Der Name Ruth Achlama ist in jeder gut sortierten deutschen Buchhandlung zu finden. Doch wohl keiner der Kunden sucht nach ihrem Namen, denn Ruth Achlama schreibt selbst keine Bücher. Die Deutsch-Israelin übersetzt sie – vom Hebräischen ins Deutsche. Darunter sind Werke der großen israelischen Schriftsteller Amos Oz, Meir Shalev und Abraham B. Jehoschua.
«Vom Übersetzen habe ich immer geträumt. Ich arbeite sehr gerne mit der deutschen Sprache», sagt die 72-Jährige in ihrer Wohnung in Tel Aviv, vor dem Fenster stehen Palmen, unter der Decke dreht sich der Ventilator in der brütenden Hitze. «Das ist auch ein Brückenbau» – zwischen Israel und Deutschland, zwei Ländern, die aufgrund des Holocaust stets auf besondere Weise verbunden sein werden.
Achlama wurde 1945 als Renate Böteführ in Quedlinburg (heute Sachsen-Anhalt) geboren und wuchs in Mannheim (Baden-Württemberg) auf. «Ich dachte, es war die Aufgabe meiner Generation, die Ärmel aufzukrempeln, Deutschland aufzubauen, auch moralisch, und wieder gesellschaftsfähig zu machen», erzählt die kleine Frau mit den kurzen grauen Haaren. Sie wollte im Ausland zeigen, dass «es auch „das andere Deutschland“ gibt», zitiert Achlama den israelischen Staatsgründer David Ben Gurion. Beim Schüleraustausch und als Studentin warb sie in Frankreich für Versöhnung.
Schon als Jugendliche entwickelte sie zudem ihre Begeisterung für Israel, wie sie erzählt. 1969 besuchte sie das Land das erste Mal, arbeitete in einem Kibbuz nahe der Küstenstadt Aschkelon, bereiste Israel. «Mich hat das fasziniert: der Phönix aus der Asche», sagt Achlama über den damals jungen Staat, der wenige Jahre nach der Ermordung von sechs Millionen Juden durch die Nazis gegründet worden war.
Zuvor hatte Achlama Jura in Heidelberg studiert und einen ersten Kurs in Hebräisch belegt. In Israel lernte sie weiter die Sprache, in der Vokale oft nicht ausgeschrieben werden und es drei verschiedene «S» gibt. Parallel entschied sie sich fürs Judentum und konvertierte, noch bevor sie ihren späteren Mann Abraham kennenlernte. Die beiden liefen sich über den Weg, als der Chemiker am Max-Planck-Institut in Heidelberg forschte.
Achlama studierte nach dem Jura-Abschluss ein Jahr Judaistik in Cincinnati (Ohio) und träumte weiter vom Übersetzen. 1974 ging sie mit Abraham nach Israel, wurde israelische Staatsbürgerin und arbeitete nach einem entsprechenden Studium als Bibliothekarin. Mit Mitte 30 fing sie an zu übersetzen. «Die Verlage haben mir eine Chance gegeben, weil sie nicht viel Auswahl hatten», sagt Achlama und lächelt.
Schnell durfte sie sich einem der größten israelischen Schriftsteller, Amos Oz, widmen. «Und dann lief der Laden», sagt Achlama. Oz‘ Werk «Eine Geschichte von Liebe und Finsternis» wurde 2015 von der Oscar-Preisträgerin Natalie Portman verfilmt, die auch eine der Hauptrollen übernahm.
Rund 70 Bücher hat Achlama übersetzt, wie sie selbst sagt. Allein elf von Amos Oz, zehn von Meir Shalev und sieben von Abraham B. Jehoschua. Ihr Schwerpunkt ist Belletristik. Zuletzt übersetzte sie allerdings Tom Segevs Biografie «David Ben Gurion», ein historischer 800-Seiten-Wälzer. «Der ist enorm», schwärmt Achlama von Segev, «ein großartiger Geschichtenerzähler und ein großartiger Geschichtsforscher».
Zehn Monate, sechs Tage die Woche habe sie an dem Werk gesessen. «Das war ein Dauerlauf.» Sonst arbeite sie «normale Vollzeit», wie sie es nennt. 100 Seiten im Monat laute eine Faustregel – drei schmale oder zwei normale Bücher im Jahr. Aktuell beschäftigt sie sich mit einem Briefroman über den Holocaust.
Für ihre Arbeit wurde Achlama 2015 auch mit dem damals neu gegründeten Deutsch-Hebräischen Übersetzerpreis ausgezeichnet. «Ruth Achlama gehört zu den profiliertesten Übersetzer/innen hebräischer Literatur, mit einem umfangreichen übersetzerischen Oeuvre», teilt das Pressebüro von Kulturstaatsministerin Monika Grütters mit.
In den Ruhestand will Achlama erst gehen, wenn es keine Aufträge mehr gibt. «Bisher ist da keine Gefahr», sagt sie. Der Kollegenkreis sei überschaubar. Achlama zählt rund eine Hand voll Hebräisch-Deutsch Übersetzer für Literatur. Und wie wäre es mal mit einem eigenen Werk? «Ich schreibe gar nicht. Ausgeschlossen.» Warum? «Weil ich mir nichts ausdenken will.»