie ist jetzt das Schutzschild für die Familie.

Schumachers Privatleben soll privat bleiben

„Anfangs habe ich nur funktioniert“, sagt Kehm. Doch irgendwann habe es die Überlegung gegeben, wie man mit der Situation umgehe: „Die Entscheidung wurde nach der Maxime getroffen, im Sinne von Michael zu handeln.“ Heißt: Schumachers Privatleben bleibt privat.

Was parallel zu Schumachers Überlebenskampf passiert, ist ein Tiefpunkt der medialen Berichterstattung. Viele vergaloppieren sich bei der Jagd nach neuen Wasserständen, Kehm muss immer wieder dementieren. Beschämend der Journalist, der sich als Priester verkleidet Zugang zu Schumachers Zimmer verschaffen will. Ein anderer gibt sich als Schumachers Vater aus. Eine unseriöse Berichterstattung zu Schumacher gibt es bis heute, die Familie geht rigoros dagegen vor.

Mahnung an die Medien

Es ist damals aber so schlimm, dass Schumachers Frau Corinna die Medien nach einer Woche auffordern muss, das Krankenhaus zu verlassen, damit die Ärzte ihrer Arbeit nachgehen können.

Schumachers Zustand ist in den Tagen rund um seinen 45. Geburtstag kritisch. Den Umständen entsprechend geht es langsam bergauf – wenn man das überhaupt so bezeichnen kann. Rund ein halbes Jahr später wird Schumacher aus dem künstlichen Koma aufgeweckt. Inzwischen setzt er seine Rehabilitation zu Hause fort. Neuigkeiten zu seinem Gesundheitszustand sind weiterhin spärlich.

Die Frage bleibt: Wie geht es Schumacher genau? Es ist keine sensationslüsterne Wissbegier, die zu dieser Frage treibt, es ist Anteilnahme. Doch Kehm weiß: Jeder Satz, jede Aussage würde weitere Nachfragen nach sich ziehen. Es wäre nie Ruhe. „Wir sind uns bewusst, dass das für manche Menschen schwierig zu verstehen ist“, sagt Kehm, „aber wir tun das in vollkommener Übereinstimmung mit Michaels Haltung und können uns nur für das Verständnis bedanken.“

Es gibt eine andere Frage, die nach dem Schicksal. Dass einer, der Formel-1-Autos ans Limit und auch darüber hinaus trieb, mit den PS jonglierte, durch Kurven pflügte, in seiner ganzen Karriere nur einen schweren Unfall hatte, sich für mehr Sicherheit einsetzte, sich mit den besten Fahrern der Welt anlegte und das auf dem höchsten aller Niveaus, sich bei einem Allerwelt-Skiausflug so schwer verletzte. Fakt ist: Es war am 29. Dezember 2013 eine Verkettung unglücklicher Umstände, wie die Ermittler bestätigten. Oder kurz gesagt: Pech. Unfassbares Pech.

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