Ballett, Oper, Elektro: «Die sieben Todsünden» in Stuttgart gefeiert

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Fünf Brüste und viel Haar kleiden das Wesen, das da zur Bühne hinabschwebt. Die Show von Peaches geht los, die Sängerin verbirgt sich hinter dem Zottelbart.

Am Stuttgarter Schauspielhaus stimmt sie eigene Songs an, zu den Elektro-Punk-Klängen räkeln sich Schauspielerin Josephine Köhler und Ballett-Tänzer Louis Stiens. Die Hüllen fallen, die Bühne erstrahlt in Rotlicht.

Die Württembergischen Staatstheater wagen mit der ersten Inszenierung aller drei Sparten seit 23 Jahren ein Experiment: Einen Grenzgang zwischen Oper, Ballett und Elektro-Punk. Die Reaktionen des Publikums – eine Mischung aus Peaches-Fans, Schauspielbesuchern, Opern- und Ballettpublikum – mochte vor der Premiere am Samstagabend keiner so recht voraussagen. «Mal sehen, ob ihr damit klar kommt», so Peaches. Sie kamen klar. Der Abend endet in langanhaltendem Applaus.

Den Anfang nahm die Inszenierung von Regisseurin Anna-Sophie Mahler bei Bertolt Brechts und Kurt Weills 1933 uraufgeführtem Werk «Die sieben Todsünden». Das sogenannte Ballett mit Gesang erzählt die Geschichte von Anna, die von ihrer Familie unter anderem zur Prostitution gezwungen wird, um Geld für das langersehnte Eigenheim zu beschaffen. «Mit dem Peaches-Teil wollten wir Brecht und Weill einen zeitgenössischen Standpunkt entgegensetzen», so Dramaturgin Katinka Deecke – den beiden weißen heterosexuellen Männern.

In diesem Teil mimt Peaches die gereifte Anna: Emanzipiert, stark, kein Opfer mehr. Der Zwischentitel lautet «Seven Heavenly Sins», sieben himmlische Sünden. «Die sieben Todsünden sind ein merkwürdiges Konzept», erklärt Peaches. «Ich glaube nicht, dass es sich um Sünden handelt. Es gibt einen Platz für Zorn, einen Platz für Stolz.»

Seit Jahrzehnten singt und performt die Künstlerin gegen Geschlechterrollen und eine Welt, in der Heterosexualität als Norm gilt. Opern-Intendant Viktor Schoner ist die Kombination aus Peaches und Brecht eine logische: Ihre Musik reflektiere «diese Gender-Frage, die so essenziell von Brecht in diesem Stück thematisiert wird. Dafür ist Peaches eine Idealbesetzung.»

Auf der Bühne finden sich das Staatsorchester Stuttgart unter der Leitung von Stefan Schreiber, vier Opernsänger, zwei Ballett-Tänzer und eine Schauspielerin. Josephine Köhler boxt, tanzt, singt und monologisiert sich ebenfalls als Anna durch die Inszenierung – zwischenzeitlich verwandelt sie sich in eine tanzende Vulva.

«Das muss ich jetzt erstmal verdauen», sagt eine Zuschauerin nach der Premiere. Entrüstung verursachte die explizite, bisweilen plakative, Sprache von Peaches in Wort und Bild eher nicht. Ein bisschen Befremden aber durchaus. Im zweiten Teil performte Peaches eigene Songs mit Titeln wie «Fuck the Pain Away» oder «Dick in the Air».

«Wenn du an Brecht denkst, ist das, was wir tun, angemessen», hatte Peaches vor der Premiere gesagt. «Er wollte, dass du aufwachst. Er wollte dich aus deiner kleinbürgerlichen Haltung rütteln.» Über die breite Zustimmung beim Schlussapplaus freut sich die Provokateurin sichtlich.

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