Lange war es ruhig um Kraftklub. Nach Jahren voller Konzerte und zwei Nummer-Eins-Alben drückte die Band den Stoppknopf.
Nicht einen Auftritt spielten die Jungs aus Chemnitz im vergangenen Jahr. Dafür verbrachten sie nach einigen Monaten Nichtstun viel Zeit im Proberaum und Studio.
Vor der Veröffentlichung ihres dritten Albums «Keine Nacht für Niemand» sprachen Sänger Felix Brummer, Gitarrist Steffen Israel und Schlagzeuger Max Marschk mit der Deutschen Presse-Agentur. Vor allem Brummer hat viel zu erzählen – mit gewohnter Selbstironie.
Frage: In «Band mit K», dem ersten Song des neuen Albums, singen Sie: «Das ist kein Scheinwerferlicht, das ist ein Heiligenschein.» Heißt das: Die Heilsbringer der deutschen Indie-Musik sind zurück?
Felix Brummer: Wir haben gedacht, wir fangen direkt mal sympathisch an. Wir sehen uns als Mischwesen zwischen Rockstar-Klischee und fast schon sakraler Priesterfigur.
Frage: Wie sind Sie an die neue Platte herangegangen?
Steffen Israel: Bevor wir angefangen haben, haben wir uns gesagt: «Wir machen jetzt erstmal Pause.» Und zwar solange, bis wir wieder Bock haben. Wir hatten keinen Zeitstress. Die Pause hielt aber nicht so lange. Bald hatten wir wieder Bock, in den Proberaum zu gehen und neue Sachen zu machen. Wir haben so lange an Songs gefeilt, bis sie wirklich fertig waren.
Frage: War es vorher anders?
Steffen Israel: Da war es schon so, dass wir gesagt haben: «Wir müssen ein neues Album machen.» Der Prozess war auch anders: Vieles ist erst im Studio entstanden, was bei dem neuen Album nicht so war.
Frage: Hardrock, Orchester, Synthiepop-Klänge – die Platte klingt vielseitiger als Ihre bisherigen Werke. Warum?
Felix Brummer: Die ersten beiden Platten waren musikalisch sehr von dem Live-Gedanken geprägt. Da ging es um: schneller, lauter, mehr. Es sollte immer knallen und ballern. Das war auch geil. Wir haben uns musikalisch davon frei gemacht, dass die Leute in jeder Sekunde abgehen müssen. Das ist entspannter und viel experimenteller.
Max Marschk: Wir haben uns in dem Album komplett von vielen Sachen gelöst, die wir abgefeiert haben, als wir jung waren. Wir haben uns weiterentwickelt. Es ist viel analoger und musikalischer. Auch Felix hat sich mit den Texten weiterentwickelt.
Frage: Das Album ist voller Referenzen. Auf Ol‘ Dirty Bastard oder Depeche Mode zum Beispiel. Farin Urlaub und Sven Regener von Element of Crime singen auf der Platte. Eine Hommage an Ihre Vorbilder?
Felix Brummer: Wir fanden es immer etwas albern, wenn Leute sagen: «Wir haben keine Vorbilder.» Man konnte unseren Songs bereits immer deutlich anhören, wovon sie inspiriert sind. Vielleicht wird auf dem Album besonders klar, woher wir musikalisch kommen.
Frage: Die ersten beiden Alben gingen jeweils direkt auf Platz eins. Was bedeutet Ihnen Erfolg?
Felix Brummer: Die Wikipedia-Einträge über die Nummer-Eins-Alben haben für uns weniger mit Erfolg zu tun.
Steffen Israel: Das sieht schon schön aus. (lacht) Wir freuen uns eher, wenn die Leute zu unseren Konzerten kommen. Wenn wir sehen, es besteht Interesse, die Leute wollen uns live sehen. Ticketvorverkäufe sind uns wichtiger als Plattenvorverkäufe.
Felix Brummer: Wir haben uns immer als Live-Band begriffen. Status und Erfolg haben wir nie in Goldenen Schallplatten gemessen. Sondern eher daran, wie viele Leute zu Konzerten kommen oder wo wir auf den Festivalplakaten stehen.
Frage: Die Single «Fenster» enthält scharfe Gesellschaftskritik. Dabei nehmen Sie besorgte Wutbürger in den Fokus. Wie blicken Sie auf den aktuellen Zeitgeist und das politische Geschehen?
Felix Brummer: Wir sind eine Band aus fünf Menschen, die sehr politisch denken. In Zeiten wie diesen ist es schwer, sich diesem Wandel zu entziehen, der sich gerade vollzieht und den nicht kritisch zu betrachten. Wir haben viel darüber geredet, ob man nun politische Songs machen muss und die eigene Meinung – die eigene vermeintliche Wahrheit – präsentieren muss. Das finden wir immer schon ein bisschen anmaßend. Dass man sagt: «Weil unsere Band so viele Leute hören, muss das jetzt gesagt werden, damit die Leute auf den richtigen Trichter kommen.» Das ist arrogant.
Frage: Ihre Haltung wird aber sehr deutlich in manchen Songs.
Felix Brummer: Das ist ja noch mal was anderes. Dass eine Haltung durchkommt, davon gehe ich aus. Wir sind schließlich fünf politisch denkende Jungs. Wer sich in diesen Zeiten als unpolitisch hinstellt, den kann ich nicht ernstnehmen.
Frage: Jan Böhmermann hat die deutsche Pop-Industrie und den Musikpreis Echo als unpolitisch und austauschbar kritisiert. Wie wichtig ist, dass Musik auch Haltung transportiert?
Felix Brummer: Ich verstehe das. Ich höre mir auch lieber Musik an, wo ich das Gefühl habe: Da wird eine Haltung transportiert, die ich irgendwie teile. Sie ist streitbar, interessant, polarisierend – und spannend. Ich habe nicht das Bedürfnis, deutsche Befindlichkeitsmusik zu hören, die so im Radio rauf und runter läuft. Das fühle ich nicht. Ich bin da wahrscheinlich nicht die Zielgruppe.