Nach zwei Niederlagen im Playoff-Viertelfinale ist in der vergangenen BBL-Saison wieder der Glanz früherer Tage bei ALBA Berlin eingezogen. Der frühere Serienmeister war der große Gegenspieler des FC Bayern München.
Das soll auch in der am Freitag beginnenden Saison der Fall sein. ALBA-Geschäftsführer Marco Baldi zieht vor dem BBL-Start einen Vergleich zum Meister und Pokalsieger aus München und gibt einen Einblick in das Projekt ALBA. (BBL-Auftakt: ratiopharm Ulm – FC Bayern München am Freitag ab 19 Uhr LIVE im TV auf SPORT1 und im LIVESTREAM)
SPORT1: Sie haben mit ALBA in der vergangenen Saison München sowohl im Pokal als auch im Finale Paroli geboten. Ist das weiterhin möglich?
Marco Baldi: „Ich glaube, dass die Bayern in der Lage sein werden, die totale wirtschaftliche Dominanz, die sie im Fußball über Jahre aufgebaut haben, auch im Basketball herzustellen – solange nicht Mäzene wie Herr Stoschek bei Brose Bamberg da mitziehen. Wir haben an unserem Beispiel im letzten Jahr gesehen, dass man auch wirtschaftlich kräftigere Organisationen hinter sich lassen kann, wenn die Positionierung und das Momentum stimmen. Wenn man dann noch ein bisschen Glück hat, was Verletzungen und ähnliches anbelangt, dann kann man auch ganz vorne dabei sein. Wir haben zusätzlich im Basketball ein paar Phänomene, die anders sind als im Fußball – vor allem die Playoffs. Man kann eine Saison komplett auf den Kopf stellen und insofern denke ich, dass es so eine Dominanz wie im Fußball, wo möglicherweise schon zehn bis zwölf Spieltage vor Schluss klar ist, wie die Meisterschaft ausgeht, im Basketball schon allein deswegen nicht möglich ist.“
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SPORT1: In welchen Punkten ist ALBA den Bayern voraus?
Baldi: „Wir sind ein echter Basketballklub, bei dem alles auf Basketball ausgelegt ist. Wir sind der größte Basketballklub in Deutschland und haben mit Abstand die meisten aktiven Mitglieder. Wir haben im Damenbereich die meisten Spielerinnen, wir haben eine Rollstuhlbasketball-Abteilung. Das haben wir den Bayern voraus. Das zweite, wo wir ihnen voraus sein müssen, ist die mannschaftliche Geschlossenheit. Die Bayern werden immer bessere und erfahrenere Spieler haben, die sich schon auf höchstem Niveau bewiesen haben. Diese Spieler können wir uns nicht leisten. Deshalb wird es für uns sehr wichtig sein, eine Einheit und eine hohe Geschlossenheit herzustellen.“
ALBA kooperiert mit dem BVB
SPORT1: Wie verläuft die Kooperation mit Borussia Dortmund?
Baldi: „Das ist eine Geschichte, die auf der persönlichen Sympathie zwischen ALBA-Chef Axel Schweitzer und Herrn Watzke gewachsen ist. Es ist einfach ein interessanter Austausch, zumal wir von der Positionierung her ähnlich sind. Dortmund ist ein Spitzenklub, der sich mit „wirtschaftlich deutlich stärkeren“ Klubs misst – genauso wie wir.“
SPORT1: Sie konnten viele Leistungsträger halten. Wie konnten Sie sie überzeugen und warum hat sich ein Johannes Thiemann für Berlin entschieden?
Baldi: „Da kommen einige Faktoren zusammen. Wir haben vor fünf, sechs Jahren die Weichen dafür gestellt. Unser Programm haben wir auf Spieler-Entwicklung ausgelegt. Und die Infrastruktur entsprechend ausgebaut. Das Trainerteam haben wir so ausgelegt, dass ein Spieler, der eine sehr hohe Qualität hat, aber noch nicht am Ende seiner Entwicklung ist, bei uns hervorragende Voraussetzungen hat, ganz nach oben zu kommen. Das Ganze wird natürlich personifiziert durch unseren Trainer Aito Garcia Reneses. Er hat Spieler immer weitergebracht und war gleichzeitig in der Lage, Ergebnisse abzuliefern. Der dritte Faktor ist Berlin. ALBA ist bekannt und wird geschätzt, natürlich auch in Verbindung mit einer attraktiven Stadt. Letztlich muss man aber auch in der Lage sein, gehaltsmäßig zumindest in die Region zu kommen, die diese Spieler verdienen. Das haben wir erreicht, was die Grundlage dafür war, diese hohe Kontinuität zu schaffen.“
SPORT1: Welche Rolle spielt ihr Trainer auch mit Blick auf die Zukunft?
Baldi: „Egal, wo wir hinkommen, ob Spanien, Polen, Serbien, Griechenland oder jede deutsche Halle, Aito wird immer mit Applaus begrüßt. Man spürt, wenn man sich mit ihm unterhält, sofort, dass er eine besondere Persönlichkeit ist. Es ist wichtig, dass auch in der BBL solche Trainerpersönlichkeiten arbeiten und gehört werden. Da kann man viele Dinge lernen. Es sind besondere Persönlichkeiten, die ihr Leben lang auf den höchsten Ebenen unserer Sportart verbracht haben. Das ist für unser Programm sehr hilfreich und förderlich, aber da kann die ganze Liga Dinge mitnehmen und profitieren.“
Zipser? „Jeder hätte ihn gerne“
SPORT1: Paul Zipser ist nach seinem Ende bei den Chicago Bulls noch auf der Suche nach einem neuen Team. Dass die Bayern da Interesse haben, ist klar – aber hat er auch in Ihren Überlegungen gespielt?
Baldi: „Natürlich ist Zipser ein überragender Spieler, den in der Bundesliga jeder gerne hätte. Keine Frage. Auf der anderen Seite müssen wir sehen, welche Spieler wir bei uns dann möglicherweise blockieren würden. Franz Wagner zum Beispiel ist jetzt gerade 17 geworden. So einen Spieler wollen wir aufbauen. Er hat die Fähigkeit und das Potenzial, sehr weit zu kommen und ist bei uns in den besten Händen. Wenn man dann jedoch vor ihm einen hat, der sowieso die ganze Zeit spielt, dann hilft das seiner Entwicklung nicht. Das sind genau die Entscheidungen, die man treffen muss und die es abzuwägen gilt.“
SPORT1: Mit welchen Zielen gehen Sie in die Saison?
Baldi: „Wir wollen unter die besten vier. Im Sport ist es so, dass es nach unten keine Sicherheit gibt. Man weiß nur, dass einer am Ende ganz vorne sein wird, alles andere weiß man nicht. Wir sollen und wollen mit dem, wie wir uns aufgestellt haben, mit dem, was wir investieren und mit dem, wie wir das Umfeld betrachten unter die ersten vier kommen. Das war im vergangenen Jahr nicht anders. Es ist eher ungewöhnlich, dass Bamberg im letzten Jahr im Halbfinale draußen war. Das wird wohl nicht wieder so sein.“
Wagner für ALBA ein zweischneidiges Schwert
SPORT1: Ex-ALBA-Spieler Moritz Wagner hat es in die NBA geschafft. Ist das auch eine Anerkennung für Ihren Verein?
Baldi: „Dazu habe ich ein gespaltenes Verhältnis. Zunächst mal freut es mich sehr für Mo. Er ist ein Spitzentyp und ein toller Spieler, der als kleiner Junge bei uns angefangen hat. Es freut mich für ihn total, dass er seinen Traum verwirklicht hat und erreicht hat, was er wollte. Es ist zwar toll, wenn alle sehen, dass ALBA Spieler ausbildet und wir Anerkennung bekommen, aber am Ende steckt doch ein enormer Aufwand dahinter. Das ist die andere Seite. Die NBA verhindert eine Regelung wie bei der FIFA, in der festgelegt ist, dass ein Klub, der einen Spieler aufbaut und entwickelt einen Anteil bekommt, wenn er dann nach ein paar Jahren weg geht. Das ist im Basketball ausgeschlossen und das ist sehr schädlich.“
SPORT1: Zuletzt waren Kristaps Porzingis und LeBron James bei Ihnen zu Gast. Wie war der Eindruck?
Baldi: „Das sind Spitzenjungs. Porzingis ist so ein bescheidener und zurückhaltender Typ, er hat sich mit Freude mit unseren Kindern und Jugendlichen auf eine Ebene gestellt. Man spürt sofort seine ganz feine Persönlichkeit. Er kam natürlich auch mit dem Bus und Security an, das ist eben so, aber es ist ein toller Typ. Bei LeBron war ich selbst nicht in der Halle, aber ich habe gehört, dass es ähnlich war.“