Auf dem unfreiwilligen Weg zu Fuß ins Fahrerlager feuerte Sebastian Vettel die Kieselsteine beiseite. In der Box umarmte er seinen Ferrari-Boss Maurizio Arrivabene zur Entschuldigung.
Ausgerechnet im geschichtsträchtigen Motodrom, wo die Fans schon zur Siegerparty bereit waren, setzte Vettel seinen Wagen auf rutschiger Strecke außer Gefecht. Statt des ersten Erfolges in Hockenheim musste Vettel im WM-Duell mit Triumphator Lewis Hamilton einen ganz empfindlichen Dämpfer hinnehmen. (Fahrerwertung der Formel 1)
SPORT1 beantwortet die wichtigsten Fragen zum chaotischen und nervenaufreibenden Rennen in Hockenheim.
Hat Vettel zu hoch gepokert?
Hätte er vorher Regenreifen aufziehen lassen müssen?
Nein! Andere Fahrer hatten schon ein paar Runden vorher auf Regenreifen gewechselt. Zu diesem Zeitpunkt war die Strecke aber noch weitgehend trocken. Manche Fahrer wechselten deshalb sogar wieder zurück auf Slicks. Vettels Entscheidung war deshalb richtig.
Vettel hätte aber vorsichtiger sein müssen. „Die Fahrbahn war rutschig und ich habe zu spät gebremst“, sagte Vettel.
Unglücklich war es auch deshalb, weil der Unfall ausgerechnet an einer Stelle ohne große Auslaufzone passierte. An einer anderen Stelle hätte Vettel seinen Wagen nur mit geringem Zeitverlust auf die Strecke zurücklenken können.
„Es war einfach die falsche Stelle“, sagte Vettel.
War es ein Fahrfehler?
Ganz klar: ja! Das gibt Vettel auch selbst zu.
„Ich habe nicht sehr viel falsch gemacht. Es war ein kleiner Fehler mit großen Auswirkungen“, gestand Vettel.
Zwar hatte sein Ferrari kurz vor dem Unfall einen Teil des Frontflügels verloren. Dies hatte aber offenbar keine Auswirkungen.
Hat die Rennleitung zu spät reagiert?
Nach Vettels Ausfall kam das Safety Car auf die Strecke. Hätte die Rennleitung es schon früher rausschicken müssen?
Das ist Ermessenssache. Fakt ist: Zahlreiche Fahrer drehten sich schon vor Vettel. Zwar regnete es nicht so stark, doch die Fahrbahn wurde trotzdem rutschig. Die Bedingungen wurden immer chaotischer.
Ein Vorwurf von Vettel oder Ferrari blieb aber aus.
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Wie lief das mit der Ferrari-Stallorder?
Kurz vor Vettels Ausfall gab es eine andere diskussionswürdige Szene, als die Ferrari-Stallorder zuschlug und Vettel seinen Teamkollegen Kimi Räikkönen überholen durfte. War die Entscheidung vertretbar?
Die Anwendung der Stallorder hat immer einen faden Beigeschmack. Räikkönen war natürlich nicht erfreut, moserte per Funk: „Wenn ihr wollt, dass ich ihn vorbeilasse, dann sagt mir das einfach“. Objektiv betrachtet hatte Ferrari dem Finnen die Entscheidung über den Boxenfunk aber recht ausführlich erklärt.
Der Grund war: Vettel war auf frischeren Reifen unterwegs, Räikkönen hätte noch an die Box gemusst.
Vettel hatte zuvor über den Boxenfunk Druck auf den Kommandostand ausgeübt. „Es ist albern, wenn ich weiter hinter Kimi bleibe. Ich zerstöre meine Reifen und vergeude Zeit“, funkte Vettel.
Durch die spätere Entwicklung hatte die Stallorder letztlich keine rennentscheidende Auswirkung.
Im Gegensatz dazu durfte Mercedes-Pilot Valtteri Bottas zumindest kurz seinen Teamkollegen Hamilton attackieren, ehe das Team per Funk den Befehl aussprach, die Positionen zu halten.
War Hamiltons Boxengassen-Aktion legitim?
Entscheidend für Hamiltons Aufholjagd von Startplatz 14 und den unverhofften Sieg war auch, dass der aktuelle Weltmeister unmittelbar vor der Safety-Car-Phase auf der Strecke blieb. Es war die verrückteste Szene des Rennens: Hamilton war schon in der Einfahrt der Boxengasse, riss das Lenkrad aber noch kurzfristig herum und bog wieder auf die Strecke.
Die Rennkommissare untersuchten den Vorfall im Anschluss des Rennens, verzichteten aber auf eine Zeitstrafe. Sonst wäre Hamilton hinter Teamkollege Bottas auf Rang zwei zurückgestuft worden.
Im internationalen Sportkodex der FIA heißt es: „Außer in Fällen von höherer Gewalt (die von den Sportkommissaren als solche akzeptiert werden) ist das Überfahren der Linie zwischen Boxeneingang und Rennstrecke – egal, in welche Richtung – mit einem in die Boxengasse einfahrenden Auto verboten.“
Mercedes-Teamchef Toto Wolff verteidigte Hamilton: „Es war sehr chaotisch und viele Funksprüche gingen durcheinander.“
Hamilton erklärte die Szene wie folgt: „Es war verwirrend. Ich kam um Kurve 16 und sah, wie Kimi einlenkte. Sie hatten mir gesagt, dass ich an die Box fahren soll und ich sagte ihnen, dass Kimi abbiegt. Dann sagten sie zu mir, dass ich draußen bleiben soll. Ich war aber schon in der Einfahrt der Boxengasse und lenkte dann nach links, um über die Wiese zu fahren. Dann sagten sie mir, ich soll hereinkommen, aber ich war schon wieder auf der Strecke.“
Wie geht es im Duell Vettel – Hamilton weiter?
Vielleicht ist es gut für Vettel, dass er nicht viel Zeit hat zu hadern. Schon nächstes Wochenende gastiert die Formel 1 in Budapest.
„Wir haben ein gutes Auto, das gibt Trost“, sagt Vettel.
Er ist nun wieder der Jäger. Vor Hockenheim hatte er acht Punkte Vorsprung vor Hamilton, nun sind es 17 Zähler Rückstand.