„Anne Will“: Nur nicht unglaubwürdig werden – wie die SPD um die Frage nach der GroKo herumeiert

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Natürlich erscheint uns eine neue Große Koalition unter Angela Merkel mittlerweile so gut wie alternativlos, aber natürlich wollen weder SPD noch CDU das gerade so sagen. Lieber betonen sie, auch bei Anne Will, einmal mehr, in welch außergewöhnlicher, ja: nie gekannten Lage sich das Land gerade befände und wie sehr es gerade jetzt in dieser Regierungsbildungskrise auf den Bundespräsidenten ankäme. Anders kommen die Sozialdemokraten ja aber auch nicht von ihrer bisher so strikten Ablehnung genau dieser Großen Koalition herunter. Und von dem Diktum ihres Parteichefs Martin Schulz, der noch nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen ein neues Bündnis mit der Union ausdrücklich ausschloss. Lieber wollte er Neuwahlen, de facto also: die Große Koalition erst nach Neuwahlen, und nicht jetzt schon.

Nun ist also an dem niedersächsischen SPD-Ministerpräsidenten Stephan Weil, seiner eigenen Partei bei Anne Will schrittweise den Weg in eine neue Bundesregierung zu eröffnen – schließlich ist er selbstgerade Chef einer ebensolchen Großen Koalition geworden, gegen seinen anfänglichen Willen. Zugleich soll die SPD nicht noch unglaubwürdiger werden als sie es ohnehin schon ist und der angeschlagene Martin Schulz weiter die Chance haben, SPD-Chef zu bleiben. Schwierige Aufgabe! Also betont Weil, dass die SPD selbstverständlich nicht selbstverständlich weiter regieren würde, und dass die Partei natürlich auch an andere Formen der Regierens erwägt, die Duldung einer CDU-geführten Minderheitsregierung etwa.

„Anne Will“: Weil führt sich selbst ad absurdum

So richtig erwogen werden sie dann aber doch wieder nicht, denn Herr Weil ist kein Freund eines „völlig frei fließendes Parlaments“, wie er freimütig erklärt, schließlich ist er Ministerpräsident, also Regierungschef, da hat man sowas nicht so gerne. Das eint ihn übrigens mit dem CDU-Kollegen Armin Laschet aus Nordrhein-Westfalen, für den eine Minderheitsregierung eine „schlechte Lösung“ ist, eher eine Art Ultima Ratio.

Weil geht sogar soweit, eine Minderheitsregierung aus CDU/CSU und Grünen auszuschließen, weil sie keine parlamentarischen Mehrheiten fände, so sein Argument. Also: Weil die SPD das gar nicht unterstützen will, um es klarer zu sagen. Obwohl die SPD doch angeblich allerlei ernsthaft erwägen wollte, jenseits der Großen Koalition. So führt Weil sich immer wieder selbst ad absurdum, weil er die Große Koalition eben doch will, ganz pragmatisch, so wie zu Hause in Hannover – das aber so klar nicht sagen will, aus taktischen Gründen. Dass die Jusos in der SPD sich als „Bollwerk“ gegen eine solche Regierung sehen? Kommentiert er nicht weiter, wer sind schon die Jusos?

Minderheitsregierung – nicht der Rede wert

Das Plädoyer für eine Minderheitsregierung von Ulrich Battis, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht, verhallt also weitgehend ungehört: Sie wäre „die große Stunde des Parlaments“, betont er, und das sollten doch alle Parlamentarier begrüßen. Die beiden Regierungschefs in der Runde aber können das leider gar nicht, und Katrin Göring-Eckart, die grüne Fraktionschefin im Bundestag auch nicht, weil das zu viele Fragen in den eigenen Reihen aufwirft. Lieber verspricht Göring-Eckart der Großen Koalition scheinbar mutig „die härteste Opposition“, die Grüne je gemacht haben, und das ist für Grüne eh einfacher.

Der diskrete Hinweis auf all die stabilen Minderheitsregierungen in Skandinavien wird mit dem Hinweis auf die bedeutende Rolle Deutschlands in der EU in der Runde rasch verworfen. Und der Verweis auf den Bundesrat gleich ganz übergangen: Denn de facto haben wir hierzulande ja schon jetzt in vielen wichtigen Fragen eine Minderheitsregierung – nämlich dann, wenn der Bundesrat einem Gesetz zustimmen muss. Und der hat ja in aller Regel eine ganz andere Mehrheit als der Bundestag.

Steinmeiers „große Leistung“

Niemand sei daran gehindert, täglich klüger zu werden, räsoniert Herr Weil dann noch. Die Kanzlerin, die am letzten Montag noch von Neuwahlen sprach, hat das binnen weniger Tage schon geschafft, freut sich Battis, der selbiges auch der SPD zutraut. Auf diese Weise sitzt Merkel nun so fest im Sattel wie zuvor, obwohl sie bei der Wahl klare Verluste hinnehmen musste und hernach als Verhandlungsführerin bei den Jamaika-Sondierungen scheiterte. Doch niemand macht ihr ihre Führungsrolle streitig. Soweit muss Martin Schulz noch kommen. Vorher aber muss er nochmal zu seinem Parteifreund, dem Bundespräsidenten, der ihm die Neuwahlen streitig macht. „Er hat sich die ungezogenen Kinder mal zur Brust genommen“, sagt Battis – und das sei eine „große Leistung“ von Frank-Walter Steinmeier gewesen.    

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