„Tatort“-Kritik: Frankens schönste Fahrbahnen

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90 Minuten später hat man etliche Frankenkilometer abgerissen. Man ist mehrfach durch Tunnel und Unterführungen gerast, durch die „Weltgeschichtsstraße“, so heißt es, mit Quelle und AEG, über Landstraßen gebrummt, durch gehobene Viertel und die Parkhäuser eines Wohnturms. Ein „Tatort“ auf der Windschutzscheibe könnte man meinen, Frankens schönste Fahrbahnen.

Man verlässt sich auf die Region, verlässt sich auch auf seine Bewohner, mutmaßliches Credo des neuen „Tatort“ aus Bayern. Gleich drei echte Franken besetzen das fünfköpfige Ermittlerteam aus Nürnberg. Ehrensache, dass Voss (Fabian Hinrichs), der zugezogene Hauptkommissar, sich bereits am Empfang des Präsidiums an einem „Ade“ versucht, Dialekt verspricht schließlich Zugehörigkeit. Und auch sonst wirkt der Neue allzu bemüht, keine Fehler zu machen. Er fragt mehr als zweimal nach Namen, bittet höflich, Befragungen selbst zu übernehmen. Etwas hölzern wirkt das, doch als „Tatort“-Profis wissen wir: Jeder Anfang ist schwer.

Kein Gisbert, dafür Schrankbett und Blümchentapete

Leider überwindet der „Tatort“ mit dem pathetischen Titel „Der Himmel ist ein Platz auf Erden“ die Startschwierigkeiten auch im weiteren Verlauf des Filmes nicht so recht. Stutzt man noch über die Machenschaften der Leiche – der Uniprofessor soll mit seinem Team heimlich Raketenkopfforschung für das Pentagon betreiben – so führt der Plot schnell zurück in die Irrungen und Wirrungen einer Nürnberger Posse aus Behörden und Unternehmern.

„Langsam merke ich, was der Fi… Fabian Hinrichs alias „Tatort“… (1960517)Mit Fabian Hinrichs als Felix Voss und Dagmar Manzel als seine Kollegin Paula Ringelhahn ist der Frankenkrimi vielversprechend besetzt. Hinrichs ist schließlich für „Tatort“-Getreue kein Unbekannter. Nach einer Gastrolle im Münchener „Tatort“ von 2012 überzeugte er als Sidekick Gisbert so nachhaltig, dass Fans trotz seines Todes nach einer Folge mit einer Petition seine Rückkehr forderten.

Neben den neuen, großstädtischen Ermittlerpaarungen wirken Voss und Ringelhahn auf eine angenehme Art und Weise antiquiert. Sie gibt die demokratietreue Ostdeutsche, die vorlaut Zeugen verschreckt. Er mimt den etwas Unbeholfenen, mit Schrankbett und Blümchentapete im neuen Apartment. Die Spedition hat die eigenen Möbel einfach nicht geliefert.

„Das totale Ineinander zweier Menschen“

Verfechter der klassischen Suspense und Verächter der gesellschaftspolitischen oder zeitgeistigen Tatort-Adaptionen werden lichte Momente erleben. Schleichende Kamerafahrten, ein gefühlt grauer Schleier über dem ganzen Film. Auch die Auflösung des Falles gehorcht den Maximen typischer Mordaufklärung.

Ein bisschen hätte man sich dann aber doch gewünscht, dass Franken weniger trutschig daher kommt, und mit Klischees eher bricht als sie auszuspielen. Stattdessen ist der Leiter der Spurensicherung zu peinlich berührt, das Wort Sex zu benutzen („das totale Ineinander zweier Menschen“) und fabuliert mit einem breiten Dialekt über „so a erotische Sendung“ im Fernsehen. Während der neue Kommissar übereifrig den Tatort inspiziert. Und Ringelhahn Kaffee aus dem braunen Raststättenplastikbecher trinkt, anschließend an ihre Entourage Binsen zur Tätersuche weitergibt: „Anlieger, Spaziergänger… Alle befragen!“

Ein bisschen farblos kommt das Debüt daher, auch wenn die Rolle von Hauptkommissar Voss zum Ende hin mehr verspricht – immer noch staksig, aber mit feinem, leisen Humor. Die Region hingegen kennen Zuschauer nach Folge eins schon bestens. Windschutzscheibenshots sei Dank.

Die „Tatort“-Folge „Der Himmel ist ein Platz auf Erden“ wurde erstmals am 12. April 2015 ausgestrahlt.

Tatort Wissen für Angeber 19.30

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