Am 10. Oktober hatte Chevrolet die Rennstrecke Road America in Elkhart Lake gemietet, um mit Simon Pagenaud (Penske) und Spencer Pigot (Carpenter) zahlreiche Runden mit der Rundkurs-Version der neuen Einheits-Aerodynamik für die IndyCar-Saison 2018 zu drehen. Eine Woche später war Chevrolet mit Will Power (Penske) und Ed Carpenter (Carpenter) auf dem Ein-Meilen-Oval in Phoenix unterwegs. Auch auf diesem Streckentyp kommt im Großen und Ganzen der Rundkurs-Kit zum Einsatz.
Ende Oktober war Honda am Zug. Der japanische Hersteller mit Sitz in Kalifornien testete zunächst mit James Hinchcliffe (Schmidt) und Scott Dixon (Ganassi) zunächst auf dem Texas Motor Speedway in Fort und anschließend auf dem Indianapolis Motor Speedway. In beiden Fällen kam der Speedway-Kit der 2018er IndyCar-Aerodynamik zum Einsatz.
Die insgesamt vier Testtage im Oktober waren der nächste Schritt im Entwicklungsprogramm mit der Einheits-Aerodynamik, nachdem Chevrolet und Honda in den Monaten zuvor jeweils parallel auf der gleichen Strecke (Indianapolis Motor Speedway, Iowa Speedway, Mid-Ohio Sports Car Course und Sebring International Raceway) getestet hatten.
Hinchcliffe: Überholen im Oval wieder wie in den 90ern
„Im Oval ist der Übergang vom alten zum neuen Auto richtig geschmeidig“, staunt Hinchcliffe basierend auf seinen Erfahrungen aus Fort Worth und Indianapolis. „Die IndyCar-Offiziellen haben hinsichtlich der Balance und des Abtriebs vieles richtig gemacht“, lobt der Kanadier die 2018er Aerodynamik und stellt heraus: „Für uns Fahrer geht es im Grunde nur darum, herauszufinden, wie dieses Auto genau tickt.“
Dixon, der jeweils zeitgleich mit Hinchcliffe testen war, bestätigt und geht dabei etwas mehr ins Detail: „Es geht darum, den richtigen Mittelweg zu finden. Im Vergleich zum alten Auto haben wir viel Abtrieb eingebüßt. Der größte Unterschied ist meiner Meinung nach aber die andere Gewichtsverteilung. Es lastet jetzt viel mehr Gewicht auf der Vorderachse und den Vorderreifen.“
„Im Windschatten war das Fahren schwieriger, aber das ist normal“, meint Dixon. Hinchcliffe merkt zum Fahrern im kleinen Pulk von gerade mal zwei Autos an: „Scott und ich fuhren in paar Runden dicht hintereinander her. Da gibt es schon noch Arbeit, die wir zu erledigen haben, aber der erste Eindruck war richtig gut. Was uns mit diesem Auto aufgefallen ist: wir können deutlich schneller auf das vorausfahrende Auto aufschließen.“
So schlussfolgert Hinchcliffe, dass sich das Racing in der neuen Saison auf den Ovalen verbessern wird und wieder mehr an die glorreiche IndyCar-Vergangenheit der 1990er Jahre erinnern wird: „In den Kurven gibt es mehr Platz zwischen den Autos, aber das Loch, das dieses Auto in die Luft schlägt, ist ebenfalls größer. Das wird zu mehr und gleichzeitig zu sichereren Überholmanövern führen. Man wird die Überholmanöver besser vorbereiten können und das Überholen selbst wird traditioneller ablaufen.“
Pagenaud nach Rundkurs-Test noch unschlüssig
Bevor Dixon und Hinchcliffe im Namen von Honda den 2018er Speedway-Kit probten, war unter anderem Simon Pagenaud in Elkhart Lake mit dem 2018er Rundkurs-Kit unterwegs. Diesbezüglich klingt der Franzose ähnlich optimistisch wie seine Kollegen nach den Runden im Oval.
„Das Auto unterscheidet sich stark von dem, was wir gewohnt sind, aber es macht richtig Spaß zu fahren. Es gibt weniger Grip und das ist positiv“, so Pagenaud im Gespräch mit ‚Motorsport-Total.com‘, nachdem er auf der 6,4 Kilometer langen Naturrennstrecke Elkhart Lake „ungefähr 80 Runden“ zurückgelegt hatte.
„In den schnellen Kurven, vor allem in Kurve 1 und im Karussell, war klar spürbar, dass weniger Abtrieb zur Verfügung steht. Somit gibt es in diesen Kurven mehr Arbeit auf den Pedalen. Das ist gut“, sagt Pagenaud und fügt hinzu, dass sich das Auto in langsamen Kurven „sehr gut verhielt und beim Bremsen sehr effizient reagierte“.
In diesem Zusammenhang ist dem Penske-Piloten aufgefallen, dass die Bremswege trotz weniger Abtrieb kaum länger geworden sind: „Die Bremswege sind im Grunde die gleichen wie bisher.“ Und noch etwas ist Pagenaud aufgefallen. Trotz des geringeren Abtriebs gibt es weiterhin wenig Zeit zwischen dem Moment, in dem der Fahrer den Fuß von der Bremse nimmt und dem Moment, in dem er wieder voll aufs Gas steigt.
So tut sich Pagenaud noch schwer mit einer Antwort auf die Frage, ob das Überholen mit der neuen Aerodynamik auf Rund- und Stadtkursen einfach und besser möglich sein wird: „Gute Frage. Die Bremswege kommen wir mir schon gesagt nicht länger vor. Dieses Auto ist unglaublich effizient. Im Windschatten bin ich aber noch nicht gefahren. Deshalb weiß ich auch nicht, wie viel verwirbelte Luft es gibt. Ich wünschte, ich könnte diese Frage beantworten, aber das kann ich nicht.“
Trotz der Tatsache, dass er noch keine Erfahrungen in puncto Überholen gesammelt hat, betont Pagenaud – und da schlägt er in die gleiche Kerbe wie seine Kollegen, die im Oval getestet haben – dass der eingeschlagene Weg der richtige ist: „Ich finde, die IndyCar-Offiziellen haben mit dem 2018er Auto den richtigen Weg eingeschlagen, indem der Fokus wieder mehr auf dem mechanischen Grip gelegt wurde und nicht mehr so stark auf die Aerodynamik wie es zuletzt der Fall war. Das ist positiv.“
Nach den Herstellertesttagen für Chevrolet und Honda stehen die ersten Testfahrten, bei denen Teams ihre eigenen Programme abspulen dürfen, für Januar 2018 auf dem Plan. Am 9./10. Februar steigt dann in Phoenix der erste Test mit allen Teams. Der IndyCar-Saisonauftakt 2018 steht für den 11. März auf dem Stadtkurs in St. Petersburg im Kalender.
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