Ingo Zamperoni und Redaktion: Ein Lob an die ARD: So stark bereiteten die „Tagesthemen“ die Bayern-Wahl auf

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Es ist der Job der „Tagesthemen“ den Tag in Features, Interviews und Nachrichten aufzubereiten. Häufig gelingt das solide. So, dass es dem Zuschauer nicht auffällt, ob es jetzt eine gute oder schlechte Sendung war. Das ist eigentlich auch genau richtig, denn Information steht für die „Tagesthemen“ natürlich an erster Stelle. Selten gibt es den Fall, dass man die Kollegen für eine außergewöhnlich gute Sendung beglückwünschen kann. Am Sonntagabend nach der Bayern-Wahl war das so..

Der Redaktion und Moderator Ingo Zamperoni gelang es äußerst gut, Gesprächspartner zu finden, die etwas zu sagen hatten – und seinen Kollegen gelang es die Beiträge so mit den Nachrichten, Perspektiven und weiteren Stimmen zu durchmischen, dass sie sich konträr ergänzten und die ganze Vielfalt der möglichen Interpretationen nach der Bayern-Wahl zur Schau brachten. 

„Tagesthemen“: Dankbare Gesprächspartner aber auch eine gelungene Komposition

Bayern-Wahl-Ticker (Tag danach) 7.40Aktuelle Infos und Überblick über ausgewählte Statistiken gab es wie immer mit Jörg Schönenborn, so weit, so solide, so wichtig. Dazu gab es – ebenfalls solide – den Einblick auf die Parteien und die Stimmen der Spitzenkandidaten, die Sicht von CSU, den Freien Wählern, der SPD, der AfD, den Grünen und so weiter. Auch das, eigentlich nicht bemerkenswert – sondern Alltag. Bemerkenswert waren allerdings die Interviews – und wie das letzte Gespräch mit Robert Habeck zum eigenen Bayrischen-Rundfunk-Kommentar platziert wurde. Dazu gleich mehr.

Zunächst war da der Gesprächspartner Joachim Herrmann von der CSU, der überraschend selbstkritisch über den eigenen Umgang mit der Flüchtlingsthematik sagte: „Wir haben die Lage in der Flüchtlingspolitik deutlich verändert und verbessert. Wir haben aber auch besorgte Anfragen von Bürgern, die sagen: Ihr müsst mit den Abschiebungen vorsichtiger sein, manche sind halb integriert. Das ist ein diffuses Bild, wir haben Wähler in Richtung AfD wie in Richtung Grüne verloren. Es gibt da keine nur eindimensionale Analyse.“ Neben all den Dobrindts und Seehofers präsentierte die Redaktion hier einen Gesprächspartner, der ruhig und ohne Schaum vor dem Mund die Lage analysierte – und der dazu wohltuend zur Personalsituation meinte: „Ich diene dem Bürger, ich führe keine Diskussion über Posten. Das ist gerade eines der Themen, das die Menschen irritiert, wenn nur darüber gesprochen wird, wer welchen Posten bekommt.“

Habeck spricht vom Ende der Volksparteien

Berlin Hoch 3 zur Bayern-Wahl Söder SPD 19.17Nach einem weiteren Info-Block mit Stimmen von SPD, Berliner CDU und Seehofer sowie den Grünen, folgte dann SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, der zwar auch keine Antwort auf die Zamperoni-Frage gab, warum es die SPD nicht schaffe, klarzumachen, wofür die SPD steht, der dann aber eingestand, dass es zum Ende der Großen Koalition kommen könne, wenn nicht „Klima und Tonalität“ sich veränderten, wenn es nicht zu einem „neuen Regierungsstil“ komme. „Es sind sehr entscheidende Monate“, sagte Klingbeil.

Das Glanzstück der Berichterstattung gelang der Redaktion zum Schluss. Zamperoni führte zunächst ein Gespräch mit Grünen-Chef Robert Habeck, der neben den reflektierten Auskünften zur Grünen-Politik auch die These aufstellte, dass die Volksparteien es auch in Zukunft schwerer haben könnten. „Ich glaube, dass mit dem Einbruch der CSU heute das Erodieren der Unionsparteien begonnen hat, oder dass es sich weiter fortsetzt. Das statische Denken der Volksparteien wird weichen, die Volksparteien haben die Bindekraft nicht mehr. Ich hoffe, dass das auch jemand in der Union erkennt. Volkspartei ist das falsche Konzept, es ist nicht mehr zeitgemäß“, sagte Habeck.

Die Gegenstimme zu Habeck folgt im „eigenen“ Kommentar

Im Anschluss folgte dann der Kommentar von Achim Wendler vom Bayrischen Rundfunk, der wieder – konträr zu Habeck – komplett die gegenteilige These aufstellte. Er kommentierte: „Ein wunderbarer Tag für Endzeitbefunde, nämlich, die Bayern-Wahl 2018 als Ende der Volksparteien. Kann man schon lesen und hören. Aber es ist falsch.“ Wendler folgerte: „Ja, die CSU hat schlecht abgeschnitten. Aber warum? (…) Die CSU hat vor allem schlecht abgeschnitten, wegen eigener Fehler. Ein unbeliebter Spitzenkandidat, streitendes Führungspersonal, die Kanzlerin weder gestützt noch gestürzt, die falschen Themen gesetzt. Kurz: Die CSU ist momentan einfach nicht gut genug.“ Wendlers Fazit: „Das Gerede vom Ende der Volksparteien ist nur eine Ausrede.“

Mit diesem Kommentar entließen die „Tagesthemen“ ihren Zuschauer aus der Bayern-Wahl-Berichterstattung. Er war ein wunderbarer Gegenpunkt – ganz unabhängig ob man die Meinung teilt oder nicht – zu Habecks These zuvor. Was beiden gemeinsam war: Der Zuschauer war danach umfangreich informiert, er war differenziert in die verschiedenen Betrachtungsweisen der Ergebnisse mitgenommen worden – und, das Wichtigste: Die Sendung verdeutlichte in all ihren Facetten, dass es eben verschiedene Deutungen gibt, und die Analyse insgesamt damit vielschichtig und komplex ist. Es gibt nicht die eine Antwort. 

Die „Tagesthemen“ von Sonntagabend finden Sie hier in der Mediathek.

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