„Lieber Gerard, ich sehe, du warst noch nie bei einem ECHTEN Davis Cup. Und dieser ist es nicht“, ließ Alizé Cornet ihrem Unmut auf Twitter freien Lauf.
Die Finalwoche des Davis Cups hatte noch nicht einmal richtig begonnen, da hagelte es bereits die erste Kritik am neuen Modus des ältesten Teamwettbewerbs im Tennis.
Im Mittelpunkt des Ganzen: Die französische Tennisspielerin Cornet, der frühere French-Open-Halbfinalist Filip Dewulf und Gerard Piqué als Gründer und Gesicht der Investorengruppe Kosmos Group, die für die radikale Reform des Turniers verantwortlich ist.
Cornet, Dewulf und Piqué liefern sich Twitter-Diskussion
Schon bevor der erste Ball in Madrid geschlagen war, tauchten in den sozialen Medien kritische Stimmen auf. Nachdem der britische Sportjournalist Stuart Fraser, seines Zeichens Tennis-Korrespondent der New York Times, bei Twitter mehrere Bilder von den spärlich gefüllten Hallen in der spanischen Hauptstadt samt süffisanter Kommentare gepostet hatte, legte Dewulf nach.
„Nicht die größte Menschenmenge….noch nicht. 15 Personen sitzen auf dieser Seite der Tribüne“, schrieb er unter ein Bild von belgischen Fans vor dem Auftaktspiel der Belgier am Montag gegen Kolumbien und provozierte damit Piqué zu einer Reaktion.
„Bist du sicher, dass es nur 15 sind“, antwortete dieser und postete dazu ein Bild der inzwischen gut besuchten Tribüne samt vier Tränen-lachender Smileys, was wiederum Cornet dazu bewegte, sich mit ihrem Tweet in die inzwischen hitzige Diskussion einzumischen.
Hewitt und Federer üben harsche Kritik an Reform
Dabei ist die Kritik an Piqué, der Kosmos Group und der Reform des Davis Cups nicht neu. Die Streichung der Best-of-Five-Matches, der Abschaffung des K.o.-Systems mit Heim- und Auswärtsspielen (außer in Runde eins) und die Einführung eines Finalturniers sorgen bereits seit Monaten für harsche Kritik innerhalb der Tennis-Szene.
„Wir werden von einem spanischen Fußballspieler geführt. Das wäre so, als ob ich Änderungen an der Champions League vornehmen würde. Das ist lächerlich. Er weiß nichts über Tennissport“, wetterte etwa Australiens Davis-Cup-Teamchef Lleyton Hewitt Anfang des Jahres gegen den Star des FC Barcelona.
Ion Tiriac, Ex-Manager von Boris Becker, polterte schon vor einiger Zeit im Tennis Magazin: Der Verband ITF ruiniere „120 Jahre Tradition. Nur für Geld. Was hat das mit Sport zu tun? Es ist das Lächerlichste, das ich je erlebt habe. Diese Leute sind krank im Kopf. Die haben noch nie einen Tennisball geschlagen“,
Auch Roger Federer hielt seinerzeit mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg. „Es ist schon komisch für uns Tennisspieler, einen Fußballer in unserer Welt zu haben. Er muss sehr vorsichtig sein. Der Davis Cup sollte nicht zum Piqué Cup werden“, warnte er.
Selbst einen Boykott zog er Anfang des Jahres in Betracht, dieser hat sich aber durch die verpasste Qualifikation der Schweiz ohnehin erübrigt. Gemeinsam mit Alexander Zverev, der das neue System „gar nicht“ mag und daher auf seine Teilnahme verzichtet, tourt er derzeit für Showkämpfe durch Südamerika.
Technik-Pannen sorgen für Ärger bei den Fans
Doch nicht nur der neue Turniermodus stößt bei Spielern wie Fans gleichermaßen auf Kritik, auch abseits des Courts läuft vieles bislang nicht wie gewünscht.
Die Live-Score-Anzeige auf der ohnehin schon unübersichtlichen offiziellen Homepage konnte ebenso wenig überzeugen, wie der dort angebotene Livestream, bei dem es Unklarheiten darüber gab, in welchen Ländern dieser verfügbar sei und in welchen nicht. Trotz vierwöchiger Vorbereitungszeit schafften es die Organisatoren nicht, ein Bild des Briten Dan Evans in die TV-Grafik einzufügen, dafür wurde der Name seines Teamkollegen Neal Skupski im Match gegen die Niederlande falsch geschrieben.
Darüber hinaus sorgten auch die Werbebanden der drei Hauptcourts für Verwunderungen, auf denen anstatt der üblichen Sponsoren der Film „Shakira In Concert: El Dorado World Tour“ beworben wurde. In dem Film geht es um die Rückkehr der kolumbianischen Sängerin auf die großen Bühnen dieser Welt.
Dass die 42-Jährige seit 2010 mit Piqué liiert ist rundet die ganze Farce passend ab und scheint schon beinahe die Warnung von Roger Federer zu bestätigen, der Davis Cup könnte zum Piqué Cup werden.
Teilnehmer geben Veranstaltern positive Resonanz
Und selbst die Mannschaften blieben von den Organisationspannen nicht verschont. So wussten die Belgier eine halbe Stunde vor ihrem Spiel gegen Kolumbien noch nicht, auf welche Spieler sie treffen, da die Offiziellen sie nicht über die Nominierungen informiert hatten.
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Dennoch gibt es von Seiten der Teilnehmer bislang durchwegs gute Resonanz. „Es war wirklich positiv. Sie haben viel Geld investiert, um sicherzustellen, dass der Veranstaltungsort, die Einrichtungen, der Transport, das Essen und die Übungsplätze von sehr hoher Qualität sind. Wenn Sie die meisten Rückmeldungen der Spieler hören, bin ich sicher, dass Sie hören, dass es sehr positiv ist“, schwärmte etwa Leon Smith, Kapitän der Briten.
„Es ist wie ein normales Turnier mit Mannschaften. Die Trainingsbedingungen sind hervorragend“, sagte Deutschlands Teamchef Michael Kohlmann der SZ, schob aber nach, dass er das Davis-Cup-Gefühl dennoch ein wenig vermisse: „Von dem alten Gefühl muss man sich wohl verabschieden.“
ITF verkauft Rechte am Davis Cup für drei Milliarden Euro
Doch warum hat sich die International Tennis Federation (ITF) dann überhaupt auf den Verkauf der Rechte an die Kosmos Group eingelassen? Die Antwort ist wie so oft: Des lieben Geldes wegen!
Drei Milliarden Euro garantiert der Deal der ITF für 25 Jahre. Geld, dem zu viele Nationen nicht widerstehen konnten. Selbst große Verbände mit langer Davis-Cup-Tradition, unter ihnen wohl auch Großbritannien, sollen – obwohl sie zuvor das Gegenteil angekündigt hatten – für die Reform gestimmt haben.
Den großen Vermarkter Piqué selbst suchte man übrigens bislang vergebens bei seinem Davis Cup.