Lage private LMP1-Kategorie: Warum Rebellion und SMP bestimmen

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Toyota mag das Geschehen in der „Supersaison“ 2018/19 der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) wie erwartet komplett bestimmen, doch dahinter geht es durchaus spannend zur Sache. Die privaten LMP1-Teams liefern sich einen durchaus ansehnlichen Kampf um den Titel „Best of the Rest“, nachdem auch die jüngsten Anpassungen in der Equivalence of Technologies (EoT) die Diskrepanz zwischen Hybriden und Nicht-Hybriden nicht zu schließen vermochte.

Die privaten LMP1 hatten während der WEC-„Supersaison“ bislang vor allem mit Negativschlagzeilen auf sich aufmerksam gemacht: Zwei Unfälle von BR1-Dallaras in Spa, die unsägliche Posse um die LMP1-Ginettas, TRSM, Manor und Korruption beim chinesischen Energiekonzern CEFC, und schließlich das Lupfen mitten auf der Geraden bei den 6 Stunden von Fuji. Doch sieht man darüber einmal hinweg, gibt es durchaus spannenden Sport. ‚Motorsport-Total.com‘ sprach mit mehreren LMP1-Privatiers in Fuji über ihre Hoffnungen und Sorgen jenseits der EoT-Diskussionen.

Rebellion Racing das Maß der Dinge

Rebellion Racing kam am besten aussortiert aus dem langen Winter zurück. Obschon der Entschluss zum Wiedereinstieg in die LMP1-Kategorie relativ spät gefallen war, haben sich die Rebellen als Speerspitze bei den Privaten etabliert. Durch die Toyota-Disqualifikation haben Gustavo Menezes, Thomas Laurent und Mathias Beche sogar einen Saisonsieg auf dem Konto stehen und waren nach Silverstone in der Weltmeisterschaft dicht am führenden Toyota dran, doch der Unfall von Menezes in Fuji war ein Rückschlag.

Rebellion hatte einen sehr starken Saisonstart, der aber durch die Disqualifikation des Fahrzeugs von Andre Lotterer, Neel Jani und Bruno Senna in Spa überschattet wurde. Nach dem Wechsel auf das High-Downforce-Paket kämpften die Rebellen in Silverstone mit einem fast unfahrbaren Auto, was unter anderem Senna zum Verhängnis wurde, der im Training einen schweren Unfall hatte.

Auf dem Fuji Speedway gab es dann den ersehnten Schritt nach vorn. Neel Jani erklärt: „Das Auto ist gerade in Highspeedkurven jetzt viel fahrbarer als vorher. Das Fahrzeug hoppelt weniger stark und liegt deutlich ruhiger. Das ist gegenüber Silverstone wirklich eine große Verbesserung.“ Das fiel auch Stephane Sarrazin aus dem SMP-Dallara #17 (Sarrazin/Orudschew/Issaakjan) auf: „Sie haben eine echt gute Balance handzahm gewordenen Rebellion R13 auf drei bis vier Zehntelsekunden pro Runde.

SMP Racing: Tempo hui, Zuverlässigkeit pfui

SMP Racing ist der erste Herausforderer für das Rebellion-Team. Die russische Mannschaft hatte schon die ganze Saison über einen guten Grundspeed, wurde aber immer wieder zurückgeworfen: Die Fahrfehler von Matewos Issaakjan in Spa und Le Mans, der Motorschaden bei Witali Petrow in Silverstone, die erneuten technischen Probleme bei beiden Fahrzeugen in Fuji, die einen möglichen dritten Platz gekostet haben.

Dennoch: Der SMP-Dallara von Jenson Button, Witali Petrow und Michail Aljoschin machte das ganze Rennen über Druck auf den Rebellion #1 von Lotterer/Jani/Senna, bis sie für zwei Runden zum Reparaturstopp kommen mussten – die Lichtmaschine hatte den Geist aufgegeben. Die Reparatur dauerte zwölf Minuten, der Kampf war entschieden.

„Wäre ihnen das nicht passiert, dann wäre es richtig eng geworden“, glaubt Jani. „Gerade Jenson war am Ende extrem schnell. Ich weiß nicht, ob sie uns geschlagen hätten, aber es wäre eine richtig enge Kiste geworden.“ Bei SMP ist man sich sicher, dass es noch geklappt hätte: „Wir hatten eine andere Strategie als sie und haben aufgeholt“, sagt Aljoschin enttäuscht, findet aber auch Grund zum Optimismus. „Wir haben an diesem Wochenende unglaubliche Fortschritte gemacht.“

Zuvor hatten sich die beiden Fahrzeuge ein Fernduell geliefert. Über Stunden hinweg blieb der Abstand konstant bei 20 Sekunden. Er war durch den Wechsel von Regen- auf Trockenreifen entstanden. Rebellion hat also vom reinen Speed her einen Gegner. Jani kann es nicht erwarten, sich mit den Russen ein echtes Duell zu liefern: „So schade, dass sie das Problem hatten. Ich hoffe wirklich, dass sie ihre Zuverlässigkeitsprobleme in den Griff bekommen, denn dann gibt es ein echtes Rennen zwischen uns. Und genau das wollen wir doch sehen!“

Woran es ByKolles fehlt

ByKolles und DragonSpeed kämpfen derzeit eine Liga darunter. Das ByKolles-Team hat gegenüber den anderen privaten LMP1-Rennställen, die mit Oreca- und Dallara-Chassis unterwegs sind, den Nachteil, das komplette Fahrzeug selbst entwickeln zu müssen. Dennoch kann man der Mannschaft von Colin Kolles eines nicht vorwerfen: Mangelnden Kampfgeist. Immer wieder kämpft das Team bis zu dem Punkt, an dem es endgültig nicht mehr geht.

James Rossiter saß in Japan erstmals seit Spa 2017 wieder in Enso-CLM P1/01. ByKolles hatte nach dem vierten Platz beim Saisonauftakt in Spa zwei Ausfälle in Le Mans und Silverstone zu verkraften, sah in Fuji aber wieder die Zielflagge. Wenn auch nicht ohne Probleme: Der Nissan-Cosworth-Motor verlor Ladedruck, weshalb Webb/Dillmann/Rossiter keine große Rolle in Japan spielten. Nissan bezifferte den Leistungsverlust auf 100 bis 150 PS, auf der Geraden fehlten 30 km/h. Aber auch hier galt: ByKolles biss sich durch.

Doch auch mit voller Leistung fehlt es momentan an Performance. Rossiter analysiert: „Es braucht Verbesserungen in vielen Bereichen. Wenn man mit einem selbst entwickelten High-Downforce-Paket fährt, wird es schwierig gegen die Orecas und Dallaras, die alle im Windkanal entwickelt worden sind.“

Es könne keine Wunderheilung erwarten, fährt er fort. „Es ist einfach eine Step-by-Step-Entwicklung. Man muss es runterbrechen auf die einzelnen Bereiche.“ Größte Schwachstelle ist seines Erachtens das Heck. „Da müssen wir mechanisch sehr zulegen, vor allem hinsichtlich der Reifennutzung. Und dann kommen natürlich Abtrieb und Effizienz obendrauf. Das müssen wir uns verbessern. Ich hoffe, dass ich dem Team mit diesem Einsatz ein paar Denkanstöße geben kann.“

DragonSpeed kämpft mit Fahrern, Ginetta mit dem Geld

Und dann wäre da noch DragonSpeed. Die Mannschaft von Elton Julian vertraut auf den Dallara BR1, der bei SMP sehr gut läuft, in Kombination mit dem Gibson-Motor, den Rebellion verwendet. Doch bislang war DragonSpeed chancenlos, weil mit Henrik Hedman ein Amateur auf dem Fahrzeug saß. In Japan wurde die Fahrerpaarung geändert: Ben Hanley, seit Jahren eine schnelle, feste Bank im Team, wurde LMP1-Rookie James Allen zur Seite gestellt. Für diesen stand natürlich erst einmal Lernen auf dem Programm.

Unklar ist weiterhin die Zukunft des TRSM-Rennstalls: Nachdem das CEFC-Sponsoring geplatzt war, versuchte Ginetta zunächst, den Einsatz aus eigener Tasche zu zahlen. Das führte zu einer Trennung von Motorenpartner Mecachrome und einem Wechsel auf AER-Aggregate. Doch in Fuji fehlte das angekündigte Fahrzeug erneut. Die Zukunft des Programms steht in den Sternen.

© Motorsport-Total.com

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