TV-Talk Anne Will: Von Steuern haben wir doch eigentlich alle keine Ahnung

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Diskutiert man über Steuerpolitik, kann ja kaum einer von uns mitreden: Die meisten da draußen sind schon mit ihrer eigenen Steuererklärung überfordert. Und egal, welcher Politiker oder Experte dann mit welchen Zahlen in den Kampf zieht – so recht kann doch kaum einer einschätzen, ob sie stimmen oder nicht. Umso klarer kann man erkennen, warum die FDP unter dem selbstverliebten Parteichef Christian Lindner gerade so populär ist, die CDU irgendwie als Stimme der Vernunft gilt, und die SPD wieder im politischen Niemandsland verschwindet.

Wohin mit all den Steuer-Milliarden?

Zum Beispiel bei Anne Will, die mit gleich drei Politikern darüber reden will, was wir mit den 54 Milliarden Euro machen, die Bund, Länder und Kommunen laut der Steuerschätzung bis 2021 zusätzlich einnehmen werden. Kommt die CDU (in diesem Fall vertreten durch die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer) und sagt: Es gebe einen „Spielraum“, die Bürger „in gewissen Umfang zu entlasten“, beim Solidaritätszuschlag beispielsweise – aber im Übrigen müssen wir in Bildung und Infrastruktur investieren, und das koste eben viel Geld. Damit könnte die Debatte schon mit dem ersten Statement zu Ende sein.

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Dann kommt Herr Lindner und sagt: „Der Staat wird immer maßloser“, und seine „Gier“ habe „kleptokratische Züge“ angenommen. Das „Jawoll!“ und das „Genau!“, das dann folgt, kann man überall hören. Schließlich kommt Thorsten Schäfer-Gümbel, der stellvertretende SPD-Parteivorsitzende und frühere Hoffnungsträger der hessischen SPD – er spricht gerne über den Grenzsteuersatz und die Einkommenssteuersatztarifveränderung. Wenn er konkret werden soll, verweist er auf Parteibeschlüsse, die bald kommen, heute schon, ganz bestimmt!, und dass man die „Handlungsfähigkeit des Staates bei Investitionen erhalten“ müsse. So, so! Immerhin fordert er dann noch, gleich mehrmals, die beitragsfreie Kita. Als Frau Kramp-Karrenbauer ihm dann vorrechnet, dass die schon im Saarland zu teuer sei  – Kosten: 92 Millionen Euro – sagt Herr Schäfer-Gümbel nur noch etwas von einem „gemeinsamen Kraftakt“.

Anne Wills Luxusproblem

Ob es das von Anne Will attestierte „Luxusproblem“ überhaupt geben wird, ist eh unklar. Ja, sagt Christian Lindner, der behauptet, der Staat habe 2021 insgesamt 146 Milliarden Euro mehr als 2016 – weswegen die von ihm geforderte Steuersenkung um 30 bis 40 Milliarden Euro noch „bescheiden“ sei. Nein, sagt Ulrike Herrmann, die Wirtschaftskorrespondentin der „Taz“, die von „erfundenen Spielräumen“ spricht, und davon, dass „gar nicht wirklich“ Geld da sei, wenn man erstmal die Inflation und die Lohnerhöhungen abziehe. Das findet irgendwie auch die SPD, deren Vertreter Schäfer-Gümbel manchmal vage das Stichwort „Reichensteuer“ einwirft, der den Spitzensteuersatz anheben, also niemanden entlasten, dafür aber ganz viel investieren will. Etwa in Wohnungsbau, irgendwie.

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Als Lobbyist hat man es da naturgemäß leichter, weswegen Ex-FDP-Mitglied Eric Schweitzer, der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, in der Runde sehr klar und präzise wirkt. Naheliegenderweise geht auch er davon aus, dass bald viel mehr Geld zu verteilen sein wird – er will es in Berufsschulen, die Infrastruktur und den Ausbau der Glasfaser-Netze investieren, wie auch die FDP die Stromsteuer senken und mehr Geld für Forschung ausgeben will.

Und dass es in Deutschland ein Problem mit der Verteilung der Vermögen gebe, hat in dieser Runde wer gesagt? Dass Hartz IV-Empfängern mehr bleiben müsse von dem, was sie vielleicht doch irgendwo hinzu verdienen? Herr Lindner war’s. Er weiß sich eben zu verkaufen.

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