WEC-Rückblick 2017: Toyotas Le-Mans-Drama in Orange

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Unfälle und Reifenschäden 1999, Crash und Defekt 2014, Last-Minute-Ausfall 2016 und im Juni dieses Jahres ein neues Drama: Die Geschichte von Toyota und Le Mans hat noch immer keine Wendung zum Guten gefunden. Erneut hatten die Japaner das schnellste Auto an der Sarthe. Kamui Kobayashi hatte im Qualifying eine Rundenzeit von 3:14.791 Minuten realisiert. Im Rennen fuhren der Ex-Formel-1-Pilot und seine Teamkollegen Stephane Sarrazin und Mike Conway souverän an der Spitze .

Entgegen der Erwartungen einiger Beobachter ist der TS050 mit der Startnummer 7 auch im Rennen deutlich besser unterwegs als die Schwesterautos mit den Nummern 8 (Buemi/Nakajima/Davidson) und Nummer 9 (Lapierre/Lopez/Kunimoto). Mike Conway hält sein Auto nach dem Start in Front, gibt die Führung nur nach dem ersten Boxenstopp für sechs Runden an das Schwesterauto von Sebastien Buemi ab. Insgesamt sammelt die Crew im Auto #7 bis kurz Mitternacht satte 146 Führungsrunden.

Le Mans, 18. Juni 2017: Es ist 0:33 Uhr, auf der Strecke sind die Safety-Cars unterwegs, weil Olivier Pla (Ford) nach einem Abflug in Arnage die gesamte Piste mit Kies eingedeckt hat. Die Reinigungsarbeiten laufen. Mike Conway kommt in die Box zum Service, übergibt sein Auto an Kamui Kobayashi. Der Japaner rollt nach getaner Arbeit der Mechaniker ans Ende der Boxengasse. Die Ampel am Ausgang zeigt Rot, weil ein Safety-Car-Zug gerade vorbeirollt.

Geisterstunde in Le Mans: Drama am Boxenausgang

Kobayashi stoppt seinen TS050 ordnungsgemäß an der Linie am Boxenausgang. Auf der linken Seite signalisiert ihm zudem einer der in Orange gekleideten Streckenposten, dass er warten muss. Der Toyota ist im elektrischen Startmodus. Das LMP1-Fahrzeug der Japaner wird stets zunächst rein elektrisch beschleunigt, dann wird der Verbrenner zugeschaltet. Plötzlich auf der rechten Seite eine weitere Person in Orange. Dieser Mann streckt den Daumen hoch. Kobayashi ist sicher: Es kann weitergehen!

Der Japaner rollt mit seinem Auto an, sofort ertönt im Funk: „Stop, stop, stop!“ Das Safety-Car ist mitsamt der dahinter fahrenden Autos noch nicht vorbei. Die Ampel zeigt zudem noch Rot. Kobayashi hält sofort wieder an. Es ist 00:35 Uhr und 48 Sekunden. Das Licht am Boxenausgang zeigt Grün. Der Toyota rollt erneut an, diesmal aber nicht im E-Modus, sondern gleich mit dem V6-Turbo-Verbrennermotor. Das Problem: Für ein solches Anfahren ist die Kupplung nicht ausgelegt.

„Die Kupplung ist so ausgelegt, dass bei einer gewissen Geschwindigkeit (80 km/h; Anm.d.Red.) eingekuppelt wird, nicht aus dem Stand. Und dadurch ging sie kaputt“, beschreibt Toyota-Technikchef Pascal Vasselon. Das Bauteil ging sofort kaputt, Kobayashi rollte mit reiner Elektropower um den Kurs, aber die Energie der Batterien reichte nicht für eine volle Runde. Ausgerechnet in den Porsche-Kurven strandete der Toyota endgültig.

LMP2-Pilot Vincent Capillaire wollte nur nett sein …

„Und das alles nur, weil wir in eine Situation gebracht wurden, die es normalerweise nicht gibt“, schüttelt Vasselon ungläubig mit dem Kopf. Das Schwesterauto mit der Startnummer 8 hat zu jenem Zeitpunkt bereits zwei Stunden für einen Wechsel des Frontmotors an der Box verloren, die Nummer 9 ist zunächst nicht schnell genug, dann in einen Unfall mit dem LMP2-Auto von Manor verwickelt. Bereits kurz nach Mitternacht ist somit klar: Toyota gewinnt Le Mans schon wieder nicht.

Am Morgen des 18. Juni, als der führende Porsche #1 ausrollte, aber die Startnummer 2 eine aussichtsreiche – und letztlich erfolgreiche – Aufholjagd vollführte, wurde der kuriose Zwischenfall mit dem „falschen Streckenposten“ aufgeklärt. Es handelte sich nicht wie zunächst angenommen um einen Fan, sondern um LMP2-Pilot Vincent Capillaire. Dessen Overall vom Algarve-Pro-Team hatte eine ähnlich orange Farbe wie die Kleidung der offiziellen Streckenposten des ACO.

„Ich habe vor meiner Box auf meinen nächsten Einsatz gewartet und wollte dem führenden Fahrzeug meinen Zuspruch zeigen, welches wenige Meter vor meiner Box an der roten Ampel angehalten hatte. Es war ein spontanes Zeichen der Ermutigung, wie es zwischen Piloten vorkommt“, lautete die Entschuldigung des erfahrenen Franzosen. „So etwas kann wohl nur uns passieren“, meint TMG-Boss Rob Leupen angesichts der erneuten Tragik in Le Mans. 2018 folgt der nächste Versuch.

© Motorsport-Total.com

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